Der Deutsche Buchpreis 2014, Teil 7

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wie die Zeit vergeht. Tatsächlich wird zum 10.Mal der Deutsche Buchpreis vergeben und schon zum siebten Mal der Standortvorteil von Frankfurt als Zuhause des Deutschen Börsenvereins und der Buchmesse genutzt, im hiesigen Literaturhaus die Finalisten vorzustellen und sie lesen zu lassen. Erstmals waren alle sechs Auserwählten da.

 

Letzteres hat auch damit zu tun, daß sich der Termin herumgesprochen hat und Verlage und Autoren wohl aller zum Buchpreis vorgeschlagenen 176 Bücher diesen Samstagabend freihalten. Kulturdezernent Felix Semmelroth zeigte sich darüber mit Recht zufrieden, skizzierte das noch immer diskutierte Für und Wider des Preises, der den Anspruch erhebt, „den besten Roman“ auszuzeichnen und befand: „Die Diskussion um den Preis macht ihn erfolgreich.“ Damit ging er auf die Kritiken ein, die nicht so sehr im einzelnen die Auswahl der Sechs kritisierte, sondern stärker, wer es nicht auf diese Liste schaffte.

 

Das bedeutet aber im Fall des Romans DAS ACHTE LEBEN (FÜR BRILKA) von Nino Haratischwili aus der Frankfurter Verlagsanstalt, an dem die Auswahlkritik besonders laut – ebenfalls zu Recht – wurde, daß schon die Zwanzigerliste, also die Einschmelzung von 176 Titeln auf 20 das Problem bedeutete, denn dieser große europäische Roman fehlte schon bei den letzten Zwanzig. Solche Auswahlargumente wischte Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels vom Tisch, indem er dezidiert den Deutschen Buchpreis für den jährlich „besten deutschen Roman“ reklamierte. Der Mann hat recht. Nämlich dann, wenn man die Konstruktion des Buchpreises als eine buchhändlerische Variante der Zuspitzung von Auflagenerhöhungen für deutsche Belletristik ansieht. Der Preis hat schlicht keine inhaltliche Berechtigung, aber jede, die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Literatur richtet. Es liegt an uns, den berichterstattenden Medien Auswahlen und Preise zurechtzurücken: inhaltlich.

 

Die Dramaturgie des Abends, insgesamt drei Moderatoren – Vertreter derjenigen, die als sendende und schreibende Medien den Preis begleiten – treffen auf je zwei der Nominierten, verwickeln diese in ein Gespräch über sich selbst, ihre Motive des Schreibens, speziell des ausgewählten Romans, ihre Schreibanläße, Techniken, der Zusammenhang mit dem eigenen Leben, also Autobiographisches, ging durchaus auf, weil sich beim zweimaligen Auftritt der Moderatoren auch deren Bild von ihrem Gegenüber, bzw. ihrem Roman klärt. Das war am deutlichsten Gert Scobel, 3 sat, anzumerken, der mit Heinrich Steinfest DER ALLESFORSCHER aus dem Piper Verlag lustig und schlagkräftig begann und sich dann nach der Pause bei Angelika Klüssendorf mit APRIL von Kiepenheuer & Witsch mehr als eine Blöße gab. Die Autorin rettete mit großer Nonchalance und gehöriger Geduld – ihr Buch, deren Personen von Scobel so fehlinterpretiert wurden.

 

Vielleicht sollte man nicht darauf verweisen, ein Buch zweimal gelesen zu haben, wenn man dann die im Roman vorkommenden Männer als „mit Verlaub Arschlöscher“ tituliert. Das Gegenteil ist richtig, denn in APRIL sind die Männer diesem Mädchen gegenüber einmal nicht die ausbeuterischen, nur sich selbst wahrnehmenden Egomanen, sondern diejenigen die die haltlose April - „April hat die Neigung, sich immer wieder den Boden unter den Füßen wegzuziehen“ Angelika Klüssendorf – ständig retten, so daß die Autorin ihre Figur sogar mehrfach als „Glückskind“ bezeichnete, weil jeder Mann hilft. Auch die Bezeichnung der April als „hartes Mädchen“ von Scobel sah die Autorin anders: „Mit kam es nicht hart vor“, peinlich wurde es aber dann bei den Fragen von Gert Scobel, die von der erlaubten Ausreise der Protagonistin April aus der DDR nach Westberlin handelten. Daß April immer wieder zu den Grenzposten geht, um die alte und eigentliche Heimat wiederzusehen, dort natürlich zurückgewiesen wird, kann der Moderator nicht verstehen. Soviel Unverständnis. menschliches wie politisches, können wir dann wiederum nicht verstehen, zumal das Thema, das den Abend unausgesprochen entscheidend bestimmte, wie Autobiographisches in Literatur verdichtet wird, gerade bei dieserAutorin nicht angesprochen wurde, die es am allerstärksten anwendet und dies auch offen ausdrückt.

 

Aber und das ist ein Trost, so wie der Buchpreis inhaltlich nicht den besten Roman prämiert, sondern den, den eine Jury des Deutschen Börsenvereins für den besten halten will, so sind nicht automatisch die einfühlsamen, gut recherchierten Fragen eines Moderators Ausgangspunkt eines erhellenden Gesprächs. Es kann auch andersherum gehen. Das zeigte das zweite Gespräch nach der Pause von Gert Scobel mit Angelika Klüssendorf über APRIL. Fortsetzung folgt.

 

Foto: Wolf Becker

 

 

Info:  

Die sieben Jurymitglieder haben seit Ausschreibungsbeginn 176 Titel gesichtet, die zwischen Oktober 2013 und dem 10. September 2014 erschienen sind.

 

Der Jury für den Deutschen Buchpreis 2014 gehören neben Wiebke Porombka an: Jens Bisky (Süddeutsche Zeitung), Katrin Hillgruber (freie Kritikerin), Frithjof Klepp (Buchhandlung ocelot, Berlin), Susanne Link (Buchhandlung Stephanus, Trier), Manfred Papst (NZZ am Sonntag) und Annemarie Stoltenberg (NDR Kultur).

 

Der Preisträger bzw. die Preisträgerin erhält ein Preisgeld von 25.000 Euro; die fünf Finalisten erhalten jeweils 2.500 Euro. Mit dem Deutschen Buchpreis 2014 zeichnet die Börsenverein des Deutschen Buchhandels Stiftung den besten deutschsprachigen Roman des Jahres aus. Die Preisverleihung findet am 6. Oktober 2014 zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse im Kaisersaal des Frankfurter Römers statt.

 

Der Deutsche Buchpreis wird von der Börsenverein des Deutschen Buchhandels Stiftung vergeben. Förderer des Deutschen Buchpreises ist die Deutsche Bank Stiftung, weitere Partner sind zudem die Frankfurter Buchmesse, Paschen & Companie und die Stadt Frankfurt am Main. Die Deutsche Welle unterstützt den Deutschen Buchpreis bei der Medienarbeit im In- und Ausland. Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur übertragen die Preisverleihung live im Rahmen von „Dokumente und Debatten“ auf den LW 153 und 177 kHz, per Livestream im Internet unter www.deutschlandradio.de sowie im Digitalradio DAB+. Interessierte können die Preisverleihung per Live-Stream unter www.deutscher-buchpreis.de mitverfolgen.