Der Deutsche Buchpreis 2014, Teil 8

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – So, das mußte gesagt sein, aber jetzt der Reihe nach. Nach der Begrüßung durch den Hausherrn Hauke Hückstädt und den schon erwähnten Reden wärmte der Österreicher Heinrich Steinfest mit DER ALLESFORSCHER den Saal schon mächtig auf.

 

Das ist aber auch ein Stück Literatur, Weltliteratur insofern, als die Hauptfigur Sixten Braun im südlichen Taiwan, in Tainan, erst einmal durch die Explosion eines Wals krankenhausreif geschlagen wird und im Koma liegt, dann auf dem Rückflug von Japan nach Taipeh abstürzt, in Stuttgart weiterlebt, aber seine innerliche Erfüllung dann auf einer Hütte hoch oben in Tirol findet. Interessant dann die Ausführungen des Autors zum Entstehen seiner Bücher, wo die Themen, gerne auch im Traum zu ihm kommen und er: „ich empfinde mich als Gärtner, der gießt und sehe, was wächst.“ Auf jeden Fall hat er keine ausgedachten Schreibstrategien, die auch nicht nötig seien, denn „die schrägsten Sachen passieren im realen Leben.“ Nämlich die zitierte Walexplosion.

 

Heinrich Steinfest, der von Gert Scobel nur angestupst werden mußte, um in Fahrt zu kommen, unterhielt so österreichisch galant wie mit subtilem Humor auf intelligente Weise das Publikum. Kein Wunder, daß DER ALLESFORSCHER beim anschließenden Buchverkauf in der Pause und nach dem Ende der Lesungen ein Favorit war. Unserer übrigens auch.

 

Das hatten die Programmplaner gut gemacht, daß nach dem Österreicher Steinfest die Schweizerin Gertrud Leutenegger mit PANISCHER FRÜHLING von Felicitas von Lovenberg befragt wurde. Denn auch hier fängt die Geschichte im Ausland, in London, an und wenn die Schweiz auch eine große Rolle spielt, so ist es dem eigentümlichen Verhältnis der Icherzählerin des Romans mit einem Obdachlosenzeitungsverkäufer namens Jonathan geschuldet. Diese zarte, undefinierbare, erotisch nur angehauchte Beziehung lebt durch das gegenseitige Erzählen beider aus ihrer Kindheit, was ja nur passiert, wenn man das Interesse des anderen spürt.

 

Das vielschichtige bunte London im East End, sonst von Flugzeugen umtost, wird still angesichts des Ausbruchs des Eyjafjallajökull in Island – der europäische Flugverkehr wurde 2010 für zehn Tage eingestellt - , was der Erzählung eine insulare Atmosphäre verleiht, zu der die Konzentration auf die Themse im Ablauf von Ebbe und Flut hinzukommt: das Treffen der beiden Protagonisten findet immer auf der London Bridge statt. Es gelang in diesem Gespräch ebenfalls sehr gut, den Gehalt des Romans deutlich werden zu lassen.

 

Interessanterweise war das bei allen weiteren vier Schriftstellern durchaus schwerer, was wir darauf zurückführen, daß es bei allen vier Romanen ausnahmslos um Deutschland ging und sich der alte Spruch, der auch Motto des Leutenegger Buches sein könnte, daß in der Ferne uns das Eigene, die Heimat, aber auch wir selber uns klarer werden, umgedreht zur Konsequenz hat, daß wir bei den deutschen Themen stärker uns selber immer mitlesen. Fortsetzung folgt.

 

Foto: Heinrich Steinfest von Wolf Becker