Die Finalisten des Deutschen Buchpreises 2014 , Teil 20
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - „The same procedure as every year“ kann man diesmal zur zehnten Verleihung des Deutschen Buchpreises nicht sagen. Denn von Beginn an hatte Gottfried Honnefelder als Vorsteher des Börsenvereins des deutschen Buchhandels die immer mit Spannung und Menschen vollgefüllte Veranstaltung im Kaisersaal des Frankfurt Römers eröffnet, was nun seinem Nachfolger Heinrich Riethmüller oblag.
Und da merkten wir kurz und freudig auf, als er äußerte: „Wie oft werden bei uns die Listen – die lange und die kurze – diskutiert!“ Das stimmt. Uns ging es aber darum, daß er endlich deutsche Begriffe im Auswahlverfahren des Deutschen Buchpreises verwandte. Wir auf jeden Fall finden die englischen Bezeichnungen von 'short' und 'long' degoutant (ehrlich gesagt auch total lächerlich) für die Auswahl von zwanzig Romanen (Lange Liste) , die dann auf sechs Romane (Kurze Liste) zusammenschmilzt. Na, hoffen wir, daß das eine Schwalbe war, die irgendwann einen Sommer macht.
Riethmüller faßte das Auswahlverfahren von zehn Jahren noch einmal zusammen: 1647 gelesene Romane, 200 Titel, die für den Buchpreis nominiert waren – während der Rede neun, jetzt schon zehn Buchpreisträger. „Der Deutsche Buchpreis hat nach zehn Jahren Geschichte geschrieben. Literaturgeschichte und Mediengeschichte.“ Und er sprach auch davon, daß der Preis dem Literaturbetrieb den Glanz gibt, den er sonst nicht hat. Ja, dachte man da innerlich, wenn man an den Alltag von Schreibern denkt.
Im anschließenden Gespräch, in das Moderator Gert Scobel die Sprecherin der Jury Wiebke Porombka zog, zog diese vom Leder. Noch nie habe es so wie dieses Jahr im Vorfeld Abträgliches über potentielle Buchpreisträger gegeben. Das sei respektlos gegenüber den Nominierten. Damit muß sie sich auch darauf bezogen haben, daß ein Teil der Kritik – gebündelt in der Nichtnominierung auf der Langen Liste von Nino Haratischwilis DAS ACHTE LEBEN aus der Frankfurter Verlagsanstalt – sich auf die Auswahl dieser Liste bezog. Ein solcher harscher Vorwurf der Juryvorsitzenden nun macht diejenigen, die über Literatur schreiben, sprachlos. Seit wann darf eine Juryentscheidung nicht mehr kritisiert werden, wenn es dafür Argumente gibt. Daß der Literaturbetrieb gerade von den gegensätzlichen Einschätzen und Meinungen lebt, ist das eine, daß es ihn dann besonders lebendig macht, das andere.
So elfenturmhaft und besserwisserisch ging es nicht weiter. Immer wieder sind die Filme der Deutschen Welle, die die Autoren in Kurzporträts im Ambiente ihrer Romane zeigen, sie kurz lesen lassen und über das Werk und das Leben räsonieren, einfach unterhaltsam und bringen eine sinnliche Komponente in die vielen Worte des Abends. Gleichwohl sind sie auch geschicktes Instrument, um die Stimmung steigen zu lassen, wer denn nun der Gewinner unter den gezeigten sechs Autoren sei. An diesem Abend allerdings nicht.
So wenig Spannung gab es lange nicht. Denn als Vorsteher Riethmüller Lutz Seiler als denjenigen, der den Deutschen Buchpreis 2014 erhält, benannte – eigentlich hätte er KRUSO sagen müssen, denn den Preis bekommt der Roman und das fügte er dann auch noch dazu - , da gab es aber auch kein einziges überraschtes Gesicht im Kaisersaal. Zu sehr – für unseren Geschmack – war schon im Vorfeld der Name Seiler als sicherer Gewinner gefallen. Wer dies in Gang setzte und warum, das wissen wir nicht. Wir wollen aber deutlich machen, daß dies auffiel und daß es uns nicht gefällt.
Dafür kann Lutz Seiler nichts, der sich freuen darf und dieser Freude auch Ausdruck gab, als er im Lobgesang an alle diejenigen, denen er den fertigen Roman verdankt, zu seiner Lektorin herüberrief :“Mensch, Doris“ und damit Doris Plöschberger ansprach, die auch schon an seinen Roman geglaubt habe, als es nur den Titel gab. Die Eisenbahn nutzte Seiler dann als Metapher, um damit sowohl die Kraft seines Verlages, der 128 Heizer im Suhrkamp Verlag anzusprechen, wie auch die Vision eines vielgleisigen Bahnhofs. Denn dort sind dann die Gleise für die – im Vorfeld alle noch einmal genannten - sechs Letztnominierten: Thomas Hettche, Angelika Klüssendorf, Gertrud Leutenegger, Thomas Melle und Heinrich Steinfest.
Damit aber nicht genug. Seilers eigentliche Aussage und seine Meinung war die, diesen Bahnhof nicht auf die Romanliteratur zu beschränken, sondern die Vielseitigkeit und Vielfalt auch auf die übrigen Genres der Literatur auszudehnen. Und damit meinte er nun zuvörderst die Lyrik, die seine sprachliche Heimat ist. Die Sprache ist dann auch etwas, wofür KRUSO besonders gelobt wird. Daß er mit seinem allerersten Roman gleich den Deutschen Buchpreis gewinnt, ist für Lutz Seiler, der außer dem lyrischen Werk nur einige Erzählungen vorlegte, schon großer Bahnhof.
PS: Vergleichen Sie die Besprechungen der Bücher der Sechserliste und deren Auftritt im Frankfurter Literaturhaus, aus denen auch hervorgeht, daß unsere Wahl auf Angelika Klüssendorf für APRIL und/oder Heinrich Steinfest für DER ALLESFORSCHER gefallen wäre.