Anläßlich des Gastlandes FINNLAND.COOL mehr über deren Kriminalromane und die Termine der Lesungen, Teil 10

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Bisher hatte Antti Tuomainen sowohl seine Theorien über den Roman als perfekte Gattung für seine Art des Schreibens dargestellt, wie auch von den Einflüssen erzählt, denen er verpflichtet ist und die er im amerikanischen Krimi Noir sieht – aber nicht nur.

 

 

Was ist mit Sofi Oksanen?

 

Ja, sicher, sie ist hervorragend, ich nehme das Beispiel von FEGEFEUER, einem ihrer stark narrativen Romane: Dabei geht es um die Gesellschaft, die Frauen und Frauenrechte. In diesem Sinne würde die finnische Krimi-Literatur von der amerikanischen nicht abweichen, es gibt in Finnland ziemlich starke und explizite Handlungen - außer Sofi Oaksanen würde mir auch Katja Kettu einfallen.

 

 

Wie ist die Position eines Schriftstellers in Finnland? Angesehen oder kommt es auf das Genre an?

 

Ich weiß nicht, ob sie das noch tun, aber vor einigen Jahren hat man eine Umfrage durchgeführt. Es ging um die meist geachteten Berufe und das Schriftstellersein landete auf Platz vier und schlug sogar die Position des Arzt, was sich zugleich komisch und angenehm anfühlte.

 

 

Endlich speziell zum Buch: Wer hat Sie zur Figur des Aleksi inspiriert? Gibt es ein Vorbild für die Geschichte?

 

Zunächst muß ich betonen, daß ich - bevor ich das Buch schrieb - schon wußte, daß ich eine Geschichte über Mutter und Sohn schreiben würde. Eine dunkle Geschichte mit einem warmen Kern. Mit diesen beiden Elementen war es dann ziemlich zwangsläufig, was ich machen mußte. Ich mußte sozusagen in der Beziehung Mutter-Kind darstellen, was es bedeutet, überhaupt eine solche Beziehung zu haben. Mit der Folge, daß der Sohn später in der Geschichte bestimmte Sachen, die früher passiert sind, auf einmal anders wahrnimmt als er sie in der Erinnerung in seiner Kindheit empfunden hatte. Alle diese Ereignisse bekommen eine neue Bedeutung, sie müssen von ihm heute, nachdem er um die Wahrheit weiß, anders interpretiert werden.

 

 

Wer ist Ihre Lieblingsgestalt in Ihrem Buch? Wen können Sie selbst nicht leiden?

 

Ich bin sehr neutral eigentlich, ich habe eine subjektive Meinung. Ich mag alle meine Charaktere, weil sie zunächst eine Sache gemeinsam haben, und zwar sind alle von etwas besessen. Sie alle wollen etwas wissen, etwas gewinnen, etwas haben. Alle sind davon angetrieben. Ich mag das an fiktiven Charakteren – etwas, was nicht unbedingt in unserer Wirklichkeit passiert. Man kann viele Themen erfinden. Also, ich mag solche fiktiven Charaktere mit Geheimnissen, Süchten und mit dem Verlangen, jegliches zu tun, um das Gewollte zu erreichen.

 

 

Nachdem Aleksi den Mörder seiner Mutter entlarvt hat, wird er zu einem anderen Mann. Darf er deshalb mit Mira, die er verließ, um das Verschwinden der Mutter aufzuklären, die Liebesbeziehung – denn er liebt sie – nicht wieder aufnehmen? Gibt es deswegen, weil er ein Anderer ist, kein Happy End?

 

Ich denke doch, dass das Buch ein glückliches Ende hat, weil Aleksi mit der Problematik von Leben konfrontiert wird und sich dem gewachsen zeigt. Im Leben geht es nicht problemlos zu, nicht alles funktioniert wie man es sich vorstellt. Wenn man allerdings Lösungen für die größten Problemen findet, kann dieses erhellend und befreiend sein. Aleksi kann sich also damit zufriedengeben, er kann weiterleben, sogar das Leben erst richtig anfangen. Ja, er ist ein Anderer. Das auch.

 

 

Sie waren früher Werbetexter, was hat Sie bewogen, Krimis zu schreiben?

 

Ich war bestimmt achtzehn Jahre alt, als ich schon wußte, daß ich Schriftsteller werden würde. Allerdings habe ich zwölf Jahre als Werbetexter gearbeitet, aber ich war dabei immer ein Schriftsteller. Die Werbetexter-Position war sozusagen der erste Schritt, den man eingeht, um Romanautor zu werden. Aber ich habe nie eine bewußte Entscheidung getroffen, Kriminalromanautor zu werden. Ich wollte nur Bücher schreiben, und ich denke, daß ich es noch tue. Ich war also ein Amateur- Schriftsteller am Anfang, dann eine Zeitlang Werbetexter und jetzt der Romanautor..

 

 

 

INFO:

 

Der Autor und seine bisherigen Werke:

 

Geboren 1971, lebt Tuomainen heute mit seiner Frau in Helsinki. Früher war er als Werbetexter tätig, bis er mit seinem Erstlingswerk „ Der Heiler“ gleich einen großen Erfolg erzielte. Das Buch erschien 2010 in Finnland und wurde mit dem Preis als bester finnischer Krimi im Jahr 2010 ausgezeichnet. 2012 veröffentlichte der List Verlag das Buch auch in Deutschland, verbunden mit einer Hörversion von HörbuchHamburg. Es handelt sich um einen Polit- und Endzeit Thriller gepaart mit einer Liebesgeschichte.

 

Mit „Todesschlaf“ veröffentlicht Tuomainen jetzt seinen zweiten Krimi, der dem ersten insofern gleicht, als daß auch hier auf einen professionellen Ermittler verzichtet wird und, was den Leser im ersten Buch berührte, die Liebesgeschichte, hier ersetzt wird durch die Geschichte des Jungen, der seine Mutter durch Mord schon als Pupertierender verloren hat und deshalb erst recht an die Mutter gebunden bleibt. Dieser Roman ist sehr viel stärker auf individuelle Charaktere und ihr gegenseitiges Handeln ausgerichtet, während übergreifende gesellschaftliche oder zukünftige Geschehnisse keine Rolle spielen.

 

 

Kurz zum Inhalt vom „Heiler“

 

Helsinki, im Ausnahmezustand. Ein Irrer, der mordet und Heilsbotschaften verkündet. Eine Journalistin, die ihn stellen will. Und dabei spurlos verschwindet. Es gibt nur einen, der sie retten kann. Ihr Mann macht sich verzweifelt auf die Suche. Er würde alles für sie tun. Doch das Böse ist stärker als die Liebe.

 

 

Kurz zum Inhalt von „Todesschlaf“

 

Antti Tuomainen, erzählt in „Todesschlaf“ die Geschichte des Aleksi Merivaara, der mit 13 Jahren seiner Mutter beraubt wird, deren Schicksal trotz intensiver Bemühungen der Kriminalpolizei nie aufgeklärt werden konnte. Er hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, herauszufinden, was an dem Tag geschah, an dem die Mutter ihr Büro verlassen hat und nicht mehr zurückgekehrt ist. Seine Erinnerungen an die Zeit vor ihrem Verschwinden tauchen in den folgenden Jahren mehr und mehr aus dem Vergessen auf und weisen ihm den Weg zu Henrik Saarinen, dem Wirtschaftsmagnaten und Geliebten seiner Mutter. Unter falschem Namen nimmt er 20 Jahre später auf Saarinens Gut eine Hausmeisterstelle an und forscht auf eigene Faust. Er deckt mehr Geheimnisse auf, als ihm lieb ist und gerät mehr als einmal in akute Lebensgefahr. Ein düsteres und spannendes Buch mit unerwarteten Wendungen.

 

Foto: Martina Ober