Frankfurter Buchmesse 8. bis 12. Oktober 2014, Teil 17
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Eva Rossmann, 1962 in Graz geboren, hat nach einem Leben als Verfassungsjuristin und politische Journalistin mit Mira Valensky eine Lifestyle-Journalistin geschaffen, die mit dem 16. Krimi ALLES ROT noch lange nicht tot ist.
Waren es zuerst heimische Fälle, in die sie hineingeriet und darüber schrieb, geht es in letzter Zeit immer stärker europäisch zu. Das machte auch den Vorgängerband MÄNNERFALLEN zu einem Buch über Sardinien, jetzt ist es sogar die EU in Brüssel, in der Mira aufklärt, wobei aber der Hauptteil von ALLES ROT im griechischen Teil von Zypern spielt. Wie geht es weiter?
Claudia Schulmerich: Sie haben mit ALLES ROT gerade den neuesten, 16. Mira Valensky Roman vorgelegt, mit dem sie auf Lesungen unterwegs sind. Sie haben im September den Leo-Perutz-Preis, den Krimipreis der Stadt Wien für den 15. Roman MÄNNERFALLEN erhalten. Sitzen Sie schon an einem neuen? Die Frage ist, wie verhält sich eine Autorin zu ihren abgeschlossenen Werken?
Eva Rossmann: Ja, wenn man jedes Jahr einen Krimi rausbringt, greift natürlich das eine ins andere Buch. Aber so ist das ja auch im Leben. Unsere Geschichten greifen ineinander und die Figuren halten mich sozusagen dann fest. Dadurch, daß in neuen Krimis dieselben Figuren vorkommen, also die Mira Valensky, die Vesna Krajner und einige drumherum, habe ich die Anhaltspunkte und wir erleben eben unterschiedliche Geschichten. Aber ich bin immer mit dem Buch unterwegs, das gerade erschienen ist. In dem Fall ALLES ROT, das mir am präsentesten ist.
Das nächste, das herauskommen wird, da habe ich immer im Sommer die erste Fassung geschrieben. Das liegt jetzt und das ist auch ganz gut so. Weil, wenn man selber eine Geschichte erfinden, mit allen möglichen Versatzstücken, die in der realen Welt beheimatet sind, aber letztlich ist es etwas, das aus mir herauskommt, da ist es sehr schwer Abstand zu gewinnen und es zu überarbeiten. Die paar Monate, die es dann mit dem anderen Krimi, dem davor, rundgeht, sind sehr gut dafür, ein bisserl Abstand zu gewinnen. Und das mache ich jetzt einfach auch. Und im Winter kümmere ich mich dann wieder um den nächsten Krimi.
Ich verstehe das sehr gut, das geht mir ja schon mit einem Artikel so, wenn ich eine Nacht darüber schlafe.
Ja, so ist es. Man muß den Mut haben, etwas wegzulegen und sich zu sagen, okay, Du mußt jetzt ein wenig warten.
Also bleiben wir bei ALLES ROT. Mit welchen zwei Sätzen würden Sie Ihren Roman anpreisen.
Ich preise sicher nichts an. Haha.
Zwei Sätze!
Also, erklären würde ich ihn damit, daß ich sage, es ist ein Buch, das handelt von den Folgen der Finanzkrise und es ist völlig logisch, daß das zwischen Zypern und dem Weinviertel spielt, weil in Zypern die zwei größten Banken pleite gingen, im Weinviertel war nie jemand jemals dabei beim Zocken und trotzdem haben seltsamerweise fast alle Gemeinden große Schulden und Brüssel ist grundsätzlich sowieso an allem schuld.
Wen stellen Sie sich als idealen Leser vor oder als Leserin, für wen wäre ALLES ROT ein richtig gutes Geschenk?
Das ist ganz schwierig zu beantworten. Man kann das Buch in unterschiedlichen Zusammenhängen lesen. Das eine ist, Menschen, die gerne Krimis lesen, mit gleichbleibenden Hauptfiguren, die werden einfach den Krimi lesen, weil er wieder von der Mira und der Vesna handelt. Und die lassen sich dann damit auch auf ganz Neues und ein anderes Thema ein. Menschen, die mehr über die EU wissen wollen und einige ihrer Mechanismen, denn die kann man ja nie restlos kennen, das wäre ja schrecklich, wenn man das versuchen wollte, die haben die Chance darüber eben mehr zu erfahren. Menschen, die überlegen nach Zypern zu fahren, gewinnen vielleicht auf diese Art etwas daraus.
Auch, wenn Sie schon tausendmal gefragt worden sind: wie charakterisieren Sie ihre Lifestylejournalistin Mira Valensky. Wie war sie am Anfang, wo liegt ihre Entwicklung, gab es unter den Romanen bestimmte, eben auch bestimmt Ereignisse, in denen sie sich verändert hatte.
Das wäre jetzt sozusagen ein eigenes Buch, wenn ich das jetzt alles erzählen müßte. Ich glaube, Mira ist deutlich bewußter und präziser geworden. Am Anfang stand die Lifestyle-Journalistin, die eigentlich sehr zufällig in ihre Fälle hineingerutscht ist und sie auch mit einigem Zufall gelöst hat. Aber sie hat sich professionalisiert. Sie hat einfach im Lauf der Jahre, wie wir alle, ihre Erfahrungen gesammelt. Ob sie es klüger gemacht hat, ist die Frage. Erfahrener aber auf jeden Fall. Sie ist eine, die – wie wir alle wahrscheinlich – auf der einen Seite schon gerne das Beharrende, die Fixpunkte in ihrem Leben hat, das ist das Kochen, das gute Essen, das ist inzwischen auch ihr Mann Oskar, wobei es immer die Frage gibt, wie viel Freiheit und wie viel Bindung? Auf der anderen Seite ist sie schon froh und auch interessiert an Neuem und so begegnen wir mit jedem neuen Fall auch einem kleinen neuen Stückchen Welt.
Ich habe vor allem deshalb gefragt, weil im neuesten Roman ALLES ROT ja ihre eigene Beziehung ihr selbst auf einmal als abgelutscht, als vielleicht doch angstbesetzt erscheint, will sagen: aus Angst in der Form eingegangen, aus Angst gehalten?
Ich glaube einfach, daß Beziehungen immer wieder hinterfragt werden und hinterfragt gehören. Die Mira ist jetzt doch schon eine ganze Zeit mit dem Oskar zusammen, und man kann sich schon fragen, paßt es in dieser Beziehung noch. Die Antworten werden dann irgendwann einmal gegeben. Aber momentan ist es schon so, was man aufgrund ihrer Flugangst vermuten könnte, würde man diesen Schluß ziehen, daß sie eben nicht ausreichend Bindung hat oder zu sehr tatsächlich in der Luft hängt. Ob das dann tatsächlich so ist oder ob es halt wieder einmal um das lange, eigentlich wirklich in jedem Buch irgendwie behandelten Thema geht, wie weit läßt sie sich auf ihn ein, wie viel Nähe braucht sie, wie viel Nähe will sie und wie viel Freiheit braucht sie aber auch, ist vielleicht auch nur eine andere Form. Abgesehen davon, daß es jetzt so ist, daß auch die Vesna schon in einer anderen Beziehung lebt, wer weiß, wie lange die bestehen bleibt.
Gibt es eigentlich unter den inzwischen 16 Miras einen, der Ihnen wirklich am meisten am Herzen liegt? Oder ist das immer der Neueste?
Also, der Neueste ist mir immer am nächsten. Es ist klarerweise so, mit dem beschäftige ich mich doch tatsächlich. Es gibt einige Bücher, die mir aus unterschiedlichen Gründen sehr nahe sind. Das eine sind ganz sicher WEIN UND BROT, weil der Krimi aus dem Weinviertel, meiner Gegend, ein ganzes Winzerjahr erzählt und zwar nicht als Idylle, sondern schon ganz reales Winzerleben. Der ist mir nahe, weil ich ihn wirklich täglich sehe. Ein anderer, der mir sehr nahe ist, weil mir das Thema sehr wichtig war, Falls, wo es um eine Frau geht, die eigentlich sehr jung und sehr einsam als Sozialhilfeempfängerin stirbt. Die war einmal jung, schön und stand vor einer Riesenkarriere und dann ist in ihrem Leben sehr vieles schiefgelaufen. Wie schnell man sozusagen auf dieses Gleis kommt und wie schnell auch gesagt wird, was will diese Dicke, die hier nur von unserem Sozialstaat schmarotzt – das war mir einfach ein wichtiges Thema, zu versuchen, das in einem Krimi zu erzählen, was ja nicht ganz einfach ist, weil der erhobene Zeigefinger im Krimi hat sich ganz schnell ...
INFO I:
Die letzten Bücher:
Eva Rossmann, Männerfallen. Ein Mira-Valensky-Krimi, Folio Verlag 2013
Eva Rossmann, Alles Rot. Ein Mira-Valensky-Krimi, Folio Verlag 2014
Eva Rossmann, Krummvögel. Roman, Limbus Verlag 2013
INFO II:
Über Eva Rossmann:
Geboren 1962 in Graz; sie lebt im niederösterreichischen Weinviertel. Verfassungsjuristin, dann Journalistin u. a. beim ORF, der NZZ und den „Oberösterreichischen Nachrichten“. Seit 1994 arbeitet sie als Autorin und freie Journalistin, u. a. für das Gastromagazin „A la Carte“. Gastgeberin der TV-Talk-Sendung „Club 2“ auf ORF.
Für ihr frauenpolitisches Engagement wurde sie im Jahr 2000 vom PR-Verband Österreichs zur „Kommunikatorin des Jahres“ gewählt. Österreichischer Buchliebling 2009 in der Kategorie Krimi & Thriller, Großer Josef-Krainer-Preis 2013, Leo-Perutz-Preis 2014. Eva Rossmann veröffentlichte zahlreiche Sachbücher und legt nunmehr alljährlich einen neuen Mira-Valensky-Krimi vor.
Foto: Martina Ober