Frankfurter Buchmesse 8. bis 12. Oktober 2014, Teil 18

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Zwar sind wir in der Eingangsfrage auf den Leo-Perutz-Preis zu sprechen gekommen, was Österreichern und vor allem österreichischen Schriftstellern viel sagt, deutschen Lesern leider noch zu wenig. Dieser Wiener Krimipreis ist benannt nach dem wundersamen Dichter, der sich unter den Nazis ins Exil retten konnte, und für das Genre Phantastik steht. Eva Rossmann dagegen ist sehr gegenwärtig.

 

 

Ich möchte gerne die Verbindung zwischen einer Verfassungsjuristin, einer politischen Journalistin und der Kriminalromanschreiberin herstellen. Da gibt es ja eine...

 

Naja, Rechtsgrundlagen kann man mal überall brauchen, würde ich sagen. Zweitens, egal, was man sozusagen beruflich tut, man hat immer private Seiten und schafft Querverbindungen, wie das gute Essen, das gerne Kochen beispielsweise. Was letztlich die stärkste Verbindung ist, das ist, daß ich als Juristin gelernt habe, strukturiert zu denken. Das nützt mir zu einem Krimi viel mehr als juristisches Sachwissen oder so, das kann man recherchieren. Was mir da nun wieder nutzt, ist, daß ich als Journalistin gelernt habe, zu recherchieren. Ich weiß, wie ich mir das Umfeld und die Strukturen schaffe, daß ich eine Geschichte so erzählen kann, daß sie tatsächlich verhaftet ist.

 

 

Meine These ist ja, daß heutzutage in der Hochliteratur es nur noch um Beziehungen von Paaren oder Eltern-Kind oder einen Entwicklungsroman geht. Daß aber unsere gesellschaftliche Wirklichkeit und auch die Probleme darin – soziale, wirtschaftliche, politische – fast nur noch im Kriminalroman erscheinen. Sie wären das beste Beispiel dafür.

 

Ich glaube, es gibt nicht diese Ausschließlichkeit, aber es gibt eine Tendenz, die stelle ich auch fest, ja. Ich habe auch den Eindruck, gerade in den letzten Jahren wieder, daß sich gerade der Kriminalroman verstärkt gesellschaftspolitischer Themen annimmt, während die klassischen erzählenden Romane eigentlich stark auf Innensicht gerichtet sind, wo es um Beziehungsgeflechte geht. Das ist ein schönes Thema, aber es erklärt nur einen Teil der Welt, sagen wir mal so. Für mich war es von Anfang so, daß mich auch als politische Journalistin natürlich die Welt an sich interessiert. Auch das Innenleben, logisch, gehört ja zusammen, aber ich möchte schon ein kleines Stückchen Welt erzählen.Ich sehe mich dadurch auch mit den Krimis in einer Tradition. Sjöwal/Wahlöö haben das einfach auf großartige Weise in den siebziger Jahren gemacht. Das waren für mich die ersten, die ganz dezidiert das politische, das gesellschaftspolitische System genommen haben und ganz gezielt dort ihre Geschichten angesiedelt haben. Einfach, weil sie damit auch sehr nah bei den Menschen waren. Das darf man ja nicht vergessen. Gesellschaftspolitik ist ja nichts Abgehobenes, sondern ist das, was uns die ganze Zeit rundum beschäftigt, bewegt, auch zu bewegen hat, natürlich, das heißt, wenn dann wieder irgendwelche versuchen zu streiken oder nicht zu streiken oder wenn sie plötzlich draufkommen „He, mein Kind kriegt keinen gesicherten Studienplatz, es gibt hunderttausend Zusammenhänge.

 

Ja, Sie schreiben heute Krimis, aber vielleicht hätten sie vor 100 Jahren 'normale' Romane geschrieben?

 

Jaja, ich glaube, die Form des Krimis, um ein Stückchen unserer Gesellschaft zu erklären, ist insofern sehr reizvoll, als im Krimi halt einfach alles zugespitzt wird, Leben und Tod, bzw., wenn schon nicht tot, dann Mörderisches passiert. Es gibt ja auch Menschen, die überleben Fehler und es ist trotzdem mörderisch, das darf man ja nicht vergessen. Dafür eignet sich sozusagen, wenn man die schönen Hochglanzfassaden unserer Gesellschaft hernimmt, der Konsumwelt, dann fordert das ja geradezu heraus, das zuzuspitzen. Vielleicht ist deshalb Gesellschaftspolitik und Krimi so gut

 

Welche Bücher lesen Sie eigentlich selbst. Welches haben Sie hier in Frankfurt mit. Krimis auch?

 

Eines? Viele, na klar! Natürlich. Ich habe immer gerne Krimis gelesen, das ist wohl der Grund, warum ich auch den ersten Roman als Krimi gemacht habe, wobei es naheliegend war bei dem Thema. Es war auch ein politisches. Ich habe immer eine Reihe von Büchern mit. Ich habe jetzt unter anderem in Frankfurt mit: den neuen Sunil Mann, den habe ich gerade fertig gelesen, den liebe ich als Krimiautor. Sunil Mann, das ist ein Schweizer Krimiautor mit indischen Wurzeln. Bei grafiti. Dann habe ich Brennerova vom Wolf Haas gelesen, das ist einfach klar, wenn das herauskommt, das muß man lesen. Dann lese ich jetzt wieder Kafka, einer meiner Lieblinge, das brauche ich einfach ab und zu. Seine Kurzgeschichten momentan, die nicht so bekannt sind. Sehr spannend, wirklich echt spannend. Dann Paulus Hochgatterer...

 

Das langt schon. Zurück zu Ihren eigenen Mira-Büchern. Der Stoff wird Ihnen nie ausgehen, denn gesellschaftspolitische Themenstellungen, die sie ja mit ALLES ROT nun auf die EU ausgedehnt haben, liegen ja auf der Straße. Also geht es weiter mit Mira?

 

Ja, also so lange es Themen gibt, gibt’s den Figurenpaß, wo ich mit meinen Figuren etwas erzählen kann. Aber ich kann keinerlei Vorhersage machen. Ich hatte von Anfang nicht die Vorgabe, mehrere zu schreiben, ich habe sie jetzt einfach nicht, wenn es einmal ein Thema gibt, wo ich finde, es paßt weder die Form des Krimis noch passen die Figuren dazu, das müßte ich anders erzählen, werde ich es machen. Es gibt so viele Vorgaben in unserer Welt, so vieles, an was wir uns sowieso zu halten haben, ich muß mir jetzt nicht selbst auch noch Zusatzvorgaben geben.

 

Das wäre die nächste Frage gewesen: Haben Sie nicht eigentlich Lust, auch anderes literarisches Personal zu entwickeln?

 

Ja, klar, mache ich auch in kürzeren Formen immer wieder. Ich habe letztes Jahr einen Viertelroman geschrieben, KRUMMVÖGEL, das ist kein Krimi, so eine landroad-Geschichte eigentlich.

 

Kenne ich nicht. Auch im Folio Verlag erschienen?

 

Nein, das bringt zu viel Durcheinander. Das geht gar nicht (lautes Lachen!). Im Limbus Verlag in Innsbruck. KRUMMVÖGEL spielt im Weinviertel, deshalb sage ich immer Viertelroman dazu. Da kann schon immer wieder was kommen.

 

 

Gibt es etwas, was Sie gerne von uns gefragt worden wären?

 

(Wieder sehr lautes Lachen)Schwierig, schwierig. Ich habe ja selbst eine Radiosendung und frage Menschen immer wieder und da überlege ich mir immer, was ich sie fragen soll. Und jetzt, in dem Fall überlege ich immer, was ich antworten soll. Wäre eh gut, wenn man das ein bißchen mehr zusammenführen würde, das ist richtig. Ich habe gesagt, irgendwann mache ich mal ein Interview mit mir, dann hab' ich mir aber gedacht, das stelle ich mir sehr schwierig vor. Lassen wir es so, daß Sie mich fragen und ich geb' Antworten und manchmal mache ich es umgekehrt. Ich bin zufrieden. (Noch lauteres Lachen)

 

 

P. S. Das fiel uns erst beim Abhören des Gespräches auf, wie viel gelacht wurde. Zuerst nur von Eva Rossmann, dann auch von der Fragenden, was jedoch von Eva Rossmann laut übertönt wurde. Das macht noch beim Abhören Spaß.

 

 

 

 

 

INFO I:

 

Die letzten Bücher:

 

Eva Rossmann, Männerfallen. Ein Mira-Valensky-Krimi, Folio Verlag 2013

Eva Rossmann, Alles Rot. Ein Mira-Valensky-Krimi, Folio Verlag 2014

Eva Rossmann, Krummvögel. Roman, Limbus Verlag 2013

 

 

INFO II:

 

Über Eva Rossmann:

Geboren 1962 in Graz; sie lebt im niederösterreichischen Weinviertel. Verfassungsjuristin, dann Journalistin u. a. beim ORF, der NZZ und den „Oberösterreichischen Nachrichten“. Seit 1994 arbeitet sie als Autorin und freie Journalistin, u. a. für das Gastromagazin „A la Carte“. Gastgeberin der TV-Talk-Sendung „Club 2“ auf ORF.

 

Für ihr frauenpolitisches Engagement wurde sie im Jahr 2000 vom PR-Verband Österreichs zur „Kommunikatorin des Jahres“ gewählt. Österreichischer Buchliebling 2009 in der Kategorie Krimi & Thriller, Großer Josef-Krainer-Preis 2013, Leo-Perutz-Preis 2014. Eva Rossmann veröffentlichte zahlreiche Sachbücher und legt nunmehr alljährlich einen neuen Mira-Valensky-Krimi vor.

 

Foto: Martina Ober