Jan Seghers, DIE STERNTALER-VERSCHWÖRUNG, Kindler Verlag, Teil 1

 

Günther Winckel

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Den Abend in der Deutschen Nationalbibliothek hatte die Buchhandlung Schutt initiiert. Richtig, da hörten wir Matthias Altenburg, der bürgerliche Name von Jan Seghers auch schon. Doch die Buchhandlung ist zu klein, wenn zur PREMIERE des neuen Marthaler-Romans gerufen wird.

 

Zur Premiereneinladung hieß es, „Matthias Koeberlin liest Jan Seghers: Die Sterntaler-Verschwörung, Dienstag, 25. November 2014, 20 Uhr“ und auch, daß Heiner Boehncke die Moderation ausübe. Anwesend war dann auch vom Rowohlt Verlag, dessen Kind der Kindler Verlag ist, Barbara Lachwitz. Das Ganze hatte gutgelaunt dann schon etwas von einem Klassentreffen, wo also eine gemeinsame Erfahrung von so vielen verschiedenen Leuten vorliegt. Uns schien diese insbesondere in der Kleidung der Anwesenden zu bestehen. Irgendwie waren die Besucher gleich gekleidet, natürlich nicht in Uniform, aber doch in gehobenem Standard.

 

Mit der „Sterntaler-Verschwörung“ legt Jan Seghers heuer den fünften Krimi um seinen Kommissar Marthaler vor. Das fing 2006 mit „Ein allzu schönes Mädchen“ an; 2007 gab's „Die Braut im Schnee“, 2008 „Die Partitur des Todes“ und 2009 „Die Akte Rosenberg“. Diesmal lauschte die Fangemeinde Matthias Koeberlin, der in die Rolle des Robert Marthaler schlüpfte, was er gerne macht und gut, und so als Ermittler Marthaler zwei Mal aus dem neuen Roman dieses Seghers über sich selber vortrug.

 

Der Autor mit bürgerlichem Namen Matthias Altenburg, als solcher als Schriftsteller und Journalist weithin bekannt, hatte ein Stipendium in Bordeaux, genutzt, wo er, wie er ausführte, das meiste vom neuen Marthaler geschrieben habe. Aus der Ferne sei es einfacher die häuslichen Verhältnisse in etwas humorig-ironisch Gesponnenes zu wandeln. Wichtig ist im neuen Krimi „Schwarzenfels“, Ort im Krimi, auf Basaltfels der Burg Huttenfels nachempfunden, wo drei Mittelgebirge aneinander stoßen. Hinzu kommt die Burg Münzenberg, das Tintenfaß der Wetterau, wo man sich eine Romanfigur wie Süleyman gut durch die Ruinen streifen vorstellen kann.

 

Für Hessen muß man den äußeren und zeitlichen Rahmen nicht weiter erläutern, sondern nur – wie im Buch – von der Landtagswahl 2008 sprechen und dem dazugehörigen harten Wahlkampf. Die Szenerie Landespolitik wurde nach dem 12prozentigen Verlust der CDU unter Roland Koch bizarr, denn einerseits war die CDU knapp die stärkste Partei geblieben, andererseits hatte die SPD-Herausforderin Andrea Ypsilanti mit ihren zwei Aussagen zur Landtagswahl nun Probleme. Ihre Hauptforderung – sagen wir es offen, daß so manche Leute sie deshalb gewählt hatten – war gewesen: Koch muß weg. Angesichts des Wahlergebnisses hätte sie in einer Kandidatur im Hessischen Landtag die Stimmen der Linken gebraucht, um die Mehrheit gegen Koch zu sichern, wobei die Grünen mit der SPD eine Koalition bilden wollten und die CDU eine mit der FDP.

 

Dieser klaren Ansage, zu der die Stimmen im Hessischen Parlament gereicht hätten, kam die Nebenaussage: Nicht mit den Linken. Statt nun locker ihre Wähler zu fragen: Was ist Euch wichtiger: Koch muß weg, was nur mit den Linken geht – oder – Nicht mit den Linken und Koch bleibt, ließ sich die SPD- Frau durch eine Soße ziehen, die Schokolade zu nennen, euphemistisch wäre, so tiefbraun war diese durch Interessierte angerührte Geschichte. Ja, richtig, hier wird an die Plakatkampagne mit „Ypsilanti, Al Wazir und die Kommunisten“erinnert. In der Erinnerung sind sich die Leute im Saal einig. Jetzt wird einander geduzt und eine Art geräuschloses Einvernehmen macht sich als Stimmung im Saale breit.

 

Wie war das mit den „vier Abweichlern“ der SPD, nach denen heute kein Hahn mehr kräht, die öffentlichkeitswirksam ihrer eigenen Partei die Stirn boten und bekanntgaben, daß sie Andrea Ypsilanti, die ja von der SPD vorgeschlagen gewesen war und die besten Wahlergebnisse seit längerem hatte, nicht wählen würden. In der öffentlichen Diskussion wurde damals sofort spekuliert, sind die gekauft, ist das Revierverhalten, was der Roman ganz eindeutig beantwortet, denn in der für Marthaler nur schwer rekonstruierbaren Zusammenkunft im Hotel am Zoo sind die Vier mit dem damaligen Regierungssprecher der CDU und u.a.auch mit einem Beamten der Landeskriminalamtes gesichtet und sogar fotografiert worden, ganz klar eine Verschwörung, insgeheim Sterntaler genannt.

 

 

Heute im Nachhinein liegt viel klarer vor einem, wie das ganze Geschehen wie in einem Drehbuch in einem Slapsticktheater ein Dreivierteljahr vor uns ablief, während es doch insgeheim darum ging, neben anderen politischen Projekten den Ausbau des Flughafens seitens der Politik nicht zu gefährden. Allein diese politische Ausgangslage macht klar,, daß die Geschichte nach einer Verfilmung, nach einer Darstellung drängte. Im Genre Politthriller wäre das zu Hause, aber da unser Kommissar Marthaler schon eingeführt ist, wird daraus dann eher ein lokaler wie überregionaler Krimi.

 

Bisher sind aber nur die Eckfiguren bekannt, der Autor erzählte, daß das Schwierige dann eben sei, weitere Romanfiguren zu finden, zu erfinden, die glaubwürdig erscheinen, die Geschichte tragen und eines auf keinen Fall sind: Karikaturen. Das war ihm das Wichtigste, daß keine Schablonen agieren, sonden sein literarisches Personal, die gefundenen und meistensteils aus den vorherigen Romanen bewährten Figuren miteinander das Leben teilen und solchen Budenzauber machen. Eine gewisse Aufmüpfigkeit ist dabei wichtige, allerdings unterblieb die Frage, warum dafür dann doch immer die Frauen gut sind. Ist auch durch das Leben schon beantwortet. Die Literatur folgt da dem täglichen Geschehen und den Heldinnen des Alltags.

 

Genau so wichtig wie die Figuren sind beim Schreiben dann auch, dem Roman ein eigenes Tempo zu geben, mit einem wiedererkennbaren Rhythmusm auch, was Hölderlin „Wechsel der Töne“ genannt. Es verbietet sich von selbst, auf einer Dauerhochtour bestehen zu wollen und den Fehler vieler Krimis zu wiederholen, vor lauter unaufhörlicher Action zu vergessen, die Figuren zu entwickeln. Hier wird ein Schwerpunkt das Team um Marthaler, der mit seinem kooperativem Team schon durchaus eine Arbeitsutopie lebt. Gerade weil das Wespennest Polizeipräsidium ausgespart sein soll, ist die Villa, in der dieses Team arbeitet, im gewissen Sinn ausgeklinkt aus dem Apparat. Und wer es immer noch nicht gemerkt hat, daß es auch um Sinnlichkeit geht, der kann sih während des Lesens notieren, was im Roman alles gegessen wird, wobei der Ex-Ministerpräsident mit seinen Honigbällchen nur die Spitze des Eisbergs bildet. Hier werden auch Restauranttips gegeben, u.a. Geismühle im Odenwald

 

 

INFO:

Jan Seghers, Die Sterntaler-Verschwörung, Kindler-/Rowohltverlag

 

 

http://www.fr-online.de/literatur/krimi-jan-seghers-verschwoerung-in-hessens-politik,1472266,29141288.html