„Seeungeheuer und Monsterfische“ von Chet van Duzer am 11. März im Verlag Philipp von Zabern
Robert Matta
Darmstadt (Weltexpresso) – Das ist nun mal eine ungewöhnliche Idee für ein Buch. Der Autor, kundig in der Interpretation alter Karten, hat sich an die, die Meere und andere Gewässer abbilden, rangewagt und ist zu höchst ungewöhnlichen Schlüssen eines frühen Marketings der Zeichner gekommen – und vor allem bildet er deren Phantasien ab!
Alte Karten und Seekarten sehen für uns immer ungewöhnlich aus. Zum einen unterscheiden sich die antiken und mittelalterlichen Darstellungen doch stark von unserer Weltkarte. Zum anderen finden sich darauf fantastische aber auch bedrohliche Wesen, die teilweise an Wale und Fische erinnern, teilweise aber noch sagenhafter anmuten. Chet van Duzer hat die Geschichte dieser Untiere in seinem Buch „Seeungeheuer und Monsterfische“ untersucht. Das üppig bebilderte Werk erscheint am 11. März im Verlag Philipp von Zabern.
„Seeungeheuer und Monsterfische“ von Chet van Duzer
Seeungeheuer auf alten Karten haben vor allem zwei Funktionen. Auf der einen Seite sind sie bildliche Darstellungen von angenommenen oder tatsächlichen Gefahren, die Seefahrern als Warnung dienen sollten. Als Vorlage für die „Wesen“ dienten den Zeichnern zeitgenössische wissenschaftliche Literatur, Erlebnisberichte von Seefahrern oder ihre eigene Fantasie. Zum zweiten bereicherten die Untiere ebenso wie Schiffe, Berge, Städte und Häfen als Dekoration die Weltdarstellung. Chet van Duzer untersucht umfassend und mit zahlreichen Beispielen von der Antike bis in die Renaissance, wie es zu den fabelhaften Wesen auf den Karten kam. Echte Naturbeobachtungen stecken nur zum Teil dahinter.
Etliche der Mischwesen auf mittelalterlichen Karten lassen sich dadurch erklären, dass man schon in der Antike annahm, alle Landtiere hätten eine Entsprechung im Wasser. Also zieren auch Seeschweine und Seewidder die Meeresflächen. Zahlreiche Kuriosa fügt der Autor zu einer erstaunlichen Gesamtsicht auf die Kartenwelt zusammen – so das Erscheinen der fliegenden Schildkröte. Im Jahr 1543 veröffentlichte der niederländische Kartograph Cornelis Anthonisz eine völlig neuartige Karte von Nordeuropa. Darauf tauchte erstmals eine fliegende Schildkröte auf, ohne dass es je eine Schrift- oder Bildquelle dazu gegeben hätte. Van Duzer schließt auf einen Werbegag des Zeichners, der seinen Verlag im Zeichen der Schildkröte führte. Etliche Nachahmer kopierten das fliegende Reptil, darunter Gerhard Mercator. Schließlich behauptete der niederländische Gelehrte Adriaen Coenen, das Tier von einem lebenden Objekt abgemalt zu haben – der Nachweis seiner Existenz wurde also vermeintlich wissenschaftlich bewiesen.
Die Tricks der Kartenzeichner
Über die Jahrhunderte hat es immer zwei Arten von Karten gegeben – die Weltdarstellungen „mappae mundi“, die von reichen Auftraggebern nachgefragt und in Königs- und Fürstenhäusern zur Schau gestellt wurden, aber auch See- oder Portolankarten, die tatsächlich der Navigation an Bord von Schiffen dienten. Je ausgeschmückter das Kartenwerk war, desto mehr ließen sich die Käufer die Prunkstücke kosten. Chet van Duzer vermutet, dass es den Zeichnern nicht mehr um geographische und naturkundliche Genauigkeit ging, wenn sie schon für die Menge an Seemonstern bezahlt wurden. Die in Aussicht stehende Bezahlung stachelte also die Fantasie bedeutend an.
Und noch einen anderen Trick weist der Autor nach: Seeungeheuer und Monsterfische sollten fremde Seefahrer von Routen abhalten, die ökonomisch besonders interessant waren. Die großen Skandinavien-Karten des Olaus Magnus von 1539 enthielten zahlreiche furchteinflößende Monster im Nordmeer. Fischer aus angrenzenden Ländern sollten so von den üppigen skandinavischen Fanggründen abgebracht werden.
Über das Buch
Chet van Duzer
Seeungeheuer und Monsterfische. Sagenhafte Kreaturen auf alten Karten
Aus dem Englischen von Hanne Henninger und Jan Beaufort
Verlag Philipp von Zabern - WBG
2015. 144 S. mit 147 farb. Abb.
Gebundener Ladenpreis: € 39,95 [D]
ISBN 978-3-8053-4859-1
Erscheint am 11. März 2015
Chet van Duzer interpretiert in diesem üppig bebilderten Band zum ersten Mal Seeungeheuer auf den wichtigsten europäischen Karten: von den ersten Mappae mundi aus dem 10. Jahrhundert über die frühen Globen bis hin zu den Kartendarstellungen des 16. Jahrhunderts wie Mercators Weltkarte von 1569.
Über den Autor
Chet van Duzers Arbeit konzentriert sich auf die Interpretation von Texten und Abbildungen auf historischen Karten. Er hat bereits zahlreiche Arbeiten zu mittelalterlichen Karten und Karten der Renaissance veröffentlicht.