Serie: Neue und ältere Kunstbücher aus dem Verlag Michael Imhof . Petersberg, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Auch so ein Buch, das in den Haushalt aller Frankfurter gehört und das im Untertitel heißt: Bilder erzählen. Das beweist gleich die danebenstehende Seite, auf der Hauptwache und Katharinenkirche um 1935 abgebildet sind.

 

Da sieht man nämlich die hübschen einfachen, weil offenen Straßenbahnen, die einfach so viel besser aussahen, als die heutigen petrolfarbenen Trümmer. Wir erkennen die Linie 3, die 6 und die 2, deren Gleise direkt zwischen Hauptwache und Kirche verlaufen und so wenig stören, weder unseren Blick, noch die vielen Passanten, die vor der Hauptwache entlang schlendern. Aha, das sieht man hier auch, die Linien 3 und 2 fahren in unserer Richtung, die 6 dagegen biegt gleich um die Kurve gen Norden, ob durch die Eschenheimer Anlage? Mal sehen, ob wir im Folgenden mehr darüber herausbekommen, denn in Kindertagen fuhren in der Stadt noch die Straßenbahnen, allerdings über die Schillerstraße – oder beide?

 

Hier auf jeden Fall – wir sind immer noch bei dem ersten Bild – sieht man deutlich, daß wir auf einen Abzweig schauen. Es verlief also an der Hauptwache einmal direkt in den Roßmarkt hinein die Strecke, aber wohin sollte denn dann das Schienenbett daneben hinführen? Vielleicht an der Katharinenkirche vorbei Richtung Main? Schauen wir mal, wie es weitergeht.

 

Genau, würden wir jetzt ins Historische Museum der Stadt gehen, könnten wir das große Stadtmodell vom alten Frankfurt bestaunen. Das Historische Museum, das heißt der Betonbau der Sechziger, wurde zwar gerade abgerissen, aber wir vermuten mal, daß das Modell ausgestellt bleibt, denn es ist von großem Reiz, auch für die Touristen, erst recht für die Eingeplackten, wie man landläufig die nach Frankfurt Zugezogenen benennt, denn bei den gebürtigen Frankfurtern setzt man voraus, daß sie das alles mit der Muttermilch einsogen.

 

Wir blättern erst einmal und lassen uns nur auf die Bilder ein: Altstadt im gotischen Gassengewirr, das Frankfurter Schauspielhaus um 1915 und der Eschenheimer Turm um 1905. Die Jahreszahlen beziehen sich selbstverständlich auf die Ablichtungszeit und nicht die der Erbauung. Von den drei Gebäuden hat nur der Eschenheimer Turm überlebt und das Schauspielhaus zu geringen Teilen. Denn um die Reste wurden mit neuer Fassade die heutige Oper+Schauspielhaus errichtet.

 

Beim Blättern sehen wir, daß es fast ausschließlich Fotografien sind, so daß es sich um Abbildungen des 19. und 20. Jahrhunderts handelt. Das ist ja verständlich, für die Jahrhunderte davor muß man sich auf Karten, auf Skizzen, auf Aquarelle, Zeichnungen und Gemälde stützen.

 

Die Geschichte Frankfurts allerdings findet überwiegend davor statt und darauf geht auch die Stadtgeschichte in Zahlen ab Seite 13 ausführlich ein. Zuvor wird aber der Ortsname hergeleitet: 794 erscheint er als FRANCONOVURD, lat. als Vadum Francorum, die Furt der Franken. Das ist die Furt in der Nähe der heutigen alten Brücke, von der man im damaligen Heimatunterricht so Wunderlich-Schönes lernte, was sich hier nun auf Seite 11 als historisch falsch herausstellt. Das wollen wir nun gar nicht wahrhaben und da unsere Version dort zumindest erzählt wird, wenngleich mit dem Zusatz, „nicht zutreffend“, glauben wir, daß wir es wagen können, diese schöne Geschichte wiederzugeben. Hier lesen wir sogar, daß es nach der Chronik Dietmars von Merseburg (975-1018) in Frankfurt um den Ort gehe, in dem die Kämpfe zwischen Karl dem Großen und seinen Franken gegen die Sachsen geschlagen wurden. Und da heißt es dann im Text schnöde: „Historisch verbürgt ist allerdings die Tatsache, daß Karl der Große im Frankfurter Gebiet niemals gegen die Sachsen gekämpft hat.

 

Aber nun hören Sie die schöne Geschichte, die, wenn Karl der Große sie gekannt hätte, er sofort seine Mannen Richtung Main geschickt hätte, damit aus der schönen Geschichte lautere Wahrheit würde. Die Legende geht so: Die Franken waren im großen Krieg des Frankenkönigs Karl gegen die Sachsen – noch ist er König und nicht Kaiser, dazu mußte er ja erst einmal die Sachsen und andere schlagen – ziemlich verzweifelt auf der Flucht vor den sie verfolgenden Sachsen. Da kommen sie an den Main. Unüberwindbar. Gefangen. Doch da sehen sie auf einmal, wie eine weiße Hirschkuh durch den Main watet. Es ist eine Furt, durch die Franken sofort auf die andere, die nördliche Mainseite gelangen. Das spätere Frankfurt, das deshalb so heißt, weil die Furt den Franken das Leben rettete.

 

Aber es kommt noch viel besser, viel anschaulicher, viel bunter. Die ankommenden Sachsen sahen nämlich weder weiße Hirschkuh noch Furt, konnten nicht über den Main zur Verfolgung der Franken und blieben einfach dort hausen, wo sie waren, weshalb dieser Stadtteil seit damals Sachsenhausen – das ist der mit dem Äppelwoi – heißt. Ist das nicht eine schöne, überzeugende Geschichte. Leider abgelehnt durch unseren Verfasser, der sich schlicht auf die Forschung beruft.

 

An der Stadtgeschichte mit Zahlen läßt sich dann nichts deuteln. Immerhin lassen Spuren auf dem Domhügel die Jungsteinzeit ahnen, da sind wir also im 6. Jahrtausend v. Chr., seit 500 v. Chr. Gibt es dann keltische Niederlassungen. Hier waren die Chatten zu Hause, wie die Römer schon wußten, die den heutigen Hessen entsprechen.Die Geschichte der Stadt ist so spannend, vor allem der Zusammenhang mit Kaiserwahl und -krönung, das wir das ein andermal ausführen wollen. Wir haben fest vor, dieses Buch jedesmal dann zu zitieren, wenn es um Frankfurter Angelegenheiten geht, wie derzeit die Stadtführung, die zum ehemaligen Kino METRO IM SCHWAN führt, was heute als Kaufhaus Hugendubel neu errichtet wurde, aber wie damals im STEINWEG zu Hause ist. Der heißt deshalb so, weil er die erste gepflasterte Straße Frankfurts war. So einfach ist das. Demnächst mehr aus diesem spannenden Buch.

 

Info:

Paul Wietzorek, Das historische Frankfurt am Main, Michael Imhof Verlag 2011