Die neue Stadtschreiberin von Bergen-Enkheim kommt aus der Schweiz
Felicitas Schubert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das ist um diese Zeit immer das große Rätselraten, wer in diesem Jahr der neue Stadtschreiber, die neue Stadtschreiberin wird – von Bergen-Enkheim nämlich, ein Wahlamt, das einst als Stadtschreiber von ehemals unabhängigen Bergen nach unserer Erinnerung das erste literarische Amt in der Bundesrepublik wurde.
Die neue Stadtschreiberin von Bergen-Enkheim wird Ruth Schweikert. Ihr Kollege aus der Schweiz, Peter Bichsel, der nun schon 80 Jahre wurde, ist den Bergen-Enkheimern in der allerbester Erinnerung. Wenn er kommt, füllt er alle Säle. Überhaupt sind die Bergen-Enkheimer gut Freund mit ihren Stadtschreibern, aber manche wachsen ihnen besonders ans Herz. Das steht auf jeden Fall erst einmal offen für Ruth Schweikert.
Die Begründung der Jury für die Wahl lautet:
"Ruth Schweikert, eine Meisterin der Satzrhythmen, erzählt von Verhältnis und Verhängnis. In Bildern jäher Nähe, mit schonungslosem Blick auf das alltägliche Leben geht sie Verwerfungen der Liebe und folgenreichen Entscheidungen nach. Bereits in ihrer frühen Prosa ist ein unverkennbarer Ton: hell, fluid und gemessen zugleich. Schweikert vermag in allen Altern zu erzählen, von den Ältesten, von Neugeborenen, Aufwachsenden und jenen, die sich wiederfinden in der sogenannten Lebensmitte. Mit großer Umsicht und in zwingenden Satzfolgen vermisst sie Familienkosmen, Linien und Verbandelungen, spiegelt Epochen in Episoden, verfolgt Muster der Übertragung und wie sich Leerstellen und Verschwiegenes fortschreiben. Schweikerts Sprache zieht in den Bann. In den Lücken, die sie lässt, bleiben Raum und Rätsel."
Über die Schriftstellerin
Ruth Schweikert, geboren 1964, Mutter von fünf Söhnen, lebt mit ihrer Familie in Zürich. Sie ist Autorin von Romanen und Theaterstücken. 1994 erschien ihr erster Erzählband „Erdnüsse. Totschlagen“, 1998 „Augen zu“, 2005 „Ohio“. 2015 veröffentlichte sie den Roman „Wie wir älter werden“ (S. Fischer Verlag). Als 42. „Amtsinhaberin“ wird sie für ein Jahr im Stadtschreiberhaus in Bergen wohnen und arbeiten können.
In Bergen-Enkheim wurde vor über 40 Jahren das symbolische Amt „Stadtschreiber“ erfunden, das mittlerweile von zahlreichen anderen Städten in Deutschland aufgegriffen wurde. Der Stadtschreiberjury gehören Fach- und Bürgerjuroren an. Die Fachjuroren sind Peter Weber, Peter Härtling, Wolfram Schütte und die amtierende Stadtschreiberin.
Ihre Vorläufer
Ruth Schweikert tritt die Nachfolge von Dea Loher an. Vor ihr amtierten in Bergen-Enkheim Wolfgang Koeppen, Karl Krolow, Peter Rühmkorf, Peter Härtling, Nicolas Born, Helga M. Novak, Dieter Kühn, Peter Bichsel, Jurek Becker, Günter Kunert, Friederike Roth, Ludwig Fels, Gerhard Köpf, Ulla Hahn, Eva Demski, Katja Lange-Müller, Heinz Czechowski, Robert Gernhardt, Ralf Rothmann, Paul Nizon, Josef Winkler, Herta Müller, Wilhelm Genazino, Jörg Steiner, Arnold Stadler, Wulf Kirsten, Peter Kurzeck, Wolfgang Hilbig, Uwe Timm, Emine Sevgi Özdamar, Peter Weber, Katharina Hacker, Ingomar von Kieseritzky, Reinhard Jirgl, Friedrich Christian Delius, Ulrich Peltzer, Thomas Rosenlöcher, Thomas Lehr, und Marcel Beyer.
Info:
Der Literaturpreis wird am Freitag, 28. August, um 19 Uhr, im Festzelt auf dem Berger Marktplatz verliehen. Außer dem Wohnrecht im Stadtschreiberhaus erhält der Stadtschreiber ein Preisgeld von 20.000 Euro. Veranstalter sind die Kulturgesellschaft Bergen-Enkheim und der Ortsbeirat Bergen-Enkheim.