Der allererste Psychothriller der Erfolgsautorin im Fischer Verlag



Hanswerner Kruse

Fulda (Weltexpresso) – Wenn übersetzte Romane aus dem Stand erfolgreich werden und es sind keine Debüts, dann folgen auch die Übersetzungen der vorherigen Werke. So bei „Cry Baby“, den ersten Psychothriller der Erfolgsautorin Gillian Flynn, den wir richtig empfehlen können. Deren letzter, auch verfilmter Bestseller „Gone Girl“ tummelt sich immer noch auf den Bestsellerlisten der Buchhändler.

 

Cry Baby“ hat den deutschen Untertitel „Scharfe Schnitte“, denn schon bald stellt sich heraus, dass Camilles Körper mit Wörtern bedeckt ist, die sie sich mit scharfen Schnitten, mit Messerschnitten, selbst zugefügt hat: „Girl“ steht über ihrem Herzen, „schädlich“ ritzte sie sich in ihren Nacken und „verschwinden“ kratzte sie blutig in sich hinein, bevor sie aus ihrer spießigen Heimatstadt in Missouri verschwand.

Jahre später, Camille ist mittlerweile eine halbwegs erfolgreiche Kriminalreporterin in Chicago, wird sie von ihrer Redaktion in eben diese Kleinstadt in Missouri geschickt. Sie soll über seltsame Morde an zwei kleinen Mädchen zu berichten, die zwar sanft erdrosselt wurden, denen man dann jedoch alle Zähne zog... Ihre Heimreise wird zur qualvollen Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit - der verstorbenen Schwester, der eiskalten, machtgierigen Mutter sowie den spießigen, gewaltbereiten Bürgern der kleinen Stadt, in der jeder jeden kennt. Tief steigt sie mit uns Lesern in ihre Erinnerungen hinein, jedes in sie eingeritzte Wort wird irgendwann lebendig. Gleichzeitig versucht sie, mit einem externen polizeilichen Ermittler, mit dem sie auch im Bett landet, den Mörder oder die Mörderin der kleinen Mädchen zu finden. Die Wahrheit kommt nach und nach ans Licht, sie ist unerwartet und schockierend, aber letztlich ziemlich glaubwürdig.

Der Roman ist nicht brutal geschrieben, aber seelisch brutal sind die Verhältnisse, in denen Camille in Missouri aufwuchs und - buchstäblich - gezeichnet wurde. Wie in „Gone Girl“ führt die Autorin ihre Leser nach Missouri (ihren Heimatstaat, den sie nicht zu mögen scheint) und dort zunächst in die Irre von Ermittlungen und Verdächtigungen. Aber dieser Debütroman ist weniger komplex, weniger umfangreich und eindeutig noch besser zu lesen als das schon hervorragende „Gone Girl“. Vielleicht war die Autorin bei ihrem Erstling weniger ambitioniert, was die Qualität des Romans offensichtlich erhöht: Die Sprache changiert zwischen Realität und traumhaften Erinnerungen, aber letztlich ist „Cry Baby“ ein durch und durch solider, spannender und sehr lesenswerter Psychothriller.

Gillian Flynn: „Cry Baby“, englische Broschur, 332 Seiten, Fischer Verlag 12,99 Euro