Warum der Judenstaat so gehaßt wird, von Hafner/Schapira, vorgestellt bei Hugendubel Frankfurt am 1. Oktober um 17.30 Uhr, Teil 2/2
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Als unsere Titelüberschrift vom Verfasser Georg M. Hafner am Schluß der Lesung von ISRAEL IST AN ALLEM SCHULD als Kompliment an die so zahlreich gekommenen Zuhörer ausgesprochen wurde, war ihm und seiner Ko-Autorin und Mit-Vorleserin Esther Schapira der warme und heftige Beifall gewiß. Sicher aber wäre dieser auch ohne Autorenlob gekommen, wobei man Hafners Aussage gut nachempfinden kann, denn es wurde offen, ohne Häme, ohne Plattheiten miteinander gesprochen.
Der größte Teil der über eineinhalbstündigen Lesung am Donnerstagabend – man muß noch einmal betonen, wie vollgestopft mit Zuhörern der erste Stock bei Hugendubel war - galt den verschiedenen Kapiteln im Buch. Grundsätzlich muß man vorausschicken, daß die beiden Autoren erprobt sind – sowohl im Schreiben, wie auch im Diskutieren. Beide sind auch Journalisten. Und wie man später mitbekam, haben sie nicht ihre eigenen, von ihnen geschriebenen Teile vorgelesen, sondern? Ach was, das muß man nicht wissen, denn wenn zwei ein Buch schreiben, verantworten sie es auch gemeinsam.
Ausgangspunkt ist eine Situation, die jeder von uns kennt. Viele, ja sicher die meisten Deutschen beginnen, wenn sie sich zu Israel oder zu irgendetwas anderem „Jüdischen“ äußern damit, daß sie betonen, keine Antisemiten zu sein, aber sie ließen sich den Mund nicht verbieten. „Doch wie unbefangen können die Kinder und Enkel der Mörder und Mitläufer überhaupt sein, wenn es um Israel und Juden geht?“ Das ist eine Frage, eine immanente Behauptung, über die ich lange nachdenken mußte, denn sie setzt voraus, daß jeder Deutsche ein Mörder- und Mitläuferkind ist. Hier wird also ein Generalverdacht allen gegenüber ausgesprochen, die als Deutsche geboren sind. Heikel, wobei wir auch darin den Autoren zustimmen täten, daß es die allermeisten sind und persönlich sowieso aus der Generation kommen, die eine deutsche Kollektivschuld für gegeben sieht. Aber dennoch etwas dagegen haben, daß man ihre Vorfahren als Nazis oder Mitläufer charakterisieren, wenn sie es nicht waren. Man sieht, man kann wenig im Leben pauschal beantworten.
Wenn es dann in der Verlagsankündigung auch noch heißt: „Ungemütlich wird es nur für den, der Israel verteidigt.“, so kann ich feststellen, daß das für mich nicht gilt. Jeder, der wie ich als jemand gilt, der seine Meinung sagt, ob nun bequem oder unbequem, der darf auch Israel in Einzelfragen Recht geben. Aber eben auch kritisieren. Doch diese Erfahrung kann man nicht verallgemeinern, es bleibt die persönliche. Halten wir uns lieber an die interessante Lesung.
Es gab sechs Abschnitte zu hören, die nicht chronologisch waren, weil es eine Chronologie gar nicht geben kann.Es gibt geschichtliche Teile, Reportagen, Untersuchungen, Recherchen und wie man beim Hören mitbekam, kommt diese Mischung als leserfreundlich rüber. Solche, eher kurzen Selbstbeschreibungen, wie die beim Besuch von Majer Szanckower (ab Seite 200) in Frankfurt, dem Verwalter der jüdischen Grabstätten, „Sie können ruhig Jude zu mir sagen“, bringen Wärme und Leben in ein Buch, in dem eben auch die UNO auf ihre Resolutionen hin untersucht wird, wobei man bei Esther Schapiras Aussage: „Die Mehrheit sind keine demokratischen Staaten“, mit dem Kopf nickt, dann aber betroffen die Auswirkungen hört, nämlich wie an einsamer Spitze die meisten Resolutionen der Weltorganisation gegen Israel ausgesprochen werden. So etwas zum Beispiel gehört nicht nur in ein Buch, sondern in den aktuellen Teil von Tageszeitungen, wenn es wieder einmal so ist.
Überhaupt konnte man den Eindruck gewinnen, daß Georg M. Hafner bei der Diskussion der rationalere und die Gesamtsituation stärker berücksichtigende und interpretierende der beiden Autoren waren, aber wir wollen ja die beiden nicht auseinanderdividieren. Auf jeden Fall hatte Frau Schapira beim Vorlesen von ISRAEL DER GEMEINSAME FEIND und dem Unterkapitel KINDERMÖRDER ISRAEL auch ein zugespitztes Thema, in dem sie ab Seite 30 aufweist, daß die deutsche Aufmerksamkeit bei Kindermord oder Verletzungen eher den palästinensischen Kindern gilt als allen anderen, wobei einem tatsächlich der zitierte Sudan und Nordkorea, um die sich die Deutschen nicht kümmerten, einfach weiter weg ist.
Darüber muß es eine gesonderte Diskussion geben, ob nicht auch Nähe und nicht Antisemitismus ein Grund dafür ist, daß Israel öfter in den Schlagzeilen steht, wenn es um „unschuldige Kinder“ geht, als beispielsweise der IS, der täglich mordet. Von dem erwartet man nichts anderes, sagte mir eine Nachbarin dann. Auch ein wichtiger Aspekt, daß je mehr man von einem erwartet, die Kritik, ist man enttäuscht, um so eher eintritt. Allerdings ist dann so ein Abend auch eine Reflexion darüber, ob dies richtig ist und nicht jeden Tag die Verfolgungen und Ermordungen - gegenwärtig vom IS - in der Zeitung stehen müßten, nicht nur, wenn kulturgeschichtliche Denkmäler dran glauben müssen. Man sieht, das Buch ist eines, das einen zum Nachdenken bringt.
„Bei den Freidenkern zu Gast“(ab Seite 178), wurde als nächstes verlesen und jedes Mal möchte man eigentlich den Inhalt zusammengefaßt hier im Bericht von der Lesung weitergeben, aber, darauf legten die Autoren mit Recht wert, diese Lesung soll den Anreiz geben, das Buch zu kaufen und nicht die Lektüre in allen Teilen vorwegnehmen. Deshalb nur kurz die Erwähnung, was vorgelesen wurde, denn die Auswahl dessen, was die Zuhörer aufnehmen sollen, ist ja auch interessant. Es ging um ISRAEL, DAS STIEFKIND IN DER GEMEINSCHAFT DER VÖLKER (ab Seite 264) und dann noch um das Hilfswerk der UNO, die älteste und größte Flüchtlingseinrichtung UNRWA, „das sich selber hilft“.
In der Diskussion gab es Fragen, wie die, wie denn eine 'erlaubte' Kritik an bestimmten politischen Vorgängen in Israel aussehe, woran man erkenne, ob eine Kritik antisemitisch sei oder nicht. Mit 3D, war die Antwort von Esther Schapira, und sie erläuterte in verschiedenen Beispielen sehr überzeugend, wie sie das versteht. Es geht darum, ob in der Frage Dämonisierung, Deligitimation und doppelte Standards versteckt seien. Also, ob Israel als normaler Staat betrachtet werde, wozu die Bejahung des Staates Israel als legitim gehöre, an den dieselben Anforderungen gestellt werden – wie beispielsweise an uns. Das sind jetzt unsere Worte, denn Frau Schapira brachte dazu viele Beispiele.
Nur an einer Stelle waren wir nicht einverstanden. In den letzten Tagen beschäftigte uns außerordentlich der am gleichen Tag anlaufende Film DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER, wie man in Weltexpresso nachlesen kann. Am Sonntag konnte man in der Sonntagszeitung der FAZ vom „jüdischen Staatsanwalt“ lesen, was ich für antisemitisch halte, denn kein Mensch spricht vom katholischen oder christlichen Staatsanwalt. Hinzu kommt, daß Fritz Bauer Atheist war, die Humanistische Union mitbegründet hat, nicht beschnitten war und immer spöttisch äußerte: „Zum Juden haben mich die Nazis gemacht.“ Während Georg M. Hafner dies auch für daneben hält, fand Frau Schapira Verständnis dafür und die Formulierung richtig, denn es sei schon etwas Besonderes, daß ein jüdischer Staatsanwalt den Auschwitzprozeß initiiert habe.
Man hätte ihr gerne entgegengehalten, daß Bauer selber sich doch als deutscher Sozialdemokrat sah und für sich kein Jude war, aber hier geht es um die Lesung von ISRAEL IST AN ALLEM SCHULD und die Fragen der Zuhörer, die reichlich kamen, zunehmend auch kritisch den Medien und ihrer Berichterstattung in Deutschland über Israel galten und überhaupt so vielfältig waren, daß der Abschluß mit „Ich bin stolz auf Frankfurt“, auch diese Beifall klatschenden Zuhörer – überwiegend Zuhörerinnen! - ein wenig stolz machte.
Foto: © A.B. Hugendubel
Info:
Die Autoren: Georg Mit Hafner war leitender Fernsehredakteur bei der ARD und ist Autor zahlreicher Filmdokumentationen.
Esther Schapira ist seit 2013 Abteilungsleiterin Fernsehen Politik und Gesellschaft beim HR und Kommentatorin bei den ARD-Tagesthemen.
Georg M.Hafner, Esther Schapira, Israel ist an allem Schuld. Warum der Judenstaat so gehaßt wird, Eichborn Verlag 2015