Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 8. Oktober 2015, Teil 5

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Da waren wir recht froh, daß die Kollegin aus München die Berichterstattung über den Film DER MARSIANER übernommen hatte, denn wir waren nicht so begeistert. Und das aus einem guten Grund. Man muß schon ein Mann sein und zusätzlich sehr technikaffin, um über so viele Seiten, über so viele Kapitel, über so viel Weltraum am Ball zu bleiben.

 

 

Wobei uns die Stimme von Richard Barenberg, der als Icherzähler Mark Watney aus dem All fungiert wie als Erzähler von den irdischen Reaktionen der NASA berichtet, nicht einlullte, sondern dabeibehielt, denn – wenn wir ganz ehrlich sind – dann ist das richtig gut gemacht. Der Aufbau des Ganzen, die Auflockerung, mal der ganze Ernst der Angelegenheit, mal ein bißchen Luftikus im All, ständig passiert was, was die Absichten durchkreuzt. Das baut Spannung auf, ist aber als Methode gleichzeitig recht überschaubar. Damit Sie das verstehen, muß allerdings jetzt erst einmal die Geschichte her – und dann, woher unsere Bedenken kommen.

 

Andy Weir hatte 2011 diesen DER MARSIANER als Debütroman im Selbstverlag publiziert. Das Genre nennt man Science-Fiction, was früher überhaupt dem galt, was der menschliche Geist über die Zukunft sich ausdenkt, was aber immer stärker in den Bereich der bemannten Raumfahrt überging. DER MARSIANER, das ist Mark Watney, der einer von Sechsen ist, die zu einer Marsexpedition Ares 3 aufbricht. Ares, das ist der griechische Kriegsgott, der im Olymp, dem Götterhimmel, wohnt. Der Bezug zum All ist also schon da. Und 3, das bedeutet, daß es schon die dritte Marsexpedition ist.

 

Bisher ist alles gut gegangen und wir verfolgen, was die kleine Mannschaft macht, die von Anfang an Gesichter bekommen, weil schon interessant ist, was einer zur Unterhaltung auf den Mars mitnimmt, wenn er ganz wenig einpacken darf. Was das mit Mark zu tun hat? Der geht verloren, denn als ein Orkan, ein Staubsturm die Marsianer zwingt, ihre Mission abzubrechen, ist er nicht auffindbar und stirbt, was die anderen daran merken, daß seine Biodaten erlöschen. Dabei hatte sich nur eine Antenne durch den Schutzanzug gebohrt. Da sie ihn für tot halten, selbst weiterleben wollen, verlassen sie schnurstracks unter Hinterlassen ihrer Sachen den Mars. Der wird sich dann deren Musik anhören, ihre Filme sehen und Bücher lesen.

 

Als Mark zu sich kommt und merkt, daß er noch lebt, aber alleine auf dem Mars weilt, mobilisiert er alle Kräfte, auch alle Geisteskräfte und kann mit Hilfe seines Wissens als Biologe und Ingenieur sich Schritt für Schritt eine das Überleben sichernde Welt auf dem Mars aufbauen, einschließlich einer genialen Idee, wie er trotz des Ausfalls der Kommunikationssysteme mit der Erde Kontakt aufnehmen kann. Da er einerseits nur dadurch weiterlebt, weil er die Hoffnung auf eine Rückkehr auf die Erde nicht aufgibt, andererseits ein penibler Wissenschaftler ist, schreibt er das, was er tut in seinem Logbuch auf. Und das hören wir.

 

Beim Hören sind wir also sehr lange erst einmal mit ihm allein. Und auch wenn die Schilderung dessen, was er macht, unser technisches und physikalisch-chemisches Verständnis übersteigt, klingt das alles rational nachvollziehbar, so daß statt Angst und Schrecken zu verbreiten, seine Einträge uns Staunen machen, wie stabil dieser Mann dort auf dem Mars agiert. Und hier setzt unsere Kritik an. Denn selbstverständlich, wofür wäre Fiktion denn sonst da, versetzten wir uns insgeheim, sozusagen als heimlicher Lehrplan in seine Situation. Selbstverständlich hätten wir Angst und würden uns fragen, was das ist, das Leben, warum wir diese Expedition wollten, ob es das wert war, dafür auf dem Mars zu sterben und solcher existentiellen Dinge mehr.

 

Aber, da wir noch nie in dieser Situation waren, können wir nur unsere Vorstellung aktivieren und zur Kenntnis nehmen, daß dieser Mark ruckizucki rational und pragmatisch-wissenschaftlich sein Überleben in die Hand nimmt. Doch, das mit den Kartoffeln hat uns dabei am besten gefallen, weil wir uns das vorstellen können, während all die Wasserstoff-Sauerstoff-Kohlenstoffdioxid und der Oxygenerator, der dazu nötig ist, unsere intellektuelle Aufnahmefähigkeit überfordert.

 

Auf Erden ist er für tot erklärt, wird beerdigt, dann aber durch genaue Analyse der fortlaufend vom Mars geschickten Bilder als noch lebend diagnostiziert. Der Autor baut dabei Spannungsmomente ein, wie die, daß er diesen Watney eine Arche Noah bauen läßt, aus den Bestandteilen der auf dem Mars verbliebenen technischen Elemente. Mit dieser will er zum Schiaparelli-Krater, der nur 3 200 Kilometer entfernt ist, von wo, wie er weiß, bei der nächsten, der Ares 4 Mission, eine Fähre schon auf die dann kommende Mannschaft wartet.

 

Wir sind noch ganz am Anfang, denn es gehört dazu, wie bei Odysseus, daß der Held viele Irrungen und Wirrungen durchsteht, bis er durch tausenderlei Hindernisse tatsächlich auf die Erde zurückkommt. Schließlich hat es sogar nur eineinhalb Jahre gedauert, Odysseus war mehr als zehn Jahre unterwegs, allerdings nicht alleine.

 

Wenn man sich ganz darauf einläßt, ein durch geniale Technikanwendung erzieltes Überlebenstraining detailliert anzuhören, für den ist diese Hörbuch ein Gewinn, das Richard Barenberg so unauffällig liest, wie es sein muß, wenn man sich nicht auf die Stimme konzentriert, sondern auf das, was er liest. Irgendwie denken wir, Jungens und Männer hören dies lieber, irgendwie denken wir, Frauen hätten mehr persönliches Flair und menschliches Gespür wirken lassen. Aber wie gesagt, wir waren noch nie auf dem Mars und sind dort also auch noch nie allein zurückgelassen worden...

 

 

Info:

 

Andy Weir, Der Marsianer – Rettet Mark Watney, gekürzte Lesung, 2 mp3, Gesamtspielzeit 10 Stunden, 5 Minuten, gelesen von Richard Barenberg, Random House Audio