VERSCHWÖRUNG von David Lagercrantz, Heyne Verlag und Random House als Hörbuch, Teil 1
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Nein, man kann nicht direkt in die Geschichte von der Verschwörung einsteigen, weil einfach zu viel vorher im Kontext eine Rolle spielt. Bekannt ist, daß der schwedische Journalist und Autor Stieg Larsson schon tot war, als seine ersten drei Bücher einer beabsichtigten zehnteiligen Folge ein weltweiter Erfolg wurden. Der Welterfolg hatte Gründe.
Larsson hat zwei Dinge einfach richtig gemacht. Er hat spannendes literarisches Personal erfunden, von denen insbesondere die durch die schwedischen Behörden als Jugendliche ins Irrenhaus gesperrte Lisbeth Salander ein derart interessanter Charakter ist und ein gegenüber der bürgerlichen Norm abstruses Verhalten zeigt, daß man schon aus Sympathie auf ihrer Seite mitkämpft, wobei sie eine schillernde Figur bleibt, weil sie Unrecht mit derselben Währung zurückzahlt, während der Journalist Mikael Blomkvist von der Zeitung Millennium – die der Trilogie den Namen gab – mit deren Chefredakteurin Erika Berger eher in die Rubrik der guten Menschen gehört, die über das aufklärende Wort die Gesellschaft aufrütteln wollen. Denn Aufklärung über die gesellschaftlichen Verhältnisse und die Abhängigkeit der Politik vom Kapital und deren Ländergrenzen überspannende mörderische Kumpanei war das entscheidende Motiv des Kriminalschriftstellers Stieg Larsson.
Das zweite, was Larsson richtig gemacht hatte, war die Geschichte, die über drei Bände ihre Faszination nicht verlor und eine komplexe Jugend- und Entwicklungsgeschichte von Lisbeth Salander koppeln konnte mit internationalen und nationalen Verbrecherbanden, die sich in der Person des Vaters der Lisbeth bündelte, wobei das besonders Widerliche und eben Aufklärerische die Zusammenarbeit von staatlichen Stellen mit den Verbrechern war. Aber auch die heutige technische Aufrüstung mit Internet und Hackermethoden war von Anfang entscheidendes Mittel in der Verbrechensaufklärung, so daß Stieg Larsson, der 2004 starb, mit den ab 2005 erschienenen Romanen – als Genre politische Thriller – nicht nur auf der Höhe der Zeit, sondern seiner Zeit sogar voraus war.
Das Zweite, was vor der Buchbesprechung zu sagen ist, sind die Probleme des Erbes. Denn dieses ging im Fall der Tantiemen genauso wie mit allem anderen an die gesetzlichen Erben, die Eltern des Stieg Larsson, da Larsson kein Testament zugunsten seiner nicht mit ihm verheirateten Gefährtin Eva Gabrielsson gemacht hatte. Wer denkt dann auch mitten im Leben und Schaffen an so etwas. Er starb völlig überraschend an einem Herzinfarkt. An den Romanen war sie durch die gemeinsamen Gespräche intensiv beteiligt gewesen und verfügt auch über die Materialien des Gesamtprojektes. Ein potentielles viertes Buch aus ihrer Richtung war deshalb die ganze Zeit im Gespräch.
Doch dieses vierte Buch wird jetzt von der anderen Seite vorgelegt. Denn zur Fortschreibung von MILLENIUM wurde David Lagercrantz vom Vater Stieg Larssons aufgefordert und verpflichtet. Wenn wir vom Vater sprechen, heißt das immer: die Familie des Autors und damit von denen, die zwar das Geld des Toten – weltweit 80 Millionen Exemplare verkauft - erhalten, aber nicht in die inhaltlichen Fragestellungen des gesamten, auf zehn Romane angelegten Komplexes eingeweiht waren, so daß einem die Position der 30 Jahre mit Larsson gelebt habenden Gefährtin immer dauerte, ja empört, der die Familie vom Erbe nichts abgab.
Da uns die Trilogie wegen ihres literarischen Personals und der Politgeschichte fasziniert hatte, liegt nahe, auch die fremdgeschriebene Fortsetzung zu lesen. Dagegen hat der dänische Krimiautor Jussi Adler-Olsen seinen Einspruch öffentlich verkündet: „Ich fordere dazu auf, dieses Buch zu boykottieren, und ich werde es nicht lesen.“ Das kann man, wie gesagt, moralisch verstehen, aber es ist wirklichkeitsfremd, denn natürlich wollen die Leute eine Fortsetzung lesen und es ist äußerst psychologisch ungeschickt, durch ein Verbot dann auch noch das Gegenteil zu erreichen: daß nämlich noch mehr über die Fortsetzung gesprochen wird, sie noch mehr gekauft werden wird. Fortsetzung folgt
Info:
David Lagercrantz, Verschwörung, Heyne Verlag
David Lagercrantz, Verschwörung, gelesen von Dietmar Bär, 2 mp3-CDs, Gesamtspielzeit ca. 9 Stunden, 10 Minuten, Random House Audio