Endlich ein neuer Roman von fred Vargas: das barmherzige fallbeil, Limes Verlag, Teil 1

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Lange gewartet. Lange gewartet auf einen neuen Kriminalroman von Fred Vargas. Und wir sagen gleich: es hat sich gelohnt, so schräg, so skurril, so lehrreich ist die Geschichte, so wolkenschaufelnd unser Kommissar Adamsberg, so hinreißend kapriziös ein Teil seiner Mannschaft, so bodenständig normal der Rest.

 

Es ist eine Freude, über dieses Buch zu schreiben, aber zuvor müssen einige Neuigkeiten abgehandelt werden. Richtig leid tut uns der Aufbau-Verlag, denn er hat viel für die Autorin in Deutschland zu einer Zeit getan, als sie noch völlig unbekannt war. Aber – so hat es uns dessen Geschäftsleitung erklärt -, da die Autorin in Frankreich ihren Verlag gewechselt hatte, waren mit einem Schlag alle Optionen weg und für das neue Buch und einen neuen Vertrag sind einfach die finanziellen Möglichkeiten innerhalb der Verlagsgruppe Random House gewaltiger. Also ist es am Geld gescheitert, bzw. durchs Geld möglich geworden, daß nun der Limes Verlag die neue (und hoffentlich noch weitere) Vargasromane veröffentlicht.

 

Was allerdings die Kleinschreibung auf dem Titel angeht, sowohl der Vorname, wie auch der eigentliche Kriminalromantitel, ist das daneben. Und wir haben uns oben in der Titelzeile deshalb daran gehalten, damit man sieht, wie lächerlich das ist. Fred Vargas ist mit ihrem Jean-Baptiste Adamsberg aus dem Pariser 13. Arrondissement einfach ein Klassiker, wo er im Dezernat für Gewaltverbrechen die Fälle, also die Morde mit fast unüberschaubar vielen Mitarbeitern durch Intuition, also Erspüren von Möglichkeiten, von Motiven, Gegebenheiten löst, wobei alle helfen und ihren Beitrag leisten, aber niemand so im Gleichklang wie Capitaine Danglard dabei ist, der gewissermaßen den erdschwere Kontrapunkt zum abgehobenen Adamsberg darstellt, das Weißweinglas in der Hand und versorgender Vater dazu, aber immer das Wissen der Welt auf seinem Schirm hat – und dazu noch nicht mal den Rechner braucht, sein Gedächtnis tut es auch.

 

Damit sind schon zwei wichtige Positionen vom Barmherzigen Fallbeil – wir emanzipieren uns und schreiben es jetzt mit Großbuchstaben – angesprochen, Positionen, die uns zwingen, die gute alte Kameradschaft im Arrondissement auf neue Grundlage zu stellen. Das eine ist, daß Adamsberg – wir lieben ihn dafür – beim eigenen intensiver gewordenen Gebrauch des Rechners diesen niemals als Computer bezeichnet, sondern die isländische Bezeichnung tövla benutzt, wohl – so unterstellen wir – weil ihm die Unlust der Isländer, sich dauernd amerikanischer Begriffe bedienen zu sollen, gefällt, die sich dagegen wehren und eigenständige isländische Begriffe dagegensetzen, wie wir zumindest mit dem Rechner.

 

Das andere aber ist eine tiefe Erschütterung, die gegen Schluß das fein tarierte Auskommen zwischen den gegensätzlichen Typen Adamsberg und Danglard empfindlich stört, ja sogar soweit geht, daß unser schräger Kommissar dem gutwilligen Korinthenkacker Danglard die Entlassung aus dem Dienst nahelegt. Und dieser sogar aus Betroffenheit dem „Angebot“ folgen will. Also, lieber Jean-Baptiste, so geht es ja nun auch nicht. Auch wenn, wir müssen es zugeben, sich Danglard einer wichtigen Regelverletzung schuldig machte, nämlich einem potentiellen Mörder ein Ermittlungsergebnis weitersagte. Und er war nicht nur potentiell der Mörder, sondern auch im wirklichen Leben.

 

Aber diese Information nützt Ihnen, lieber Leser, liebe Leserin, überhaupt nichts. Es gibt nur eins, sich hineinzustürzen, in dieses Leseabenteuer, in dem die Morde – ja, der eine zieht den anderen zwangsläufig nach sich – nun in zwei möglichen Komplexen angesiedelt sind: die Ermordeten und ihr Mörder entstammen einer Reisegruppe nach Island oder einer Geheimgesellschaft, die sich dem theatralischem Wiederaufleben der Schriften von Robespierre widmet. Entweder oder. Es wird spannend. Fortsetzung folgt.