Serie: Fred Vargas DIE NACHT DES ZORNS aus dem Aufbau Verlag (Teil 3/3)
Claudia Schulmerich
Hamburg (Weltexpresso) – Daß sie eigentlich Frédérique Audoin-Rouzeau heißt, diese Fred Vargas, können Sie gleich vergessen, aber behalten, was die französische Schriftstellerin, die im bürgerlichen Leben erst einmal Historikerin, Mittelalterarchäologin und Archäologin ist,zu ihrem Kunstnamen brachte: Fred, klar, die Abkürzung des Vornamens und VARGAS, das war Ava Gardner als Maria Vargas im Film „Die barfüßige Gräfin“.
Sie ist 1957 in Paris geboren und pressescheu, was man gut verstehen kann, was die Presse so allgemein über Leute schreibt, die berühmt werden. Sie kommt aus sogenanntem guten Haus, der Vater war Kulturjournalist und den Surrealisten zugehörig, der Bruder ist der Historiker Stéphane Audoin-Rouzeau. Ihre Zwillingsschwester Joelle ist Malerin. Seit 1986 schreibt sie in den Ferien Kriminalromane, was auch dafür sorgte, daß zwar regelmäßig, aber mit großen Abständen die Romane erschienen, die – gute Nase – der Aufbau Verlag in Berlin früh mitbekam und ihr deutscher Verleger wurde.
Sie lebt im Pariser Stadtteil Montparnasse, zusammen mit ihrem Sohn. In den beiden letzten Artikeln haben wir uns für ihre Romanfigur Kriminalkommissar Adamsberg begeistert, ach was, gleich für das ganze 13. Arrondissement, denn sie bevölkert es mit skurrilen Typen, die man gar zu gerne kennen lernen möchte, weil sie einen berühren. Es gibt aber parallel eine weitere Ermittlergruppe, wobei sich die Personen dieser jeweils unterschiedlichen Serien dann auch noch kennen. Wir sind eingestiegen mit Ludwig/Louis Kehlweiler, Sohn eines deutschen Offiziers und einer Französin, der früher im Innenministerium gearbeitet hatte und sowohl über ein personelles Netz wie ein ausgezeichnetes kriminalistisches Archiv verfügt. Seine Kröte Bufo ist immer dabei.
Wichtiger sind Kehrweilers Helfer, die Evangelisten. Das ist ein Prähistoriker, ein Mediävist, ein Historiker, die alle in einem Haus wohnen, wozu noch ein ehemaliger Polizist und Onkel von Marc gehört, Marc ist der Mediävist aus dem vierten Stock. Das Erdgeschoß wird gemeinsam bewohnt, wobei der Besenstiel das Verständigungsmittel ist, natürlich das Klopfen oben an die Decke, deren Häufigkeit auch angibt, wer kommen soll. Was da abgeht, kann man nicht beschreiben. Man sollte es aber lesen und es war wohl DIE SCHÖNE DIVA VON SAINT-JAQUES, die wir als letztes Buch der Serie lasen. Erst mußten wir uns an Kommissar Adamsberg gewöhnen, vermißten Kehlweiler und seine Bande, und jetzt, wo wir so schön an Adamsberg gewöhnt sind, wollen wir wieder einmal die verrückte Wissenschaftlergruppe agieren sehen.
Preise bekommt sie jedes Jahr. In Deutschland 2004 den Deutschen Krimi Preis International für FLIEHE WEIT UND SCHNELL, 2005 wurde DER VIERZEHNTE STEIN Krimi des Jahres §.Platz), 2007 DIE DRITTE JUNGFRAU wieder Krimi des Jahres (3. Platz) und im Jahr 2009 wurde DER VERBOTENE ORT wiederum Krimi des Jahres, diesmal auf dem 2. Platz. Ihr neuer Kriminalroman wird wohl sehr unterschiedlich beurteilt, für uns ist er Anlaß, ihn überall zu loben, wo wir das können, was allein die beiden ersten Artikel zeigen, denn wo erhält ein Krimi so viel Raum.
Das also liegt an der Autorin, die so wenige Interviews gibt, daß sie, nachdem im letzten Jahr drei franzöischen Journalisten ein Interview gewährte, dieses Jahr die Zulassung von drei deutschen Journalisten schon etwas bedeutet. Zu witzig, diese zu lesen. Wir kennen nur zwei der Besuchsergebnisse. Katharina Teutsch gibt ihr Interview wieder in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 24. März 2012 und schreibt als Vorwort: „Wenn Fred Vargas doch einmal ein Interview gibt, dann nähert man sich ihr nach kriminalistischer Manier: Zu einer bestimmten Uhrzeit soll man in ein Café bei Montparnasse kommen, dann geht es in ein Restaurant, schließlich doch lieber zu ihr nach Hause. Dort kann die Schriftstellerin die Füße auf den Tisch legen, rauchen und , wenn man sie nicht ab und zu unterbräche, reden.“
Tobias Gohlis, der die KrimiBestenListe verantwortet, hat in DIE Zeit vom 8. März einen witzigen Bericht über seinen Besuch verfaßt. Wirklich sehr interessant, weil erstmals auch persönliche, biographische Details vertieft angesprochen werden. Und dann das: "In der Küche ihres kleinen Hauses in der Nähe des Friedhofs Montparnasse sitzt Fred Vargas, klein, drahtig und gespannt, in dickem Pullover und Jeans hinter Laptop, Stapeln von Zeitungen und Büchern, Zuckertüte und Kaffeegeschirr. Im Hintergrund räumt noch die Putzfrau. "Vás-y! - Mach schon!", drängt sie den Reporter. Sie will es hinter sich haben.
Sie haßt es, über sich selbst zu sprechen. Nicht nur, weil ihr die Bücher wichtiger sind als ihre Person, sondern weil sie sich, hat sie sich einmal auf ein GEspräch eingelassen, bis zum Äußersten verausgabt. Die Umgangsvorschriften, die sie erlassen hat, sind keine Allüren einer Diva, sondern Selbstschutzmäuerchen gegen den überbordenden Assoziation-, Darstellungs- und Mitteilungsdrang, der sie erfaßt. Als die deutschen Journalisten pünktlich um 17 Uhr an einem vorfrühlingshaften Januar ihre Haus betreten, ahnen sie noch nicht, daß sie es erst im Morgengrauen völlig erschöpft verlassen werden, während Fred Vargas sich immer noch hochkonzentriert und supereloquent über den Ersten Weltkrieg, Sarkozy, die Finanzkrise, Merkel et cetera erregt."
Fred Vargas, die Nacht des Zorns, Aufbau Verlag 2012