Serie: ÄGYPTENS SCHÄTZE ENTDECKEN. Meisterwerke aus dem ägyptischen Museum Turin im Historischen Museum der Pfalz Speyer, Teil 4/4
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) –Der prämierte Bildband ÄGYPTEN. EINE REISE DURCH DREI ZEITEN: BILDBAND DER FRÜHEN ORIENTFOTOGRAFIE von a.petit enthält Albuminabzüge von historischen Ausgrabungsstätten, die die Reisegruppe aus Frankfurt (?) in Ägypten erworben hatte sowie Gruppenfotos. Wir fragen nach.
Erstaunlich ist ja, daß den zwölf meist älteren Männern neun auch nicht so junge Frauen an der Seite stehen. Wer reiste damals? Wer konnte es sich leisten, von dem Geld, aber auch der Zeit her?
Wirklich "reisen" tat stets nur, wer Geld, also Vermögen besaß, so viel ist gewiß. Also Leute, die auch zweifellos nicht darauf angewiesen waren, während ihrer vielmonatigen Abwesenheit Geld verdienen zu müssen. Normale Arbeitnehmer, die seit jeher um Urlaub bitten müssen, können es also nicht gewesen sein. Was die Anzahl der Frauen anbetrifft, bleiben alle Spekulationen offen. Fest steht jedoch, daß mit unserem heutigen Geschichtsbild niemand erwartet hätte, daß Frauen im Jahre 1910 überhaupt den Herd verlassen dürfen. Fehlanzeige!
Welche Möglichkeiten gäbe es, hier weiterzuforschen, wer diese Personen sind?
Viereckige Abzeichen tragen manche, allerdings nur Männer.
Dieses viereckige Abzeichen kann alles sein. Das Emblem einer Burschenschaft, einer diplomatischen Delegation oder auch nur der Vorläufer eines "All-Inclusive-Bändchens". Denn möglicherweise liegt hier vielleicht noch eine weitere Sensation vor. Nämlich die Dokumentation einer extrem frühen Pauschalreise! Dies ist jedoch nicht mehr als ein Verdacht. Doch "Thomas Cook" bot bereits im 19. Jahrhundert die ersten organisierten Nilkreuzfahrten an. Ausgerechnet ging es bei Thomas Cook danach weiter nach Palästina.
Sie sprechen von Frankfurt als dem Fundort. Könnte man nicht über die großen Frankfurter Zeitungen eine Suche in Gang setzen? Sicher haben die Leute doch auch Tagebücher geführt, vielleicht die Monumente gezeichnet? Vielleicht findet jemand diese Personen als seine Oma oder Uroma im Familienalbum?
Das wäre eine schöne Sache, doch große Erfolgsaussichten prognostiziere ich nicht. Denn die Dame, die uns diese fotografischen Dokumente überliefert hat, kann niemals selbst Teilnehmer der Reise gewesen sein. Es sei denn, sie war im Jahre 1910 schon mindestens 40 Jahre alt. Ihr Ableben nicht lange vor 2006 spricht klar dagegen. Sie, und vorher noch andere, haben uns diese Dokumente über mehr als 100 Jahre und über zwei Weltkriege gerettet. Ich wäre damit zufrieden, daß sie uns im Gedächtnis bleibt.
Und wer hat eigentlich die Aufnahme von der Reisegruppe gemacht? Ist der Fotograf bekannt?
Eines der Gruppenfotos ist mit "Doszoy" signiert. Aber alle dahingehenden Recherchen liefen leider ins Leere.
Solche Ägypten-Fotografien aus dem 19. Jahrhundert sieht man auch in der Ausstellung in Speyer. Auf Ihren Fotografien sind die Namen der Fotografen in der Regel verzeichnet. Was weiß man über die?
Eigentlich weiß man alles über sie, bis auf meinen persönlichen Favoriten, der nur in wenigen Bildern vertreten ist: Gabriel Lekegian, Pascal Sebah, Felix Bonfils; die Zangaki- Brüder besitzen sogar teilweise Wikipedia Einträge. Der genannte Favorit, Andreas D. Reiser, ist jedoch nur extrem spärlich in der Literatur zu finden. Sehr schade, denn ihm attestiere ich, im Unterschied zu den extrem produktiven Pionierfotografen, echte Genialität. Aber auch Peridis und Dittrich reihen sich in die Riege der rechercheresistenten Fotografen ein.
Wie kann man sich das vorstellen, daß man vor Ort Albuminabzüge von 21 x 28 cm machen lassen konnte? Direkt an den historischen Stätten oder an Sammelstellen wie im Tal der Könige oder Kairo?
Kleine Korrektur. Alle originalen Albuminabzüge liegen etwas über A4, also auch über 21 x 28 cm. Wie kamen aber nun die Reisenden an die Fotos, wo es damals ja noch keine erschwinglichen Pocketkameras gab? Geschäftstüchtige Fotografen erkannten die Marktlücke bereits sehr früh, denn die europäische Ägyptomanie setzte schon mit den napoleonischen Eroberungszügen ein. Und schon wenige Jahre nach Erfindung der Fotografie begaben sie sich mit teilweise tonnenschwerer Ausrüstung und mobilen Dunkelkammern zu den ägyptischen Monumenten und lichteten sie ab. Die entstandenen Glasnegative wurden über Jahrzehnte in eigens gegründeten Studios in den Großstädten gehortet und konnten dort von den Reisenden als Albuminabzug bestellt werden. Genau das ist der Grund, warum eine Reisegruppe aus dem Jahre 1910 Impressionen mitbrachte, die bis zu einem halben Jahrhundert älter sind.
Sie haben ja noch den zweiten Band…
Richtig. Die zweite Hälfte der Bilder führt über Palästina nach Konstantinopel. Und auf Letzteres, Istanbul, freue ich mich besonders, nachdem ich die Bilder einem Wissenden zeigte. Ich teile die Begeisterung mit meinem "Lieblingstürken". Einem Edelmann, mit dem ich selbst dort war, und dessen verblüffende Informationen beim ersten Anblick der Fotos mich in Entzücken versetzten. Er wird sicherlich einen großen Anteil am nächsten Bildband haben.
a.petit, Ägypten. Eine Reise durch drei Zeiten: Bildband der frühen Orientfotografie, Books on Demand, broschiert, 15.Juni 2011
Die Ausstellung in Speyer läuft bis 2. September 2012
Katalog: Ägyptens Schätze entdecken. Meisterwerke aus dem Ägyptischen Museum Turin, hrsg. von Stiftung Historisches Museum der Pfalz Speyer, Prestel Verlag 2012. Der Katalog folgt der Ausstellung in den fünf übergreifenden Kapiteln und bringt auf vielen Seiten ganzseitige Fotos, die so schön sind, daß einem der Atem stockt. Hier meinen wir vor allem „Mächtige, Könige und Königinnen“ mit herrlichen Abbildungen. Das ist oft so, daß auf einem Foto die Inschriften und die Gravuren, die Zeichnungen und Ritzungen besser zu sehen sind als im Original, zumal dann, wenn viele Besucher drumherumstehen, was einen andererseits ja freut.
Die Katalognummern, also die Gegenstände, der in den Abteilungen ausgestellten Stücke und ihre Abbildungen sind mit informativen Texten versehen, die wieder einmal deutlich machen, man sollte einen Katalog vorher studieren und dann die Objekte mit Wissen betrachten, allein der Mensch funktioniert andersherum und interessiert sich so richtig für ein Thema dann, wenn sein Interesse durch das Schauen geweckt ist.
Grundsätzlich gilt, die Gestaltung und Erklärungen im Band lassen sich auch ohne die Ausstellung hervorragend lesen. Man hat auch dann viel davon. Was nicht nur bedeutet, daß dieser Katalog ein sinnvoller Kauf für jeden Interessierten an Alt Ägypten ist,sondern auch, daß man ihn jederzeit für sich als eigenständiges Werk nutzen kann.
Info:
Besuchen Sie auch die Ausstellung: Ägyptens Schätze entdecken. Eine Familiena-Ausstellung des Jungen Museums, die im Kindermuseum im Untergeschoß gezeigt wird. Offiziell heißt es, daß sich die Ausstellung an Kinder im Alter von fünf bis zwölf Jahren richtet. Aber Sie können auch mit kleineren Kindern und auch mit Jugendlichen die Ausstellung besuchen. Und Erwachsene haben auch sehr viel davon!
Das reichhaltige Begleitprogramm mit Ferienwerkstatt, Workshops und Lesenacht entnehmen Sie bitte der Webseite.
Lern-, Spiel- und Bastelmappe: Die Ägypten-Box: In leuchtendem Türkis begrüßt auf dem Umschlag ein junger Ägypter, das Ankzeichen in der Hand, den, der die Mappe aufschlägt.
Ramose heißt er, entdeckt man auf der Innenseite, und liest seine Aufforderung, auf die spannende Zeitreise ins Reich der Pharaonen mitzugehen. In 25 Themen und einem ägyptischen Kalender wird vom Leben im Alten Ägypten über die Bastelbögen zum Ausschneiden der Tempelanlagen und die Schrift dann noch eine Spielanleitung für das Schlangenspiel geboten. Eine wunderbare Zusammenstellung von Wissens-, Handeln- und Spielteilen, die perfekt als Nachbereitung der Ausstellung für die nächsten Wochen dient. Wir haben sie aber zusätzlich auch als Vorbereitung für den Besuch benutzt.
Dabei haben wir dazugelernt: Kinder stürzen sich auf die Bastelbögen. Vorsicht. Wenn einer daneben schneidet oder gar den Bogen nicht völlig auffaltet, schneidet er die Rückseite falsch aus. Was tun? Mit Tesafilm kleben oder im Shop des Museums die Ausschneidebögen umtauschen können. Das ist bisher nicht vorgesehen, aber unser Tip, diese Bastelbögen in größerer Auflage zu drucken und gegen versehrte umtauschen zu können. Dann kommen die Kinder auch noch häufiger in die Ausstellung!
www.art-of-kara.de
www.aegypten.speyer.de