ER IST WIEDER DA: Film, Hörspiel,Erweiterte Studienausgabe, Roman, Hörbuch, Eichborn-Lübbe, Constantin, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Wir sind erst mit dem Film eingestiegen und wollten natürlich auch sofort das Buch lesen, das seit 30 Wochen auf Platz 1 der Bestsellerliste steht und über 2 Millionen Mal verkauft wurde. Timur Vermes ist der Verfasser, ein 48jähriger Journalist mit den studierten Fächern Geschichte und Politik. Das war äußerst nützlich für diesen Roman, den wir gelesen und gehört haben.

 

ERWACHEN IN DEUTSCHLAND heißt die Überschrift vom ersten Kapital, leicht in Fraktur und schon die ersten Sätze nehmen mich völlig für diesen Literaturversuch ein: „Das Volk hat mich wohl am meisten überrascht. Nun habe ich ja wirklich das Menschenmögliche getan, um auf diesem vom Feind entweihten Boden die Grundlagen für eine Fortexistenz zu zerstören. Brücken, Kraftwerke, Straßen, Bahnhöfe, ich habe die Zerstörung all dessen befohlen. Und inzwischen habe ich es auch nachgelesen, wann, das war im März, und ich denke, ich habe mich in dieser Beziehung ganz klar ausgedrückt. Alle Versorgungseinrichtungen sollten vernichtet werden, Wasserwerke,Telefonanlagen, Produktionsmittel, Fabriken, Werkstätten,Bauernhöfe, jegliche Sachwerte, alles und damit meint ich auch: alles!“

 

Und dann kommt in der hitlerschen Suada auf raffinierte Weise ein Eingehen auf den sogenannten einfachen Soldaten, dem Hitler - denn er ist es, der erwachte Hitler, der zu uns spricht - seine Sympathie für sein Nichtwissenkönnen ausspricht, was zur Folge hat, daß der einfache Soldat besinnungslos Hitlers Befehlen gehorchen soll, denn der kleine Mann, der einfach Soldat kann die politische Lage grundsätzlich nicht überblicken. Dafür hat er ja Hitler. Und dieser Führer stellt nun fest, daß das deutsche Volk „seine Fortexistenz selbst auf dem primitivsten Stadium eines Jäger- und Sammlertums, ich sage es schlicht: verwirkt hatte. Von daher hatte es auch jegliches Anrecht auf Wasserwerke, Brücken, Straßen verspielt.“ Und warum? Schlicht, weil sie sich dem Feind unterlegen gezeigt haben. Hitler ist also vom Volk enttäuscht, weil dieses seine Ziele der Ausradierung der anderen nicht verwirklichen konnte.

 

Das ist schon erst mal so schräg, weil es ja in der Hitlerlogik konstistent ist. Und so geht es weiter. In diesem Rausch von Worten in den Selbstgesprächen – der innere Monolog, für den seit Joyce besondere Bedingungen gelten, hat mit diesem Hitler einen neuen Favoriten der Raunerei – kann man sich regelrecht verlieren, wie es dieser Hitler in seiner eigenen aufgewachten Existenz tut: Er versteht nicht, daß das deutsche Volk überhaupt noch da ist. „Das ist mir einigermaßen unbegreiflich. Andererseits: Ich bin ja auch da, und das verstehe ich genauso wenig.“

 

Wir sind im Jahr 2011, als Hitler genau in dem Gebiet der ehemaligen Reichskanzlei, wo er doch offiziell zu Tode kam, wiederaufwacht, ein Wiesenstück. Um ihn herum spielende Kinder, die ihn weder erkennen, noch sich über ihn wundern oder gar aufregen. Hitler ist völlig verwirrt und glaubt, daß noch Krieg sei, daß aber irgendwas passiert sein müsse, daß die zerstörte Stadt doch wieder passabel aussieht. Er will Bescheid wissen und sucht an einem Kiosk den Völkischen Beobachter, den er nicht findet, aber Zeitungen mit dem Datum des 30. August 2011. Ab jetzt beginnt ein Spiel im Spiel, denn der Kioskbesitzer, der Hitler erkennt, denkt natürlich, er habe einen Schauspieler vor sich. Das legen die Filmkameras für den Film auch nahe. Aber hier steht es genauso im Filmdrehbuch, daß er diesen Hitler für geschauspielert halten soll und ihm die Übernachtung im Kiosk anbietet, damit Hitler in aller Ruhe alle Zeitungen lesen kann, um zu wissen, wo und wann und was passiert.

 

Ach nein, wir wollen nun nicht die ganze Geschichte auf langen 400 Seiten nacherzählen, nur zur Struktur etwas sagen. Denn korrespondierend mit dem Hitlerschen Anliegen, wieder eine Rolle in der Welt zu spielen, sind die gefallenen Zuschauerzahlen eines Fernsehsenders, für die eine Agentur namens Flashlight verantwortlich ist. Frank Sawatzki wird verantwortlich gemacht und entlassen, während Carmen Bellini neue Chefin wird, aber gerade dieser Sawatzki ist es, der im Kiosk diesen Hitler erlebt, vom Polenfeldzug schwadronierend und ihn für einen begnadeten Comedian hält, trotz Entlassung einen Auftrag für eine Serie erhält und loslegt.

 

Gelungen, wie nun in der Show KRASS Hitler ein Solo aufs Parkett legt, was auf Youtube weiterläuft und diesen Hitler zum festen Bestandteil der Sendung macht. Er hat nun Auftritte in den Talkshows und wird von Politikern wie Claudia Roth, Markus Söder oder Karl Lauterbach interpretiert. Witzige Passagen über die Bildzeitung, das Hotel Adlon und das Zusammentreffen mit der NPD, von der 'der Führer' aber so was von enttäuscht ist. Frau Krömeier haben wir ausgelassen, dabei wird die von der Agentur für Hitler ausgeliehene Sekretärin eine wichtige Figur, weil ihre jüdische Oma, deren Familie in den KZs ermordet wurde, sie vor diesem Hitler warnt, was die Enkelin ernst nimmt.

 

Hitler aber auch, weshalb er die Oma aufsucht und für sich um gut Wetter bittet, denn er braucht für die neue Fernsehshow eine Vertraute. Inzwischen fällt er den Rechtsextremen in die Hände, bzw. Füße. Die Skinheads schlagen ihn zusammen, die Knochenbrüche sollen im Krankenhaus heilen. Hitler ist der gemachte Mann. Parteien und Politiker bieten ihm Posten in den Parteien an, Verlage wollen seine Memoiren oder wenigstens ein Buch. Hitler sagt ja. Denn das Buch lesen wir ja gerade, daß er geschrieben hat.

 

Frau Krömeier hat sich nun auch offiziell mit Sawatzki zusammengetan und will weiterhin segensreich wirken. Es läuft alles seinen kapitalistischen Gang.

 

Auch wenn man selbst Bedenken hat, diesen Verbrecher zur handelnden Figur einer Satire zu machen, schlägt Timur Vermes unsere eigenen Argumente tot, weil er Personal auftreten läßt, die gute alte Bundesrepublik, die derart in seine Fußstapfen getreten ist, daß es oft wehtut. Wir geben zu, daß es sich diejenigen zu einfach machen, die nur Hitler dämonisieren und seine Kumpanen und eben auch die Bevölkerung, die solche Schwachsinnigen wählte, als nebensächlich abtun – und für diese nämlich ist dieses Buch geschrieben. Wer so denkt, ist hier richtig. Und wer das alles schon wußte, lacht trotzdem. Manchmal in Maßen.

 

 

Zum Buch und Hörbuch

 

Lesen Sie zuerst und hören Sie dann, denn wenn Sie erst Christoph Maria Herbst hören, der ER IST WIEDER DA kongenial einliest, dann werden Sie nie wieder das Buch ohne seine Stimme im Kopf lesen können, so durchschlagend ist dessen Wirkung. Bis zum Start des Films hatten schon über zwei Millionen das Buch gelesen, das 20 Wochen auf Platz 1 der Bestsellerliste des Spiegels stand und die gelesene Fassung kommt auf über 300 000 Hörbücher. In der gelesenen Fassung hören wir wie von alleine, daß es genau dieses Buch ist, daß Hitler am Ende des Buches als Buchidee vorstellt. Denn Herbst gelingt es, das hitlersche Idiom durchzuhalten. Buch und Hörbuch kommen aus dem Lübbe-Verlag, der diese Sparte des Eichborn Verlags bei dessen Niedergang übernahm und das Hörbuch in der LübbeAudio Edition veröffentlichte.

 

 

Zum Film und Hörspiel

ER IST WIEDER DA ist eine Produktion von Mythos Film in Co-Produktion mit Constantin Film und im Verleih der Constantin Film. Produzenten sind Christoph Müller und Lars Dittrich, Executive Producer sind Oliver Berben und Martin Moszkowicz. Der Film wurde gefördert von MBB, FFA, Film- und Medienstiftung NRW sowie DFFF.

 

Darsteller: Oliver Masucci, Fabian Busch, Christoph Maria Herbst, Katja Riemann, Franziska Wulf, Lars Rudolph, Michael Kessler u.v.a.

Produzenten: Christoph Müller, Lars Dittrich

Associate Producer: Sergej Rubinstein

Executive Producer: Oliver Berben, Martin Moszkowicz

Regie: David Wnendt

 

Die Filmrenzension finden Sie unter:

http://weltexpresso.tj87.de/index.php?option=com_content&view=article&id=5709:er-ist-wieder-da&catid=79&Itemid=471