ER IST WIEDER DA: Film, Hörspiel,Erweiterte Studienausgabe, Roman, Hörbuch, Eichborn-Lübbe, Constantin, Teil 4

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Das Buch hat einen Schönheitspreis verdient und wir erwarten, daß es nächstes Jahr zu den schönsten deutschen Büchern zählt. In edlem Schwarz, mit wenig Weiß, und einer teuflisch höllenroten Umschlagseite, lesen wir ERWEITERTE STUDIENAUSGABE von ER IST WIEDER DA und um die geht es jetzt.

 

Was das bedeutet, dazu kommen wir gleich, denn erst einmal verblüfft uns, die wir ja den Film schon gesehen haben und deshalb dieses Buch zum Film überhaupt lesen wollen, das sich auch des DER EXKLUSIVE BLICK HINTER DIE KULISSEN rühmt, verblüfft uns also, daß wir als erstes lesen: „Sämtliche Handlungen,Charaktere und Dialoge in diesem Buch sind ein fiktiv. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und/oder ihren Reaktionen, mit Firmen, Organisationen etc. sind schon deshalb zufällig, da unter vergleichbaren Umständen in der Realität anderer Vorgehens und Verhaltensweisen der handelnden Figuren nicht vollständig ausgeschlossen werden können. Der Autor legt Wert auf die Feststellung, daß Sigmar Gabriel und Renate Künast nicht wirklich mit Adolf Hitler gesprochen haben.“

 

Ja, ja, alles klar, aber dies Buch besteht doch nicht aus dem Roman allein, sondern ist eine erweiterte Studienausgabe und da wird doch auch das durch die Dreharbeiten veränderte Drehbuch eine Rolle spielen, denn beim Drehen sind doch echte Bundesbürger befragt worden, die doch hoffentlich nicht erfunden sind – oder ist das alles nur ein Fake? Nein, dann wäre der Witz, was wir an diesem Film das Ätzende und Wichtigste fanden, dahin. Denn rein erfunden wären diese Szenen, in denen die Bevölkerung auf den wiedererwachten Hitler reagiert, nicht witzig. Aber so, wo uns Film und eigene Augen und Ohren im Unklaren lassen, aus welchen Gründen diese Leute sich auf diesen Schauspieler Hitler als den echten, den falschen, den geschauspielerten einlassen,da wird es erst richtig interessant. Aber das spielt in den Bereich der Filmkritik, die ja in Weltexpresso nachzulesen ist. Link unten. ...

 

Aber jetzt zum Buch über den Roman hinaus, den wir ja schon mehrfach in den Formen von Schrift und Ton besprochen hatten. Link ebenfalls unten. Der Anhang beginnt bei Seite 399 und reicht bis zur Seite 556, wobei wir schon wieder betonen müssen,daß dieser handliche kleine Ziegelstein von durchgehend schwarzer Farbe ist, weil die sichtbaren Seitenränder schwarz eingefärbt sind. Gott sei Dank nicht braun, was ja auch nahegelegen hätte. Braun jedoch hat bezogen auf Hitler nur eine Bedeutung, während das Schwarz-Weiß uns auch auf das Schwarz-Weiß-Denken aufmerksam macht. Und auch, daß dem gesamten Unternehmen der Hitlerbelebung und Persiflage eine gewisse ästhetische Grundierung unterlegt ist.

 

Warum sich jeder, den der Film interessiert, der den zugrundeliegenden Roman gelesen hat oder nicht, dieses Buch zum eigenen Vergnügen, aber auch zum lehrreichen Lesen kaufen sollte, hat mit den vielen Stimmen zu tun, die Sie hören werden. Es sind nämlich mit den wichtigsten Figuren aus dem Film Interviews abgedruckt. Die hat Timur Vermes selbst geführt. Also, stellen Sie sich vor, der Autor macht mit seinen erfundenen Figuren, die aber im Film leibhaftig als Wirklichkeiten auf der Leinwand vor uns stehen, Interviews. Das hat was.

 

Die Selbstzufriedenheit des sich für den Fernseherfolg von Hitler zuständig fühlenden Joachim Sensenbrink kommt messerscharf zum Tragen, auch seine Lügereien, mit denen er sich als noch bedeutender stilisieren will. Das sind dialogsichere Kabinettstückchen, wo Vermes so richtig die Sau rauslassen kann – was aber immer stilsicher bleibt. So läßt er im Vergleich zu den komödiantischen Möglichkeiten dieses Hitlers den bewährten Loriot alt aussehen: Sawatzki sagt: „Vergleichen Sie selbst. Die Entschlossenheit, die Detailbesessenheit – das ist Loriot, aber Loriot hat, bei allem Respekt, letztendlich nur Witzchen über die verklemmten Deutschen erzählt. Herr Hitler hat ein wenigen Monaten die Sichtweise einer Nation über ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verändert. Davon kann die Creme deutscher Kabarettisten nur träumen.“

 

Richtig irre wird es, wenn es heißt: „Ich bitte Sie: Das ist doch was völlig anderes. Was hat denn der Herr Hitler mit den Nazis zu tun?“ Auch die Auslassungen über die CSU, die gerichtlich gegen die Marke Hitler vorgehen und scheitern, was die Frau zum Anfassen, Carmen Bellini von vorneherein wußte, sind gekonnt. Und Frau Krömeier bringt dann den menschlichen Aspekt hinein und zum Tragen.

 

Es folgen einige Artikel, die sowohl der Rezeption des Bestsellers dienen wie auch speziell dem Umstand, wie der Roman in Israel oder den USA aufgenommen wurde. In „Warum 'Er ist wieder da' in Israel erscheint, erläutert der Verleger Rotem Sella, aus welchen Gründen er diesen Roman in Israel verlegt. Er erläutert freimütig, wie er deshalb öffentlich, aber auch im Familienkreis kritisiert wurde. Grund ist immer, daß Gefühle von Überlebenden des Holocaust oder deren Angehörige sich verletzt fühlen könnten. „Wenn es Deutschen und Israelis gleichermaßen gelänge, die Vergangenheit vergangen sein zu lassen, wäre das der kollektiven Psyche beider Länder sehr dienlich. Und das Buch ist wirklich urkomisch.“, äußert der Verleger abschließend.

 

Dann gibt es noch einen „fragwürdigen südkoreanischen Comic“, von dem wir erfahren, da der Übersetzung ins Koreanische in Buchform dieser Comic unabgesprochen beigefügt wurde. Da wacht Hitler in Seoul auf und „Ich weiß nicht, warum, aber ich sprach fließend Koreanisch“, dann will er zurück ins Reich, braucht dafür Geld, geht zum Fernsehen...

 

Interessant auch, welche Quellen Timur Vermes angibt, aus denen er schöpfte, um den Stil, den Sprechfluß, den Sprachgebrauch seines Hitlers in eine Form zu gießen. Denn stilistisch wird dies sowohl im Roman wie auch im Film durchgehalten.

 

Auch das abschließende Glossar ist wichtig und sollte eigentlich in der Romanfassung Platz finden. Dort begründet Vermes Worte, Funktionen, Personen, etc., die im hitlerschen Sprachfluß vorkommen, wie beispielsweise REICHSLEITER, die wir mehr oder minder verstehen, die Vermes aber auf die originale Bedeutung im Dritten Reich zurückführt, wo es genau 18 Reichsleiter gab wie Heinrich Himmler als Chef der SS, ach, auch Reichsschatzmeister wie Franz Xaver Schwarz und 16 andere. Das rundet Roman und Film ab und gibt uns historisches Detailwissen weiter, was für unsereinenvon großem Interesse ist.

 

Dies Buch hat über den Roman und über den Film hinaus einen eigenen Mehrwert!

 

 

Zum Buch und Hörbuch

 

Lesen Sie zuerst und hören Sie dann, denn wenn Sie erst Christoph Maria Herbst hören, der ER IST WIEDER DA kongenial einliest, dann werden Sie nie wieder das Buch ohne seine Stimme im Kopf lesen können, so durchschlagend ist dessen Wirkung. Bis zum Start des Films hatten schon über zwei Millionen das Buch gelesen, das 20 Wochen auf Platz 1 der Bestsellerliste des Spiegels stand und die gelesene Fassung kommt auf über 300 000 Hörbücher. In der gelesenen Fassung hören wir wie von alleine, daß es genau dieses Buch ist, daß Hitler am Ende des Buches als Buchidee vorstellt. Denn Herbst gelingt es, das hitlersche Idiom durchzuhalten. Buch und Hörbuch kommen aus dem Lübbe Verlag, der diese Sparte des Eichborn Verlags bei dessen Niedergang übernahm und das Hörbuch in der LübbeAudio Edition veröffentlichte.

 

Zum Film und Hörspiel

 

ER IST WIEDER DA ist eine Produktion von Mythos Film in Co-Produktion mit Constantin Film und im Verleih der Constantin Film. Produzenten sind Christoph Müller und Lars Dittrich, Executive Producer sind Oliver Berben und Martin Moszkowicz. Der Film wurde gefördert von MBB, FFA, Film- und Medienstiftung NRW sowie DFFF.

 

Darsteller: Oliver Masucci, Fabian Busch, Christoph Maria Herbst, Katja Riemann, Franziska Wulf, Lars Rudolph, Michael Kessler u.v.a.

Produzenten: Christoph Müller, Lars Dittrich

Associate Producer: Sergej Rubinstein

Executive Producer: Oliver Berben, Martin Moszkowicz

Regie: David Wnendt

 

Die Filmrenzension finden Sie unter:

http://weltexpresso.tj87.de/index.php?option=com_content&view=article&id=5709:er-ist-wieder-da&catid=79&Itemid=471