Tag des inhaftierten Schriftstellers am 15.11.2015, Teil 1
Claudia Schulmerich
Darmstadt (Weltexpresso) – Gestern war der Tag des inhaftierten Schriftstellers, für dessen Freilassung seit 55 Jahren auch das PEN-Zentrum Deutschland kämpft. Jedes Jahr zur Buchmesse wird bei der Pressekonferenz der Schriftstellervereinigung auch der Eingesperrten gedacht und mitgeteilt, was der Internationale PEN oder der Deutschlands getan hat und wo Erfolg vergönnt war.
Es sind schauerliche Berichte, weil nicht nur die Anlässe – immer sind es Worte, die gesagt oder geschrieben wurden – unverhältnismäßig zur Freiheitsberaubung und skandalösen Festsetzung stehen, sondern weil man zudem immer wieder noch froh sein muß, daß es 'nur' um Gefängnis und Folter geht, und die verfolgten Schriftsteller, Dichter, Journalisten nicht gleich umgebracht worden sind.
Das PEN-Zentrum sitzt aus historischen Gründen in Darmstadt. Wiederbegründet wurde das PEN Deutschland 1948 in Göttingen, der britischen Zone und erst 1998 fand der Zusammenschluß von PEN Ost und West statt. Ursprünglich war die weltweite Schriftstellervereinigung – PEN steht für Poets, Essayists, Novelists – 1921 in England gegründet worden, wobei Gründungspräsident John Galsworthy war, was man fast gerührt liest, denn die Forsythe Sage war in Jugendtagen ein Spitzentitel – 1932 erhielt Galsworthy den Literatur Nobelpreis – und heute kennen diese Saga junge Leute kaum mehr, obwohl der Gehalt, der immer wieder das britische Klassensystem zum Inhalt hat, heute genauso gilt und eigentlich Film und Fernsehen (vor allem England, BRD und USA) doch die englischen gesellschaftsbegleitenden bis kritischen Sujets liebt. .
Deutschland schloß sich ab 1924/25 mit einer eigenen Sektion dem Internationalen PEN an, aber war von Anfang an in einer anderen Richtung unterwegs: der politischen. Galsworthy dagegen und die Mehrheit wollten sich um die sozialen Rechte der Mitglieder kümmern. Anlaß für die Deutschen war das Verbot der Remarque-Verfilmung IM WESTEN NICHTS NEUES. Erst 1932 nahm der internationale PEN auch seine politische Dimension wahr und ernst, wozu ab 1933 für die Deutschen die Gleichschaltung durch die Nazis sowie die Bücherverbrennung das Ende des PEN bedeuteten. Gleich 1934 wurde ein Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland, also im Exil gebildet, mit Heinrich Mann als Präsident, das als PEN-Zentrum vom Internationalen PEN als deutsche Sektion anerkennt wurde.
Jetzt aber geht es um um das Komitee, das 1960 für gefangen genommene und gehaltene Schriftsteller gegründet wurde, um international gezielt dagegen vorzugehen. Im Kalten Krieg war es besonders verwerflich, wenn man in den jeweiligen Blöcken eine andere Meinung vertrat als die herrschende. Es gibt nur einen Vorbehalt: Wenn die Männer und Frauen des Wortes aus Gründen der Propagierung von Gewalt oder Rassenhaß etc. inhaftiert sind, wird nicht um ihre Freilassung gestritten. Allerdings ist gerade der Vorwurf der Gewalt sehr schnell bei der Hand, wenn Schriftsteller gegen politische und soziale Mißstände protestieren.
Die Arbeit der 58 PEN Zentren, die sich innerhalb der 140 für den aktiven Einsatz für Gefangene gebildet haben, darunter der deutsch PEN mit Vizepräsident Sacha Feuchert, ist vielfältig und fällt sehr differenziert aus. Denn manchmal nützt ein Schweigen und eine Verhandlung mit den richtigen Ansprechpartnern einem Inhaftierten mehr, das heißt ist die Voraussetzung für seine Freilassung, manchmal muß lautstark und durch viele Personen an die Verantwortlichen appelliert werden, bzw. über den Vorgang eine Weltöffentlichkeit hergestellt werden, um den Gefangenen frei zu bekommen, manchmal helfen auch alle öffentlichen Proteste nicht. Dann hilft nichts anderes wie ständig darüber zu schreiben und das Unrecht, das einzelnen zugefügt wird, immer wieder zum Thema zu machen.
Dabei fällt uns jetzt völlig zu recht, Liu Xiaobo (im Bild) ein, für den wir anläßlich des Gastlandes China auf der Frankfurter Buchmesse 2009 stritten, was in den nächsten Jahren anhielt. Zuerst ging es darum, daß der 1955 geborene Dichter und Vorstandsmitglied des chinesischen PEN am 8. Dezember 2008 ins Gefängnis kam und ohne Verfahren blieb und dann am 1. Weihnachtsfeiertag 2009, während die westliche Welt Weihnachten feierte, zu elf Jahren Haft verurteilt wurde. Nur über seine Frau Liu Xia erhielt man Nachrichten, die selber Hausarrest bekam und nicht einmal seinen Nobelpreis, den er 2010 für Literatur erhielt, entgegennehmen konnte.
Beim Durchblättern der Liste fallen einem auf, daß für Brasilien besonders viele Schriftsteller verzeichnet sind. Die Mehrzahl derer ist tot und zwar sind dies Tötungen, Ermordungen, von denen man einen politischen Hintergrund annimmt. Bitte lesen Sie in der unteren Liste der Fälle nach. Daß einem ganz Afrika wie ein Gefängnis vorkommt, ist auch eine Erkenntnis, wenn man sieht, daß überall Gefangene sitzen. Besonders schlimm auch in Indien und Südostasien. Unglaublich viele in Aserbaidschan, Rußland, auch und vor allem Türkei. Schlimm auch die Zustände im Mittleren Osten und Nordafrika.
Gerade, weil es so viele sind, ist es verständlich, daß sich anläßlich des Jahrestages der PEN in einem Rundschreiben beispielhaft auf einige bezieht, deren Schicksale symptomatisch sind, was im nächsten Artikel folgt.
http://www.pen-deutschland.de
http://www.pen-deutschland.de/wp-content/uploads/2015/05/January-December-2014-Case-List-FINAL.pdf