Abgestimmte Leistungen, die um das neue de Gruyter Kant-Lexikon erbracht wurden

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Das neue Kant-Lexikon des Wissenschaftsverlags Walter de Gruyter ist geeignet, auch als Fundus einer Vielzahl von Definitionen - die Kant kreierte - zu dienen. Diese Definitionen sind auch für den nicht-akademischen Gebrauch durch das interessierte Publikum von Interesse, wenn der Intellekt die Lust verspürt, sich an Kants Definitionen abzuarbeiten, sei nun jemand noch sehr jung oder bereits schon älter an Jahren.

 

Kant ist eine generationenübergreifende Gestalt. Kants gescheite Definitionen könnten zum Bestand einer begleitenden Pädagogik werden und zwar über die Definition zur alteingeführten Fragestellung: „Was ist Aufklärung?“ hinaus.

 

Das neue Kant-Lexikon besteht aus drei Bänden und hat fulminante 3000 Seiten. Es berücksichtigt die Werkausgabe, die Studien zu Kant, die Arbeit der Zeitschriften und die Inhalte der Monographien. Es wurde vor 15 Jahren begonnen, bildet die Kant-Forschung ab.

 

Das Lexikon hat mehr als 5000 Lexikon-Einträge und beschäftigte 221 AutorInnen in 23 Ländern. Zeitlich ergibt das 45 Personenjahre, ein ganzes Arbeitsleben eines Menschen. Für die Stichworte wurden Pakete an die Autoren in geschlossener Vergabe gereicht. Die Redaktion hat das Erbrachte zusammen mit Herausgebern und Beiräten formal und inhaltlich begutachtet. Manchmal gingen Artikel zurück, wenige wurden direkt übernommen, es gab auch Mehrfachüberarbeitungen. Beleidigt waren deswegen nur wenige. Gekürzt aber musste doch werden, manche Eingaben waren zu lang. Es spielte sich ein Verhandlungsprozess zwischen den Autoren und der Redaktion ab.

 

Im Sinne der formalen Prüfung arbeiteten in Frankfurt Hilfskräfte. Und eingebunden waren auch drei RedaktionsmitarbeiterInnen. Es wurde medienneutral erfasst im XML-Editor-Format. In das Opus magnum wurden auch 30 000 Stellenangaben eingefügt. Die Stichworte entstammen nur Kants eigenem Werk, es finden sich derart auch naturwissenschaftliche, geographische und pädagogische Termini sowie Komposita. Es wurde auch gefragt: wie werden sie gebraucht, welche Funktionen haben sie?

 

 

Terminologische Differenziertheit

 

Es findet sich nicht nur ein Artikel etwa zu 'Freiheit', 'Autonomie', 'Spontaneität', zum 'Willen' oder zur 'Willkür'. Kleinere Termini wurden auch bedacht, sowie die Weise des Gebrauchs. Bedacht wurden zudem:

 

 

  • historischer Kontext

  • philosophische Funktion

  • Interpretationslage

  • Verwendung

 

Das ergibt ein Bild terminologischer Differenziertheit in der Forschung wie auch beim 'Objekt'. Kant war ein Meister der Definition, 'eine Meisterschaft, die die Frucht einer Kombination von Betrachtung, Selbstdenken und differenziertem Ausdruck ist', so der Frankfurter Philosoph Marcus Willaschek. Eine der schlagendsten Definitionen Kants lautet: 'Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind'. In dieser Weise gibt es viele, die ähnlich erfreuen. Auch ein Satzanfang wie: 'Die Natur hat gewollt...' ist von großem Reiz. Darin steckt etwas Ökologisches. Weiter könnte es heißen: '...dass sie die Zeitachse ihrer natürlichen Auslese selbst entwickelt und es verschmäht, sich ins Handwerk pfuschen zu lassen' - hätte Kant schon die Lehre Darwins zur Verfügung gestanden. Nicht wenige der Definitionen sind pädagogisch für den Gebrauch in Schulen geeignet, für einen nicht-schulmäßigen Umgang. Es gibt 2000 theoretisch relevante Termini, die die hohe Bandbreite von Kants Interessen widerspiegeln.

 

Sie schließen auch zu seiner Zeit umlaufende Begriffe ein wie 'Äther', 'Deismus', 'Erbsünde', das 'Erdbeben' (von Lissabon, das damals einen Einschnitt in des Bild von der Natur bedeutete). Hinzu kommen Termini wie: 'Krieg', 'Frieden', 'Trugschluß' (Kritik der reinen Vernunft), 'Trunkenheit' (Anthropologie), 'Tastsinn', 'Gymnastik' und 'Orakel' (Religionsphilosophie). Wörter, die etwas in Vergessenheit geraten sind, können wiedererschlossen werden. 'Urteilskraft' gibt es, so kurz gefasst*) nicht in Kants Schriften, auch wenn es im Titel von Ausgaben vorkommt. Im ganzen gesehen hat das neue Kant-Lexikon die Anlage wie ein Konversationslexikon - als Lexikon zur Auslösung von Konversation - zu fungieren.

 

Das Lexikon wird es in Print, in E-Book und in einigen Jahren auch 'online' geben. Es soll ein Buch der Ressource für die Kant-Forschung werden. Es gibt um die 200 Kant-Experten in der Welt. Das Lexikon möchte Kant auch für die Gegenwartsphilosophie fruchtbar machen, für die Gegenwartsgeschichte und für die aktuellen Fragen der Gesellschaft. Die Konzeption des 'ewigen Friedens' ist heute aktueller denn je. Politische Philosophie und Philosophie der Politik durchdringen sich. Übrigens war Kants Theorie der Chemie noch eine besondere Entdeckung für die Herausgeber.

 

Nicht uninteressant ist der Umstand, dass Kant sich erst in den 90-er Jahren des Achtzehnten Jahrhunderts vom Rassismus distanziert hat. Der Einfluss des großen Welterkunders und verständigsten Reisenden durch die abgelegensten Länder der Erde Georg Forster machte sich bemerkbar, zeitigte seinen Einfluss. Auch meinte Kant einmal sinngemäß, Rousseau habe ihm die Ehrfurcht vor dem Los des niedrigen Standes nahegebracht. Es finden sich auch Auffassungen zum Terrorismus nach dem Lamento: 'Es werde immer schlechter...'. Die Französische Revolution hat auch Kant in seiner Geschichtsauffassung geprägt. Nicht immer ist er unterhaltsam, manchmal auch 'nur' informierend. Ohnehin hielt Kant in den Frühstunden außerordentlich belesene und lebendig formulierte Vorlesungen zu den Gegenden der Weltkarte, obwohl er selbst mit dem Reisen nichts am Hut hatte.

 

Jeder Autor bekam ein Belegexemplar.- Eine englische Ausgabe? - Ja, die kommt wohl. Es wurde übersetzt, wenn Beiträge in Englisch oder Französisch geliefert wurden. Übersetzungen mussten kompetent verfertigt werden. Es ist gemeinhin üblich, Kant nur in Deutsch zu lesen, anderes über und zu Kant aber auch durchaus nur in Englisch oder Französisch. Orthografisch sind weder die alten noch die etwaigen neuen Ausgaben Richtschnur, das ist die Ausgabe der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin.

 

 

Info:

Informationen: Prof. Dr. Marcus Willaschek, Institut für Philosophie, Frankfurt/Main, Campus Westend, Tel. 069/798-32678, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

In der nächsten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Forschung Frankfurt“ (2/2015) erscheint ein längerer Beitrag von Dr. Rolf Wiggershaus über das Kant-Lexikon.

 

'Das neue Kant-Lexikon', herausgegeben von: Marcus Willaschek, Jürgen Stolzenberg, Georg Mohr, Stefano Bacin

 

Beirat, Redaktion, Verlag: Eckart Förster (Baltimore, USA), Heiner Klemme (Mainz/Halle), Christian Klotz (Goiás, BRA), Bernd Ludwig (Göttingen), Peter McLaughlin (Heidelberg), Eric Watkins (San Diego, USA)

 

Redaktionsmitarbeiter: Steffi Schadow (2004-2009), Thomas Höwing (2005-2010), Florian Marwede (2010-2015)

 

Verlag: Walter de Gruyter, Cheflektorin: Gertrud Grünkorn

 

Finanzierung: Fritz Thyssen Stiftung, Universitäten Frankfurt, Halle und Bremen, Verlag Walter de Gruyter.

 

Das Kant-Lexikon wurde am 4. November 2015 im Eisenhower-Saal der Goethe-Universität (Poelzig-Bau) vorgestellt

 

Kant-Lexikon, 3 Bände, Herausgeber: Marcus Willaschek, Stefano Bacin, Georg Mohr, Jürgen Stolzenberg, Verlag Walter de Gruyter, 16. Oktober 2015

ISBN-13: 9783110172591 ISBN-10: 3110172593 Best.Nr.: 36199551

 

Rudolf Eisler, Kant-Lexikon, Nachdruck der Ausgabe Berlin von 1930, Weidmannsche Verlagsbuchhandlung, 2008 ISBN-13: 9783615003581 ISBN-10: 3615003586 Best.Nr.: 25451908

 

Manfred Kühn, Kant, Eine Biographie, Dtv, 2007 ISBN-13: 9783423343947 ISBN-10: 342334394X Best.Nr.: 20837711

 

http://www.uni-frankfurt.de/43443953/Kant-Lexikon

 

E-Mail: kant-lexikon[at]em.uni-frankfurt.de

 

Redaktion Kant-Lexikon: Florian Marwede

 

*) Zum allgemeinen Verständnis: Die Hauptwerke Kants lauten:

'Kritik der reinen Vernunft', 'Kritik der Urteilskraft', 'Die Metaphysik der Sitten',

nach stw (Suhrkamp)