Lebenserinnerungen des Malerbruders Ludwig Emil Grimm als Buchpräsentation Donnerstag, 10. Dezember im Goethehaus Frankfurt, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Von einem vergnüglichen lehrreichen Abend ist zu berichten, den wir gerne ausführlich darstellen, denn in ihm wird gleichzeitig eine fulminante Buchvorstellung gewürdigt, die die beiden Verfasser Heiner Boehncke und Hans Sarkowicz gekonnt unter Volk brachten.

 

Es waren nämlich viele gekommen, die einen, weil sie den Prachtband aus der Anderen Bibliothek, jetzt im Lübbe Verlag, schon besaßen, die anderen, weil sie schon viel darüber gehört hatten. Nach der Veranstaltung waren auch die dort käuflich erwerbbaren Exemplare ratzeputz weg, so animierend war dieser Abend – und damit ist das erste Geheimnis ausgeplaudert. Je mehr man sich mit der Materie, hier dem Bruder und seinen heimlichen Aufzeichnungen beschäftigt, desto interessanter wird es – und damit auch dies Buch, von dem wir schon gesagt hatten, daß es der Verlag doch unbedingt zur Auswahl unter die schönsten deutschen Bücher einschicken möge, was als Preisverleihung immer vor der Buchmesse im Frankfurter Museum Angewandte Kunst stattfindet, wo aus den 25 schönsten deutschen Büchern dann das eine, das zum schönsten avanciert, die Krönung erfährt.

 

Ehrlich gesagt braucht dieses Buch eine Prämierung dann wieder überhaupt nicht. Denn, wenn man es einmal in die Hand nimmt, mag man es gar nicht wiederhergeben, weil sowohl das darin Lesen fasziniert, wie auch die Bilder, die fast alle den Zeichnungen diesen dritten Grimmbruders entstammen, wobei wir übrigens auch von einem vierten Bruder hörten.

 

Jetzt aber soll es ordentlich zum Verlauf gehen, wobei erst einmal die Besonderheit der Grimmjahre zu klären ist. Da gab es das Grimmjahr 2012/13. Damit wurden die Brüder Wilhelm (1786 -1859) und Jacob (1785-1863) Grimm geehrt, die am 20. Dezember 1812 die Erstfassung herausgaben, was dann als Jubiläum „200 Jahre Kinder- und Hausmärchen“ hieß und das Jahr 2013 über von Hanau, wo die meisten der neun Kinder der Eltern geboren wurden, nach Hessen ausstrahlte. Übrigens überlebten sechs der neun Kinder, die in Steinau an der Straße großwurden, weshalb sich von Süd über Marburg bis Kassel die Deutsche Märchenstraße als Kultursommer Nordhessens erstreckte. Nach Kassel hatte nämlich die fürsorgliche Mutter ihre beiden Ältesten, eben Jacob und Wilhelm des Gymnasien wegen zu einer Tante, der Schwester der Mutter, zu Henriette Zimmer geschickt und in Marburg haben dann beide bei von Savigny Recht studiert.

 

Damit nicht genug, denn die Grimmjubiläumsjahre gehen ineinander über. Denn am 20. September 2013 war dann auch der 150ste Todestag von Jacob Grimm zu ehren und am 14. März 2015 war der 225. Geburtstag von Ludwig Emil Grimm. Das hat die Region rund um Kassel dazu bewogen, bis 2019 ein Grimmjahr nach dem anderen auszurufen, denn von 2016-2018 geht es um „200 Jahre Deutsche Sagen“ und 2019 um „200 Jahre Deutsche Grammatik“. Damit aber genug, denn jetzt geht es fast nur noch um Ludwig Emil.

 

Das 'fast' bezieht sich auf die Vorstellung der beiden Verfasser von LUDWIG EMIL GRIMM. Lebenserinnerungen des Malerbruders, die in der Veranstaltung liebevoll und umfangreich ausfielen – als zur Vorstellung nämlich gesagt wurde, man könne den ganzen Abend auch damit verbringen, die gemeinsamen Werke der beiden Literaturforscher Boencke und Sarkowicz vorzulesen, so umfangreich ist allein schon das gemeinsame Werk, das von vielen Einzelarbeiten komplettiert ist, wobei hinzuzufügen ist, daß ihr Brotberuf im Hessischen Rundfunk stattfand und für Sarkowicz noch stattfindet. Gemeinsam hätten sie mehr Schriften herausgegeben, als jeder für sich allein, weshalb Ihnen der Ehrentitel Dioskuren der hessischen Literaturwissenschaft zukäme, was große Zustimmung hervorrief.

 

Wir mußten aber nach der Veranstaltung einigen Besuchern mehr von den Dioskuren erzählt. Das kam, weil wir sie nach den Dioskuren fragten, die aber den von uns Angesprochenen nur als Begriff ohne Inhalt geläufig waren. Es ist wirklich eine Besonderheit bei Literaturveranstaltungen, daß dort gehäuft gelehrte und wirklich richtig gut passende Worte, Begriffe, Vergleiche, Metaphern ...fallen, die herzliches Lachen und auch Applaus bewirken, was verdeckt, daß doch einige dabei sind, die mitlachen, sich anpassen, ohne zu wissen, worin der Scherz lag. Das ist überhaupt nicht schlimm, wenn man sich dann schnell erkundigt, was das war.

 

Also, die Dioskuren sind Söhne des Zeus, speziell aber gilt die Bezeichnung den mal Halb-, mal Zwillingsbrüdern Kastor und Polydeukes, auf Latein Castor und Pollux, die wie ihre Schwester Helena aus Sparta kommen. Sie teilten die Fahrt der Argonauten zum Goldenen Vlies, die Iason befehligte und sie waren an der Seite von Herakles, als dieser gen die Amazonen schritt. Doch hatten sie einen grauenvollen Tod – und darum hat der Vergleich als Dioskuren der Hessischen Literaturwissenschaft auch den sogenannten Pferdefuß. Kastor, der aus Abstammungsgründen sterblich war, wurde totgeschlagen, woraufhin der halbgöttliche Polydeukes den Bruder des Mörders tötete, was Zeus mit dem Totumfallen des Mörders von Kastor komplettierte und dem Wunsch des Polydeukes entsprach, mit dem Bruder wiedervereint zu sein. Er hätte zwar auch für immer im Olymp und für immer blutjung bleiben können, aber lieber war ihm, einen Tag mit Kastor im Olymp, den anderen Tag mit ihm im Hades zu weilen. Ein trauriges Schicksal. Aber ein gemeinsames. Fortsetzung folgt.

 

 

Info zu den Verfassern:

 

Hans Sarkowicz kommt aus der Grimmgegend, aus Gelnhausen nämlich, wo er 1955 geboren wurde und seit 1979 die Leitung des Bereichs Kultur und Wissenschaft im Hessischen Rundfunk innehat. Er hat sich schon mehrere hessische Verdienstorden erarbeitet, denn neben Biografien über Erich Kästner, Heinz Rühmann etc. und seinen grundlegenden Forschungen zum Radio der NS-Zeit, seinem mit Kollegen Alf Mentzer veröffentlichten Schriftstellerlexikon LITERATUR IM NAZIDEUTSCHLAND, hat er unzählige Schriften und Bücher über hessische Literaten herausgegeben. Viele mit Heiner Boehncke.

 

Heiner Boehncke , 1944 in Schwarzenfels geboren, war Hochschullehrer für allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaften an der Frankfurter Goethe-Universität und an der Uni Bremen, wo Boehncke auch bei Radio Bremen mitarbeitete und ab 1988 Leiter der Öffentlichkeitsarbeit beim Hessischen Rundfunk wurde und seit 1998 Literaturredakteur im Bereich Kultur und Wissenschaft, dem nämlichen also, dem Hans Sarkowicz noch heute vorsteht. Ganz schön traditionsverbunden, der Hessischen Rundfunk, fällt einem dazu ein. Boehncke jedoch hat weit darüber hinaus in Hessen an der Konsolidierung hessischer Literatur früher und jetzt mitgewirkt. Er hat den Hessischen Literaturrat mitbegründet, der „die reiche literarische Tradition Hessens einer breiteren Öffentlichkeit bewußt zu machen und somit zur kulturellen Identität des Landes beizutragen“ hat. Und er ist Künstlerischer Leiter des anspruchsvollen Rheingau Literatur Festivals, das Teil des Rheingau Musikfestivals ist und außerordentlich erfolgreich wirkt. Und er ist Herausgeber vieler hessenspezifischen Bücher über Literatur. Viel mit Hans Sarkowicz.

 

Buchpräsentation

 

LEBENSERINNERUNGEN DES MALERBRUDERS LUDWIG EMIL GRIMM, ediert von Heiner Boehncke und Hans Sarkowicz – begleitet von Albert Schindehütte. Die Andere Bibliothek, 2015

 

Donnerstag, 10. Dezember 2015, 19 Uhr

Frankfurter Goethe-Haus, Großer Hirschgraben 23-25

 

Foto:

Dies ist nicht vom besprochenen Abend, aber mit dem besprochenen Buch in der Hand (c) Rainer Habermann

 

www.goethehaus-frankfurt.de