Håkan Nessers Krimi als Hörspiel von Deutschlandradio Kultur im Hörverlag

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main  (Weltexpresso) – Das finden wir so gut, daß wir das öfter machen werden. Statt stundenlang einen neuen Krimi zu lesen und/oder ein Hörbuch zu hören, hat uns das 53 Minuten lange Hörspiel auf einen Schlag informiert, was es auf sich hat, mit dem Verschwinden der kleinen Sarah, in Europa entführt und weshalb die Eltern nach New York ziehen...

 

Doch, wir erzählen noch mehr darüber, aber nicht, ob sie gefunden wird. „Am Rande der Catskills“ heißt der Untertitel, was man beim Hören nicht so recht versteht. Aber ansonsten entwickelt sich die Handlung völlig übersichtlich und das Hörspiel nimmt zunehmend Fahrt auf. Das liegt nicht nur an der inhaltlichen Textgestaltung, wie durch die Dialoge die Handlung verständlich wird, sondern auch, wie die beteiligten Sprecher den Text zusätzlich spannend machen.

 

Nun sind auch mit Barbara Auer als Ehefrau Winnie, Rainer Bock als erzählender Erik zwei Sprecher aufgeboten, die souverän die Atmosphäre von Angst erzeugen mit ihren einzelnen Schritten, wo aus Angst zunehmend Gefühle von Paranoia entstehen, so daß man zwischen Wirklichkeit und deren Interpretation als Hörer nicht mehr unterscheiden kann und jeden neuen Satz als Orientierungshilfe für das Verstehen mit Spannung erwartet. Das ausdrücklich zu loben, gehört zu dieser DVD unbedingt dazu, die das bei btb erschienene Buch von 317 Seiten als Hörspiel in Kurzfassung bringt.

 

Worum es geht. Nun gut. Sie können diese DVD aber auch ohne weitere Kenntnis, was sie inhaltlich erwartet, erwerben, einfach, weil sie so gut gemacht ist. Im Roman, der 2009 im schwedischen Original und 2010 in der Übersetzung erschienen ist, beginnt es mit der Ankunft in New York. Auch das Hörspiel setzt direkt in New York ein, der die Vorgeschichte erzählende Ehemann Erik berichtet dann in Rückblenden von der Vergangenheite, d. h., er führt in die Rückblenden ein, die dann durchaus auch als Szene, also dialogisch ablaufen. Demnach ist vor 14 Monaten die gemeinsame vierjährige Tochter verschwunden. Sie ist entführt worden, was der Vater, mit der Kaffeetasse in der Hand durchs Fenster mitverfolgte, wo Sara nämlich auf die Worte eines Mannes hin am Eingang zum Einfamilienhaus an der Straße in einen grünen Wagen einstieg und verschwand.

 

In New York wollen die Eheleute Erik und Winnie Abstand gewinnen, das glaubt zumindest Erik, der aber feststellt, daß seine Frau sich merkwürdig verändert. Sie will ihre Leidenschaft als Malerin wieder aufnehmen, braucht dazu aber eine sturmfreie Bude, weshalb er viele Stunden durch New York schweift, sich auch endlich in der Bibliothek aufhält, denn er ist Schriftsteller und braucht Auftrieb. Da sieht er zufällig vor den Bibliotheksfenstern seine Frau vorbeihuschen, die aber, als er sie zu Hause darauf anspricht, dies abstreitet, was sie auch bei anderer Gelegenheit tat, wo er völlig sicher gewesen war, sie auf der Straße gesehen zu haben.

 

Er wird von einem zunehmend Vertrauten in der Bibliothek, einem ehemaligen Privatdetektiv, zu einer Überwachung seiner Frau durch diesen motiviert, was die Geschichte beschleunigt, denn es stellt sich heraus, daß Winnie nicht zum befürchteten Nebenbuhler, sondern zu einer Fachfrau für Parapsychologie. ging Doch kann man Winnie damit nicht mehr konfrontieren, denn sie verschwindet. Tochter weg, die Frau nun auch noch. Höchste Zeit für Erik, die Aufklärung nun persönlich zu beschleunigen. Das Gespräch mit der Parapsychologin ist aufschlußreich, denn es wird klar, daß es um die verschwundene Tochter ging und um Zeichen, die Winnie empfangen hatte, wo sich die Tochter befindet. Der lange verschwiegene, aber zunehmend zu Tage tretende Konflikt liegt darin, daß die Mutter behauptet und dies hundertprozentig, daß die Tochter lebt, während Erik dafür keinen Anhaltspunkt sieht.

 

Zudem wird Winnie durch merkwürdige Vorkommnisse dem Ehemann immer fremder und stellt er dies erst einmal fest, dann kommen Erinnerungen, wie sie einmal in Venedig als Ursula angesprochen wurde und heftig ablehnend darauf reagierte. Er hat Winnie auf seltsame Weise kennengelernt und erst später erfahren, welches schreckliches Schicksal sie erlitten hatte: der Ehemann war mit der Tochter im Auto tödlich verunglückt. Stop. Mehr dürfen wir jetzt einfach nicht verraten. Nur, daß aus der Vergangenheit von Winnie alle auftretenden Vorkommnisse nach und nach erklärt werden können, wobei absolut Dramatisches passiert. Am Schluß auf jeden Fall ist alles klar.

 

Bei aller Begeisterung eine kleine Trübung. Die eine: Die Ankunft in New York ist belegt, aber woher sie gekommen sind, weshalb Erik seine Frau in Berlin kennengelernt hatte, aber doch wohl England die Heimat ist, oder doch Schweden, wir wissen es nicht und finden keine Hilfe beim Hören. Im Buch ist eine Karte von Greenwich Village abgedruckt, wo man die gemietete Wohnung, die Bibliothek, Straßen, Lokale etc. wiederfinden kann. Aber New York war für uns nicht das Problem.

 

Doch wichtiger ist Folgendes: Wir haben wirklich gespannt zugehört, weil die Ereignisse so rätselhaft sind, daß man dem atemlos folgen muß. Erst wenn der Fall gelöst ist, fängt man an, die beteiligten Personen sich noch einmal vor Augen zu holen.Und da stellt man fest, daß insbesondere der Charakter von Winnie im Hörspiel holzschnittartig ist. Wieso sie Erik geheiratet hat, zum Beispiel, der sich von ihrem totgewähnten vorherigen Mann derart unterscheidet, kein Wunder, denn der hat sich im Nachhineinsogar  als Mörder herausgestellt. Diese Anmerkung ist besser zu verstehen, wenn man die Auflösung des Falls kennt,weil sie einem auch dann erst wichtig wird.

 

 

Info:

Hakan Nesser, Die Perspektive des Gärtners, Hörspielbearbeitung und Regie von Irene Schuck, mit Rainer Bock, Barbara Auer, Hans Joachim Bliese und anderen, Deutschlandradio Kultur, der Hörverlag 2014

 

Grundlage der Roman von Hakan Nesser, Die Perspektive des Gärtners, Roman, Verlag btb, 2010