Ausstellung „Stefan Zweig - Abschied von Europa“ in der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt bis 24. März 2016, Teil 1
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wie geht es Ihnen mit der Kombination der Wörter Stefan Zweig und Abschied von Europa. Bei unser einem tritt da nicht nur sofort Trauer ein, wie man um einen Verstorbenen aus der eigenen Familie trauert, auch ein schlechtes Gewissen setzt ein, man wollte doch DIE WELT VON GESTERN schon lange wieder lesen...
Gehen wir stattdessen sofort in die Ausstellung über Stefan Zweig (1881–1942), die die Deutsche Nationalbibliothek in Frankfurt aus dem Wiener Theatermuseum übernommen hat, wo sie nicht nur ausgerichtet wurde, sondern ihren Ort auch deshalb hat, weil in den Mauern Wiens dieses bestimmte Hotel, das Grandhotel METROPOL, stand, das die Nazi dann gleich als Gestapohauptquartier okkupierten, und das auch jetzt in Frankfurt als Modell durch diesen starkfarbigen Teppich wie eine Insel in der Welt wirkt. Das METROPOL spielt eine Rolle in der SCHACHNOVELLE, eine üble, aber davon später. In Wien schien uns dieser Teppich noch viel gewaltiger und er führte sogar bis nach draußen.
Ein Teppich? Ja, nicht schlecht, denn die Worte von Stefan Zweig sind nicht kalt wie ein Steinboden, auch nicht gehobelt wie ein Parkett, vom Linoleum und sonstigen Kunstprodukten wollen wir ganz schweigen. Stefan Zweig war echt und er schreibt echt. Persönlich hatte er die alte, die aufklärerische nachmonarchische, kleinösterreichische Zeit noch mitbekommen und er hatte sie als einer, der dazugehörte, genossen, wo er als gefeierter Star über den roten Teppich laufen konnte, getragen von der Bewunderung seiner Leser und dann, der Fall ins Bodenlose, von den Austrofaschisten gemieden, von den Nazis verfolgt, ist er nach dem englischen Exil erst nach New York, dann nach Brasilien geflohen.
Der österreichische Schriftsteller Stefan Zweig verbrachte die letzten acht Jahre seines Lebens im Exil. Im Februar 1934 emigrierte er zuerst von Salzburg nach England, im Juni 1940 verließ er mit seiner zweiten Ehefrau Lotte England und auch für immer Europa. Beide hielten sich in den USA und in Brasilien auf, wo sie sich schließlich Ende Februar 1942 gemeinsam das Leben nahmen.So dürr kann man es sagen.
Als Biograph seiner selbst und als Biograph seiner Zeit sind auch Zweigs Briefe immer beides: eine persönliche Aussage und eine Analyse des Erlebten. Nach der Ankunft in New York schreibt Zweig an Richard Beer-Hofmann: „Der Sieg der Gewalt macht mich heimatlos. So bin ich mit meiner kleinen Klugheit (so wie im Februar 1934 aus Österreich) rechtzeitig von England fort, alles hinter mir lassend, was Besitz war, und sogar das halbfertige Manuskript der Balzac-Biographie, an der ich seit Jahren arbeite, und irre jetzt mit einem Transitvisum, hier in den USA eingelassen und fortgetrieben, nach Südamerica zu Vorlesereisen, die ich nicht mag. Werde ich je zurückkehren können? Werde ich es dürfen, werde ich es wollen? Aber ich frage schon nicht mehr, ich lasse mich treiben, nur von einem Gedanken beseelt, nicht diesem braunen Burschen in die Hände zu fallen“ (Katalog, S.11)
Die Ausstellung des Österreichischen Theatermuseums Wien, jetzt also dankbarer Weise in der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt, zeigt Leben und Werk Stefan Zweigs aus dem Blickwinkel des Exils. Von herausragender Bedeutung sind dabei zwei Texte, die erst in den letzten Jahren des Exils entstanden sind: In seinen Erinnerungen DIE WELT VON GESTERN beschwört Zweig das alte Europa; in der SCHACHNOVELLE gestaltet er hingegen jenes Grauen, das den Untergang Europas besiegelt hat. Diese beiden Texte stehen im Zentrum der Ausstellung. Diese wurde übrigens von Klemens Renoldner konzipiert und kuratiert und von Peter Karlhuber sinnenfroh gestaltet. Klemens Renolder ist der Direktor des Stefan Zweig Zentrums in Salzburg.
Der unkundige Leser und auch der unkundige Besucher der Ausstellung wundert sich erst einmal. Schon 1934 aus Österreich emigriert, das Land, das sich doch erst am 15. März 1938 Deutschland anschloß und wie die Österreicher immer betonen, doch durch den Marsch auf Wien von den Deutschen zwangsweise angeschlossen wurde? Darauf kann man nur mit Thomas Bernhard spöttisch und mit einem rechten Augenzwinkern sagen, wie heilfroh die Wiener waren, die sich am Abend des Anschlußtages auf dem Heldenplatz versammelten und „Heil Hitler!“ schrien. Ach was, wie in Deutschland war auch in Österreich jeder gefährdet, der mit der Machtübernahme der Nazis durch die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler Deutschlands am 30. Januar 1933 einer anderen Gesinnung war, als die Gleichschaltungspartei dies binnen kurzem durchsetzte.
Aber was Zweig und andere angeht, war das noch differenzierter. Denn die Deutschen hätten 1933 in Österreich noch nicht viel ausrichten können. Dies nahmen ihnen die Austrofaschisten ab, die sich ebenso „gleichgesinnt“ aufführten, wogegen die österreichischen Sozialdemokraten im Februar 1934 protestierten und mit ihnen Stefan Zweig. Die Faschisten schlugen zurück und führten dabei auch gleich den in Salzburg lebenden erklärten Pazifisten Zweig so mit einer vergeblichen Hausdurchsuchung nach Waffenbesitz am 18. Februar als potentiellen Staatsfeind vor, daß diesem unmittelbar klar wurde, hier muß er weg. Fortsetzung folgt.
Katalog:
Stefan Zeig, Abschied von Europa, hrsg. von Klemens Renolder, Ausstellung im Theatermuseum Wien, Verlag Christian Brandstätter, Wien 2014
Info:
"Wir brauchen einen ganz anderen Mut!"
Stefan Zweig - Abschied von Europa
Ausstellung des Deutschen Exilarchiv 1933-1945 der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main
Dauer: 24. November 2015 – 24. März 2016
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 14 - 20 Uhr, Samstag 14 - 18 Uhr. An Sonn- und Feiertagen sowie vom 24. Dezember 2015 bis 3. Januar 2016 geschlossen.
Eintritt frei
Kuratorenführungen: 4. Februar und 17. März 2016, jeweils 18 Uhr