Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 6. und 7. Januar 2016, Teil3: Hörbuch Osterwold audio
Günther Winckel
Hamburg (Weltexpresso) – DER TOTGEGLAUBTE, so heißt der Roman THE REVENANT auf Deutsch, den Michael Punke 2002 schrieb und der vom Überleben des Hugh Glass in den Jahren 1823 und -24 in der amerikanischen Wildnis handelt, was in der ungekürztes Lesung von Gerrit Schmidt-Foß 532 Minuten ausmacht, erschienen bei Osterwold audio.
Das Buch dazu ist im Verlag Piper erschienen; wir aber haben uns auf die Hörfassung gestürzt und dabei die Erfahrung gemacht, daß wir das Buch zum Film hörten und nicht umgekehrt zuvor den Film zum Buch gesehen hatten. Wer nämlich - wie wir - zuerst THE REVENANT – Der Rückkehrer als Film gesehen hat, der wird nie wieder diese überwältigenden Bilder aus dem Kopf, ja aus dem Gemüt bekommen, so bildgewaltig wird die Natur auf die Leinwand gebracht. Zum Fürchten und auch zur Erkenntnis, daß es gute Gründe gibt, daß unsere Vorvorfahren die Götter, die die Welt bewegen, in der Natur orteten, als böse und als gute Geister.
Mit Geistern hat nämlich auch diese Geschichte zu tun, die mit der deutschen Filmbezeichnung DER RÜCKKEHRER sprachlich nur am Rande das mitaufgreift, was Rückkehr außer der schnöden Tatsache, daß jemand zurückkommt, auch noch beinhaltet. Das fängt schon bei dem Begriff 'kehr' an, denn damit ist ein Orientierungswechsel angezeigt, eine Umkehr, eine Kehre etc, selbst die Wiederbelebung eines eigentlich schon Toten infolge eines Kreislaufstillstandes durch Herzdruckmassage. Traditionell waren eben auch Geister Rückkehrer, dann nämlich wenn sie sich Richtung Natur vom Leben verabschiedet hatten und ihren Angehörigen wiedererschienen. Dazu mußten sie nicht einmal wie bei der Seánce über das Medium mit dem Jenseites konferieren. Allein der Ahnenkult und die unter den Häusern begrabenen Knochen der Vorfahren reichten.
Hört man aber DER TOTGEGLAUBTE, dann fallen alle diese Dimensionen völlig weg. Hier geht es um nichts Übersinnliches, hier geht es um das nackte Überleben unter unmenschlichen Bedingungen, womit die Härte, die Kälte der Natur im tiefsten Winter gemeint ist. Interessant dabei ist aber, daß der Begriff „unmenschlich“ am allerbesten auf das Verhalten des allerbösesten Bösewichts, also einen Menschen zutrifft: auf John Fitzgerald, dem im Film Tom Hardy das Gesicht für dessen fieses Tun gibt, weshalb wir beim Hören auch dessen Gestalt einfach immer vor uns sehen. Bei der Hauptfigur, bei Hugh Glass liegt das beim Erzähler auf Deutsch schon deshalb nahe, weil Gerrit Schmidt-Foß generell Leonardo DiCaprio in dessen Filmen synchronisiert.
Man kann sehr gut mit der mp3 CD 2 anfangen und dort den Schluß, 89 und 90 starten. Dort wird nämlich der historische Gehalt wiedergegeben, dem dieser Roman zugrundeliegt. Dazu gleich die CD-Hülle aufklappen und die Route mitverfolgen, die Captain Henry und Fitzgerald zurücklegten, die gepunktet dargestellt ist, während der Weg ins Leben von Hugh Glass durch die gestrichelte Linie gekennzeichnet ist, die der wahre Glass in rund 3 000 Meilen durch die unwirtliche gefahrvolle Wildnis der Rocky Mountains zog. Warum es sinnvoll ist, von der Wirklichkeit auszugehen, und von den wahren Personen und was mit ihnen geschah, zu erfahren, hat einfach damit zu tun, daß man dann um so besser erkennt, was zum einen das Buch schon als vorgegebenes Menschenbild uns einprägen will, wozu dann der Film noch als weitere Zwischenebene ästhetische Überhöhungen unternimmt, ja eigentlich die Metaphysik für sich gepachtet hat und jedes Bild, jeder Blick, jedes Phänomen mythisch aufgeladen immer noch mehr bedeuten soll, als wir mit den Augen sehen. Fortsetzung folgt
Info:
Michael Punke, Der Totgeglaubte. Eine wahre Geschichte, gelesen von Gerrit Schmidt-Foß, ungekürzte Lesung, 2 mp3-CDs, 532 Minuten, Osterwold audio