Nationale und internationale Preisträger des DEUTSCHEN KRIMI PREIS 2016, Teil 2
Elisabeth Römer
Bochum (Weltexpresso) – Wir haben schon im vorherigen Artikel einen Vergleich des Deutschen Krimipreises mit der JahresBestenListe der ZEIT angestellt. Doch noch ein Wort, warum die Kriminalromane längst die literarischen Aussagen und Analysen über unsere Zeit, über unsere Gesellschaft übernommen haben. In ihnen wird explizit verhandelt, was eigentlich los ist. Die Romane Dostojewskis oder Zolas würden heute überwiegend Kriminalromane genannt.
INTERNATIONAL:
1. Platz: Richard Price: Die Unantastbaren
(The Whites) Deutsch von Miriam Mandelkow (S.Fischer)
2. Platz: Fred Vargas: Das barmherzige Fallbeil
(Temps Glaciaires) Deutsch von Waltraud Schwarze (Limes)
3. Platz: Sara Gran: Dope
(Dope) Deutsch von Eva Bonné (Droemer)
1.Platz: Richard Price: Die Unantastbaren (The Whites)
Deutsch von Miriam Mandelkow (S.Fischer)
Billy Graves ist ein ruheloser Cop in New York City. Energy-Drinks und Zigaretten halten ihn wach, während er in den frühen Morgenstunden die Blocks abfährt. Wie seine vier Kollegen hat auch er einen »Unantastbaren«, einen skrupellosen Mörder, den er nie dingfest machen konnte. Als einer der Unantastbaren tot aufgefunden wird, beginnt Billy, seine engsten Vertrauten zu verdächtigen.
Ein meisterhaft inszenierter, dramatisierter und geschriebenen Polizeiroman. Im Zentrum hunderter Anekdoten und (Lebens-)Geschichten, die in dieser Bullenoper anklingen, steckt Billy Graves, Chef eines kleinen Teams von der Nachtschicht bei der Mordkommission. Dieser Roman hat eine ungeheure Dynamik, grandios, wie Tempo und Dynamik synchron zum Rhythmus der nächtlichen Metropole anziehen, nachlassen, wieder anziehen. Herausragend: Die Dialoge, denen man anmerkt, dass Richard Price nicht nur literarisch schreibt, sondern auch für Film und Fernsehen.
(Ulrich Noller, WDR)
2. Platz: Fred Vargas: Das barmherzige Fallbeil
(Temps Glaciaires)
Deutsch von Waltraud Schwarze
(Limes-Verlag)
Innerhalb weniger Tage werden in Paris die Leichen einer Mathematiklehrerin und eines reichen Schlossherrn entdeckt. Die Ermittlungen führen Kommissar Jean-Baptiste Adamsberg auf die Spuren einer verhängnisvollen Reise nach Island und einer Geheimgesellschaft, die sich Robespierre und der Terrorherrschaft während der Französischen Revolution verschrieben hat.
Fred Vargas ist eine so singuläre Krimiautorin, wie ihr Jean-Baptiste Adamsberg ein seltsamer Ermittler ist. Er wirkt manchmal geradezu verpeilt, sonderbar auf jeden Fall, auch wenn er gerade keine Fliege aus einem Glas Portwein rettet und auf seinem Finger trocknen lässt. Sie, gelernte Archäologin mit Schwerpunkt Archäozoologie, weiß das penibelst Recherchierte mit dem geradezu Märchenhaften zu verbinden. Sie knüpft die größten Unwahrscheinlichkeiten, die wildesten Geschichten zusammen. Sie formuliert das so charmant, ja zauberhaft, dass man ihr als Leser gleichsam aus der Hand frisst.
(Sylvia Staude)
3. Platz: Sara Gran: Dope
(Dope)
Deutsch von Eva Bonné
(Droemer)
New York City, 1950. Josephine (»Joe«) hat es nie leicht gehabt. Eigentlich müsste sie längst tot in irgendeinem Hinterhof liegen, von einer Kugel oder dem Heroin dahingerafft. Doch sie hat noch mal die Kurve gekriegt – und scheint plötzlich Glück zu haben: Ein wohlhabendes Paar bietet Joe 1000 Dollar; sie soll dessen verschwundene Tochter wiederfinden, die offenbar in die Unterwelt des Big Apple abgedriftet ist. Leicht verdientes Geld, denkt Joe. Aber so leicht ist es nun auch wieder nicht: Freund ist von Feind kaum zu unterscheiden, und nicht jede Falle erkennt man gleich ...
Den anscheinend naiven Plot der Spillane und Co. persifliert Sara Gran sarkastisch, in dem sie ihn letztendlich ins Bitterböse dreht. Das ist alles clever, sehr bösartig, witzig und gleichzeitig sehr tragisch-gut gemacht. Virtuos und mit einer salzsäureklaren Haltung zur Welt und zu der Literatur, mit der eine solche Welt konstituiert wird. Groß!
(Thomas Wörtche)
Kommentar:
Hier allerdings ergeben sich rasante Unterschiede zur BestenListe der ZEIT. DIE UNANTASTBAREN von Richard Price sind zwar auch auf der ZEITListe, aber nur auf dem 8. Rang. Das kann aber auch mit dem zeitlichen Unterschied der Erstellung der Listen zusammenhängen. Denn für die Mitte Dezember erschienene Liste aus Hamburg war der Price noch relativ neu, während sich seine Qualität bis Mitte Januar besser herumgesprochen, bzw. gelesen hat.
Über Fred Vargas' DAS BARMHERZIGE FALLBEIL muß man nichts mehr sagen. Das ist einfach ein tolles Buch und hatte darum auch den ersten Platz in der ZEITListe. Schade um Sara Grans DOPE. Ja, jetzt erinnern wir uns wieder, das war ein ganz schräger, spannender Krimi. Warum er auf der Jahresliste der KrimiBestenListe nicht vorkam? Da müßten wir nachfragen. Aber manchmal gehen Bücher, die schon gut liefen, unter. Auf jeden Fall finden wir hier den DEUTSCHEN KRIMIPREIS ein sehr gutes Korrektiv zur JahresBestenListe.
Foto:
Weil die Bücher der ersten Preisträger so oft abgebildet wurden, nehmen wir hier den dritten Preis.
Info:
Der Deutsche Krimi Preis ist nicht dotiert. Eine öffentliche Preisverleihung findet auch
in diesem Jahr nicht statt.
Die Jury:
Volker Albers (Hamburger Abendblatt) / Andreas Ammer (ARD) / Jens Dirksen (WAZ Kultur) / Monika Dobler (Krimibuchhandlung Glatteis, München) / Tobias Gohlis (Die Zeit) / Joachim Feldmann (Kritiker) / Günther Grosser (Kritiker) / Nele Hoffmann (Literaturwissenschaftlerin) / Cornelia Hüppe
(Krimibuchhandlung Miss Marple, Berlin) / Reinhard Jahn (Bochumer Krimiarchiv) / Hermann Kling / Alf Mayer (Kritiker) / Peter Münder (SWR) / Wolfgang Niess (SWR) / Ulrich Noller (WDR) / Michaela Pelz (krimi-forum.de) / Thomas Przybilka (BoKAS) / Kirsten Reimers (Kritikerin) / Robert Schekulin (Buchhändler) / Jan C. Schmidt (kaliber38.de) / Sylvia Staude (Frankfurter Rundschau) / Bettina Thienhaus (Kritikerin) / Thomas Wörtche (Kritiker)
Die Kritiker der Jury stimmen nicht für Titel, an deren Veröffentlichung sie aktiv beteiligt sind.
Info:
Die JahresBestenListe der ZEIT