Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 4. Februar 2016, Robinson Crusoe, Teil 6

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Es gibt literaturwissenschaftlich, auch didaktisch eine Qualifizierung von Texten, die gleichzeitig eine Quantifizierung ist und die man ad usum Delphini nennt. Für die überwiegenden Robinson Crusoe Fassungen kann man dies konstatieren. Es geht also um Kürzungen, aber vor allem Entschärfungen von eventuell peinlichen Inhalten, das was man politisch Zensur nennen täte, pädagogisch aber „gereinigt“.

 

Wir treffen allerorten auf solches Gehabe des ad usum Delphini. Der Begriff ist älter als seine Verwendung in genau der Zeit der Abenteuer des Crusoe und der Niederschrift durch Defoe: Ende des 17. Jahrhunderts. Damals ging es um die antiken Texte, die im Wissensprogramm des Dauphins, des französischen Thronfolgerns vorgesehen waren aber auf den sittlichen und geistigen Stand eines Kindes gebracht wurden. Was dabei verloren geht, ist ersichtlich, aber auch, was gewonnen wird. Denn für Robinson Crusoe kann man feststellen, daß die gesamte Kinder- und Jugendlichenliteratur nur mit einem 'gereinigten' und in der Textmenge und Erlebnisvielfalt gekürzten Helden leben kann. Das aber tut sie kräftig.

 

Zur Rezeption gehören natürlich auch Adaptionen durch Filme hinzu, was sofort in der Stummfilmzeit stattfand. Es gibt einen berühmten russischen Film aus dem Jahr 1946 und sogar Bunuel hat 1954 einen auch kommerziell erfolgreichen Robinson vorgelegt. Das deutsche ZDF hatte mit diesem Stoff den ersten Vierteiler im Jahr 1964 bestritten, den wir gerne wiedersehen möchten, da er Kennern als das gilt, was werktreu sich nennt – selten aber ist. Später, nämlich 1966 hat Walt Disney sich rangewagt, aber nichts gewonnen...wir können nicht alle Filmversionen aufführen, sondern wollen an dieser Stelle nur daraufhinweisen, daß jeder Film, jede neue Erzählung den Stoff für die eigenen Belange nutzte: denn man kann mit den Erfahrungen des Robinson, auch die von Robinson über sich selbst, ganze geistig-seelischen Aufrüstungsprogramme gestalten.

 

Damit das konkreter wird, haben wir im Folgenden einige Hörbücher, Hörspiele und Robinsonversionen für Jugendliche und Kinder in Schriftform uns genauer angeschaut. Denn es ist feststellbar, daß es den eigentlich Robinson Crusoe, so wie ihn Daniel Defoe konzipierte, heute überhaupt nicht mehr gibt. Da ist noch nachbarocke Überfülle vorhanden, was das Lesen heute erschwert, ein Verfahren, was sich in der Musik in Verzierungen widerspiegelt und hier in Geschichten in der Geschichte.

 

Eigentlich war eine echte Rezension mit eingeschmiegter Inhaltsangabe geplant. Aber damit wären wir 2017 noch nicht fertig. Denn das „Original“ hat, wie mit der Überfülle erwähnt, so viele Schiffsbrüche und bietet so viele unglaublichen Ereignisse ab und endet eben nicht mit der Rückkehr nach England, sondern schildert das Weiterleben von Crusoe auch noch, so daß allein die Wiedergabe der hilflosen Jahre von Robinson, wo er auf der Welt herumirrt und den 28 Jahren , die er allein auf der Insel verbringt, ins Unendliche geht. Darum hier jetzt nur eine Kurzfassung und das Eingehen auf den Inhalt erneut bei den Hörbüchern und Hörspielen.

 

Kurzfassung

 

Robinson Crusoe ist das 1632 geborene Kind eines Deutschen aus Bremen namens Kreutzer und seiner englischen Mutter Robinson aus York. Weil die Engländer kein Deutsch können, wird der Name zu Crusoe verhunzt. Der Junge hat Fernweh, der Vater Nahsicht und will den Sohn für das Geschäft, für den Mittelstand interessieren. Und dann beginnt das, was das Buch durchzieht, der Junge trifft immer die falschen Entscheidungen, weiß das schon vorher, tut es dennoch, weil er oft gegen seine Vernunft, aber seinem Trieb gehorchend agiert. Er jedoch überlebt alles und alle. Darin liegt sein Verdienst. Und wie er systematisch, pedantisch und strukturiert sein Inselleben in Gang setzt, das macht ihn zu einem Vorbild für alle, die sich verloren glauben. Und diese Passagen sind es auch, die jeder von uns in seinem kulturellen Gedächtnis gespeichert hat. Um die Details geht es da gar nicht. Robinsons soziale Ader entwickelt sich erst auf der Insel. Zuerst mit dem Schiffshund, die Schiffskatzen laufen eher so mit, zum eigentlichen Gefährten wird Poll, der Papagei, der sprechen lernt. Und dann – aber eigentlich als er die Insel schon zum Überleben präpariert hatte - kommt Freitag hinzu und erst mit einem Gefährten läßt es sich dann auf der Insel aushalten.

 

Typisch, denn dann, wenn es auch ohne geht, kommt die Rettung, ein Schiff, dessen böse Meuterer-Besatzung Robinson mit Hilfe der gekaperten Kapitäns ausspielt und mit Freitag und Papagei nach England zurückkehrt, wo er es nicht lange aushält, wo wir jetzt aber enden. Der Roman von Robinson Crusoe ist also auch die Geschichte einer Läuterung und einer der kleinbürgerlichen Tugenden: Nicht so hoch hinaus, es geht übel aus! Strafverschärfend wird alles dadurch, daß er es selbst erzählt. Fortsetzung folgt.