Serie: NACKT UNTER WÖLFEN. Zum Wiederaufleben des Romans durch die ARD-Ausstrahlung am 1. April 2015 , Teil 4

 

Klaus Hagert

 

Saarbrücken (Weltexpresso) – Der Roman wurde auf die reine Inhaltsangabe beschränkt, die man kennen muß, weil hier Veränderungen zum Fernsehfilm auftraten. Weshalb das Manuskript von Bruno Apitz in den 50er Jahren von verschiedenen DDR Verlagen nicht angenommen wurde, hat mit der Differenziertheit seiner Personenbeschreibungen zu tun, die man politisch gar nicht wollte.

 

Stattdessen war Staatsprogramm,sauber zwischen Kommunisten als den guten Menschen und den anderen als den Bösen zu trennen, weshalb auch der von Apitz verfaßte Schluß in der Erstfassung 1958 verändert wurde. Leider wird über die Veränderungen der verschiedenen Fassungen in der nun vorliegenden erweiternden Neuausgabe nur summarisch auf Seite 577 berichtet, das heißt, es wird methodisch nicht geklärt, wie welche Fassung aussah und worin sie sich unterschieden.

 

Dagegen sind die im Anhang abgedruckten „Sechs Texte über Buchwald von 'Buchenwaldhäftling Nr. 2417“ wahrlich ein Geschenk für den Leser, der so nachempfinden kann, wie Bruno Apitz unmittelbar zeitlich nahe über Buchenwald schrieb, eben auch nicht nur über die letzten Monate, sondern seine Erfahrungen, kulminierend 1938. In der Neuausgabe gibt nun Susanne Hantke unter „Das Dschungelgesetz, unter dem wir alle standen“ ab Seite 515 den Erfolg von NACKT UNTER WÖLFEN und auch die unerzählten Geschichten der Buchenwalder Kommunisten wieder.

 

Das ist packend erzählt, weil hier die Wirklichkeit märchenhaft wurde. Denn die erste Auflage von NACKT UNTER WÖLFEN im Frühsommer 1958 mit 10 000 Exemplaren war im Nu vergriffen und die folgenden Auflagen summierten sich bis Ende 1959 auf 200 000 . „Binnen eines Jahres avancierte der Titel zum sozialistischen Bestseller.“ Was bundesdeutschem Wissen verborgen blieb, daß nämlich am 14. September 1958, also in unmittelbarer zeitlicher Nähe des Erscheinens des Romans, die Nationale Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald eingeweiht wurde. Zentrale Klammer für beides wurde das Kind, das trotz der schwierigsten Bedingungen von politischen, meist kommunistischen Häftlingen gerettet worden war, was auf die Humanität der nachfaschistischen Machthaber in der DDR überlappen sollte.

 

Die damaligen und heutigen Auseinandersetzungen über die Rolle der kommunistischen Häftlinge wollen wir weder wiedergeben, noch bewerten. Das soll man bitte bei der Autorin und vielen anderen nachlesen. Das betrifft auch die geschichtlich korrekte Darstellung der Befreiung von Buchenwald, die weder eine rein kommunistische Erhebung verursachte, aber auch nicht einfach durch US-Soldaten erfolgte, es mußte schon beides zusammenkommen.

 

Spannendes berichtet die Autorin auch über die Diskussionen, die es zu den Verfilmungen gab. Und auch, wie der Roman zu seinem Titel kam, ist das Lesen wert: von DU BIST EIN MENSCH, BEWEISE ES, was der Vorschlag von Apitz war, bis GEBURT AUS DEM TOD oder DAS BÜNDEL LEBEN gab es rasante Vorschläge und schließlich wurde dem Autor das Wahlrecht zum Titel alsNACKT UNTER WÖLFENoder WENN DIE WÖLFE HEULEN zugestanden.

 

Daß man dann noch glaubte, das Buchenwaldkind gefunden zu haben, zeigt, wie das Leben die Erfahrungen und Erfindungen von Büchern noch toppen.1964 gab es ein Zusammentreffen von Apitz mit dem 23jährigen israelischen Staatsbürger Stefan Jerzy Zweig, der mit seinen Vater im KZ Buchenwald befreit wurde. Der Vater bestätigte, daß damals die Kommunisten die Hand über seinen Sohn gehalten hätten, sprich, ihn gerettet hätten. Dabei geht es um den Vorgang, daß der Junge auf einer Todesliste der SS für den Abtransport stand, dann aber mittelseinerFieberspritze transportunfähig gemacht wurde und blieb. Mit Stefan Jerzy Zweig waren dies elf weitere Kinder. Inwieweit diese anderenKinder zum Vergasen verschickt wurden, wird nicht ausgeführt. Auf jeden Fall gab es bei der Befreiung von Buchenwald rund 900 überlebende Kinder.

 

Lesen Sie diese wichitgen Ausführungen, die insbesondere auf die Konflikte innerhalb der Kommunisten im Lager eingehen.

 

Wir kommen zum Fernsehfilm. Nach dem großen Erfolg ihres preisgekrönten TV-Mehrteilers “Unsere Mütter, unsere Väter“ wagten sich Regisseur Philipp Kadelbach und Drehbuchautor Stefan Kolditz erneut an einen Stoff aus der Nazizeit. Die Neuverfilmung des Klassikers von Frank Beyers „Nackt unter Wölfen“ aus 1963 nach Motiven des gleichnamigen Romans von Bruno Apitz über die letzten 14 Tage des Männer-KZ Buchenwald setzt dabei radikale Maßstäbe.

 

Radikale und unbequeme Maßstäbe, die sich gegen den Wunsch vieler richten, „endlich“ vergessen zu dürfen: Tatsächlich wollen laut einer Bertelsmann-Studie 81% der Deutschen die Nazi-Zeit „hinter sich lassen“ und 58% sind sogar dafür „definitiv einen Schlussstrich“ unter dieses höchst grausame Kapitel der deutschen Geschichte zu ziehen.

Angesichts dieser Statistik würden sich die Opfer von Buchenwald wohl in ihren Gräbern umdrehen. Z.B. Hans Eiden. Er war der politische Häftling mit der Nummer 6222 im Arbeits-KZ Buchenwald und von Ende 1944 bis zur Befreiung am 11. April 1945 Lagerältester.

 

 

 

Entideologisierte Menschlichkeit im Mikrokosmos eines KZ im Film

 

 

Das heißt, außer den SS-Offizieren, war Hans Eiden der einflussreichste Mann im Lager. In Kadelbachs Film „Nackt unter Wölfen“, der fast komplett in einem gespenstisch originalgetreu in der Tschechei nachgebauten Lager (in geschrumpfter Form) gedreht wurde, setzt nun Schauspieler Sylvester Groth (“Unsere Mütter, unsere Väter“), dem Widerstandskämpfer Eiden als Figur des Krämer ein würdiges Denkmal, ohne dass Autor Kolditz Realitäten beschönigt hätte.

 

Florian Stetten spielt die Hauptrolle des Hans Pippig, ein junger Mann, der mit seinem Vater – ein überzeugter Sozialist und politischer Aktivist - nach Buchenwald kommt. Hans, der selbst bald Vater werden sollte, hatte die Sozialisten beim Flugblätter-Verteilen unterstützt und wurde mit dem Vater dabei festgenommen. Kaum im Lager wird der Vater von der SS-Hand ermordet und Pippig lernt sich zu arrangieren in der Hierarchie der Sozialisten, die das Lager unter Leitung der SS organisierten.

 

Protegiert wird Hans von André Höfel (Peter Schneider), Kapo und Leiter der Effektenkammer. Heimlich wird im Lager ein Aufstand gegen die militärisch immer stärker in Bedrängnis geratende SS geplant. Die Tage des Dritten Reiches sind gezählt.

 

Sylvester Groth ist der Lagerälteste, der in der Hierarchie den Häftlingen vorsteht. Es war ja ein Lager, das sehr stark auf Selbstorganisation der Häftlinge beruhte. Und diese Häftlinge, die so genannten “Funktions-Häftlinge“, wurden bevorzugt aus der Gruppe der deutschen Kommunisten rekrutiert. Der Lagerälteste ist gegenüber der SSdafür verantwortlich, dass die Abläufe im Lager funktionieren, und gleichzeitig will er die Häftlinge vor der SS schützen.

 

 

INFO:

 

Das Buch

 

Bruno Apitz, Nackt unter Wölfen, erweiterte Neuausgabe auf der Grundlage der Erstausgabe des Mitteldeutschen Verlags Halle (Saale) von 1958, hrsg. von Susanne Hantke und Angela Drescher, Aufbau Verlag 2012

 

 

 

Der Fernsehfilm

 

Originaltitel Nackt unter Wölfen

Produktionsland Deutschland

Originalsprache Deutsch

Erscheinungsjahr 2015

Länge 105 Minuten

Altersfreigabe FSK 12

 

 

Stab

Regie Philipp Kadelbach

Drehbuch Stefan Kolditz

Produktion Nico Hofmann

Benjamin Benedict

Sebastian Werniger

Musik Michael Kadelbach

Kamera Kolja Brandt

Schnitt Bernd Schlegel

 

 

Besetzung

 

Florian Stetter: Hans Pippig

Peter Schneider: André Höfel

Sylvester Groth: Helmut Krämer

Sabin Tambrea: Hermann Reineboth

Robert Gallinowski: Robert Kluttig

Rainer Bock: Alois Schwahl

Rafael Stachowiak: Marian Kropinski

Thorsten Merten: Bochow

Torsten Michaelis: August Rose

Robert Mika: Zacharias Jankowski

Matthias Bundschuh: Gotthold Zweiling

Ulrich Brandhoff: Heinrich Schüpp

Torsten Ranft: Mandrill

Andreas Lust: Förste

Marko Mandić: Leonid Bogorski

Janusz Cichocki: Zidkowski

Max Hegewald: Roman

Leonard Carow: Johann Müller

Robert Hunger-Bühler: Pippigs Vater

Vojta Vomácka: Kleiner Junge