Serie: VOM GLÜCK DES HÖRENS, Teil 8/10
Helmut Marrat
Hamburg (Weltexpresso) - Rudolf Noeltehat auch Fontanes "Effi Briest" inszeniert. Und immer mit einem sorgfältig ausgesuchten Ensemble. Es ging der Ruf, Noelte würde sich notfalls sogar Schauspieler aus dem Altersheim zurückholen, weil ihn die 'alte Schule', diese später nachlassende, jedenfalls sich verändernde Qualität sonst nicht mehr zu bekommen war.
"Effi Briest" ist, wie manche meinen, ein eminent politisches Buch, das auch erst nach dem Sturz Bismarcks (1815 – 1898; gestürzt 1890) fertig geschrieben und veröffentlicht werden konnte. Das ist aber noch in der Forschung. Der Roman jedenfalls dreht sich um die Tochter aus gutem Hause, preußischer Landadel, nämlich Effi v. Briest, die als ganz junges Mädchen fast noch verheiratet wird an einen um einiges älteren Mann, der aber vor allem ein Prinzipienreiter ist.
Er hatte einst Interesse an Effis Mutter gehabt; und Peter v. Matt (*1937) hat sehr schön dargelegt, dass sich der Name dieses Mannes, nämlich Baron v. Instetten, ableiten könnte vom englischen "instead", also "anstatt". Instetten ist also ein Ersatzmann, oder Effi vielmehr die Ersatzbraut. Vielleicht schwatzt die Mutter sie in diese Ehe hinein, damit sie wenigstens auf diese Weise durch ihren verlängerten Arm in den Genuß einer Ehe mit v. Instetten geraten kann. Das ist natürlich spekulativ. Und fixierte Deutungen wären gerade Fontane zuwider gewesen, der meinte, wenn es unumstößliche Wahrheiten gebe, könnten sie nur "langweilig" sein.
Langweilig sind weder der Roman, der allein in Deutschland mindestens 3x verfilmt wurde: 2009 durch Hermine Huntgeburth (*1957); 1974 durch Rainer Werner Fassbinder (1945 – 1982); 1938 durch Gustaf Gründgens (1899 – 1963). Noelte erreicht ein dichtes Gewebe. Seine Welt lebt. Dabei war ich am Anfang mit vielem gar nicht glücklich: Paul Edwin Roth (1918 - 1985) als Erzähler ist nicht schlecht, aber irgendwie reicht er nicht, hat man das Gefühl – und reicht dann doch, gewinnt sogar, man muß sich gewöhnen. Roth spielte in Noeltes erster eigener Regie ("Draußen vor der Tür", Hebbeltheater, 1948) die Hauptrolle.
Vor allem aber fand ich Cordula Trantow (*1942) als Effi viel zu alt schon. Das Junge, Unbeschwerte, ja Übermütige fehlte mir; im schicksalhaften Abstieg dieser Figur aber gewinnt sie stark, so dass man hier nicht von Uxorimus sprechen muß: Denn sie war Noeltes Ehefrau.
Die Erinnerung an den Hör-Eindruck ist stark. Man sieht das Bild einer Pyramide, die spitz von einem ausgehend auf ihre große Basis unerbittlich zuläuft. Diese Base wird durch Martin Held (1908 - 1992) gebildet! Das fällt einem beim Hören zunächst gar nicht so auf. Held ist grandios wie immer. Alles sitzt richtig. 'An seinem Platz' sozusagen. Jeder Satz, jede Pointe trifft. Und gleichzeitig drängt sich Held im Sprechen keineswegs vor, sondern bleibt nachdenklich, sinnend im Hintergrund. Er ist sozusagen die fontaneschste Figur des Hörspiels. Und eine ungeheure Autorität. Bei aller seiner vordergründigen Freundlichkeit. Er ist es eigentlich, der das Gesetz vertritt.
Der um seine Ehre besorgte v. Instetten fällt dagegen nicht ins Gewicht, bleibt blasse Nebenfigur. - Es überrascht nicht, dass gerade dieses Hörspiel eine Art Verkaufsschlager ist. Fortsetzung folgt