Serie: 6. literaTurm wird zum Literaturfestival Frankfurt RheinMain vom 2. bis 13. Mai 2012, Teil 9/ 10


Felicitas Schubert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Überblickt man die Bücher, die auswählt wurden, innerhalb von LAKONIE UNDLEIDENSCHAFT die „Gefühlswelten im zeitgenössischen Roman“ auszuloten, nimmt zum einen – und das ist selbstverständlich – die deutsche Literatur einen großen Raum ein, aber auch zum kleineren Teil England und zum größeren Frankreich.

 

Dagegen fehlen sowohl die skandinavischen Länder, aber auch die Literaturen Spaniens und Italiens sind nicht vorhanden und die Tschechei, Polen, Rußland fehlen grundsätzlich. Das ist keine Kritik, denn sicher gibt es sehr viel mehr Romane zur Auswahl, als die jetzt schon 47 Veranstaltungen aufweisen. Dennoch merken wir gegen Ende des Festivals, daß wir gerne mehr über die einzelnen Literaturen und ihre Themen, die sie abhandeln, wissen wollen.

Zurück zum Freitag, 11 Mai. Auf Leila Marouane, die DAS SEXLEBEN EINES ISLAMISTEN IN PARIS vorlegt, erschienen im Nautilus Verlag, darf man sich um 18.30 Uhr im OpernTurm sicher freuen. Das Buch liest sich wie von selbst, weil es einem einerseits Einblicke in Leben gibt, die man zu kennen glaubt, andererseits aber zutiefst erschüttert ist, wie es denn doch dort zugeht. Auch wenn man diesem Basile, der ja eigentlich Mohamed heißt, nicht zu nahe kommen möchte, schließlich sucht er ja dringend eine Frau, die ihn - den Emporkömmling mit dem dicken Portemonnaie aus dem Maghreb, der noch bei der Mutter in der ärmlichen Vorstadt lebt und sich extra einen französischen Namen zulegte und die Haare glättet, - nun endlich von seiner Jungfernschaft befreit.

In der Phantasie des Aufsteigers spielt diese Entjungferung und die dann folgenden Sexeskapaden eine große Rolle, allein seine Versuche, eine Frau, die nicht sein Herkommen hat, also nicht aus dem Maghreb stammt, kennenzulernen, weil er immer wieder sich solche rausfischt und seine Versuche, sich von der Mutter zu emanzipieren, deren „mein Augenstern“ er nun mal ist, enden erst einmal immer an seiner inneren Konstitution, die ihm die Mama doch recht fest in die Seele geschrieben hat. Und schließlich wird alles ganz anders, denn nun muß er seine Mutter vor dem Unbill der westlichen Lebensart retten und sei es auch, indem er selber praktizierender Muslim, ja Islamist wird.

Ebenfalls am Freitag, 11. Mai um 19 Uhr werden im Schauspiel Frankfurt DIE ORDNUNG DER GEFÜHLE eine Rolle spielen.Ute Frevert, Eva Geulen, Katja Lange-Müller, Hartmut Böhme und Hubert Winkels werden als Experten aus Theorie und Praxis zum Schwerpunktthema des Festivals das Ihre beitragen, was Ina Hartwig, Literaturkritikerin moderieren wird. Hier soll auch die Verbindung gezogen werden mit thematisch gleichen Ansätzen in Ausstellungen, wie derzeit im Hygienemuseum in Dresden, das LEIDENSCHAFTEN zeigt, wobei in dieser die Texte eine immanent wichtige Rolle spielen, was nun in dieser Diskussion gespiegelt wird. Die Frage stellt sich auch nach den literarischen Techniken, die verwendet werden, um sich „in das Archiv der Gefühle“ einzuschreiben.

Katja Lange-Müller ist die einzige Autorin in dieser Runde, weshalb wir ihren zuletzt erschienenen Roman hier anführen. Die Autorin hat sich mit BÖSE SCHAFE aus dem Verlag Kiepenheuer & Witsch die Schreibmotivation ihrer eigenen Heldin Soja zu nutze gemacht, die eine gute Ausgangssituation für den Leser ist. Es hatte nämlich Harrry in seinen - in ein Schulheft mit undatierten - Einträgen insgesamt 89 Sätze geschrieben, die darum kreisen, was ihn in den Jahren an Sojas Seite beschäftigte. Das Besondere: die Gefährtin Soja kommt darin nicht vor. Die fühlt die Leerstellen und füllt sie mit der gemeinsamen Geschichte des Paares aus. Wir erleben eine Liebesgeschichte, in der eine unglückliche Liebe das größte Glück im Leben wird.

Abdellah Taia wird mit DER TAG DES KÖNIGS, erschienen bei Suhrkamp, am Freitag, 11. Mai um 20 Uhr im OpernTurm auf seinen Moderator Ruthard Stäblein von hr2-kultur treffen. Sein Roman ist ein Buch, das uns vermittelt durch zwei Kinder mit dem Leben in eine dichotomischen Gesellschaft konfrontiert, wobei das Tröstliche ist, daß Kinder und Jugendliche diese Situation überwinden können. Der reiche Khalid, der feingliedrige Junge, wird von Omar aus der armen Vorstadt bewundert, aber dieser sieht in Omar sein eigentliches Vorbild, da er mit 14 Jahren schon der Vater seines Vaters sein muß und dies vermag.

Der marokkanische Autor läßt uns die Idylle nicht, sondern beschreibt, was passiert, als Khalid ausgesucht wird, die Hand Hassans II., König von Marokko, stellvertretend für die anderen zu küssen, als dieser auf der Straße von Rabat nach Salé erwartet wird. Abdellah Taia wurde 1973 in Rabat geboren und lebt seit 1999 in Paris, wo er schreibt und mit seinen Büchern sehr erfolgreich und preisgekrönt ist.

Schließlich kommt am Freitag auch Ulla Lenze, aber nach Hochheim am Main, Domdechant Wernersches Weingut. Sie liest aus DER KLEINE REST DES TODES, Frankfurter Verlagsanstalt, und mit ihr wird Ruth Fühner, ebenfalls hr2-kultur ein Gespräch führen. Ulla Lenze hatte im Jahr 2003 ihren Debütroman „Schwester und Bruder“veröffentlicht. Ihr 'kleiner' Roman von 156 Seiten folgt seiner eigenen Poetologie. Es ist Verlust und wie man mit diesem umgeht, was von der ersten Seite an berührt. Der Vater ist bei einem Flugzeugabsturz umgekommen. Was das Zufall? Was war die wirkliche Ursache.


Letzten Endes ist das ganze Buch eine Reise zu sich selbst. Was übrig bleibt von einem, wenn man die Grundsicherheit im Leben verloren hat und weiß, daß es nie wieder 'normal' werden wird. „Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen“, hatte das kraftstrotzende Barock zu dieser, seiner anderen dunklen Seite gesagt. Und so sagt es auch Ulla Lenze.



Der Weltexpresso wird kontinuierlich über alle Veranstaltungen berichten.

Unter www.literaturm.de sind alle Informationen zu Veranstaltungen und Teilnehmenden abrufbar.