Serie: 6. literaTurm wird zum Literaturfestival Frankfurt RheinMain vom 2. bis 13. Mai 2012, Teil 10/ 10
Felicitas Schubert und Klaus Hagert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Es ist vollbracht, stöhnte am Sonntagabend so mancher, der sich voll in dieses Literaturfestival geworfen hatte. Und damit sind nicht die Verantwortlichen im Kulturamt gemeint, von denen wir uns gut vorstellen können, daß sie auch tief auf- und durchatmen, sondern wir meinen die nicht kleine Anzahl von Besuchern, eher müßte man von Teilnehmern sprechen, die so viele Veranstaltungen wie möglich aufsuchten, vorher oder nachher die Bücher gelesen hatten und nun reicher sind als vorher. An Erfahrungen nämlich.
Am Sonntagabend, dem 13. Mai also ging literaTurm, das Literaturfestival FrankfurtRheinMain zu Ende. Es war zwar das 6. insgesamt, in Wirklichkeit jedoch das erste, das mit einem inhaltlichen Schwerpunkt versehen, sich zeitlich und räumlich weithin ausgedehnt hatte. Auf den 47 Veranstaltungen sind fast 100 Mitwirkende aufgetreten, hauptsächlich in Frankfurt, in der Regel im OpernTurm, in Darmstadt, Hochheim, Hofheim, Bad Homburg, Kronberg und Wiesbaden. Und rund 7000 Zuschauer waren dabei.
Wie wichtig die finanzielle Unterstützung seitens des Kulturfonds FrankfurtRheinMain war, hat vor allem das Frankfurter Umland erlebt. Denn die Beteiligung der Region wurde so gesichert, weil der Hochtaunuskreis und der Main-Taunus-Kreis sowie Darmstadt neben Frankfurt dort Mitglied sind und die jährlich zwei Euro pro Einwohner einzahlen, was zusammen ein schönes Sümmchen macht. Auf Wiesbaden warten alle genauso wie auf Hanau und die umliegenden Landkreise auch. Dann könnte man in der Kulturregion FrankfurtRheinMain wirklich klotzen.
So herrscht erst einmal aber Freude über das Erreichte. Und auch Freude, wie problemlos die Einbeziehung der sicherheitsorientierten internationalen Kanzleien im OpernTurm von statten ging. Und wie attraktiv neue Räumlichkeiten im Umland waren und wahrgenommen wurden. Im Nachhinein war das schon ein stolzer Schritt, von fünf Tagen auf zwölf Tage zu gehen und unter einem Motto so unterschiedliche Bücher zu versammeln, deren Gemeinsamkeit schließlich nur im Anteil der Gefühle, die in ihnen thematisiert werden, liegen. Und seien wir ehrlich: über Gefühle reden und schreiben alle. Nicht umsonst gibt es das neue geflügelte Wort: vom gefühlten Wetter, der gefühlten Stimmung, der gefühlten Niederlage usw.
Darum wird auch umgekehrt der Schuh daraus. Galt früher das Gefühlsleben als unterentwickelt, wenn man nicht darüber sprach, gilt heute in den Zeiten von Internet und Facebook und einer ellenlangen Liste von angeblichen Freunden, das geschwätzige Fühlen fast schon als das Gegenteil vom anteilnehmenden Umgang mit Gefühlen, den Gefühlen der anderen und den eigenen. Die Diktatur der Gefühle sind in Werbung, Medien wie Film und Fernsehen omnipräsent und werden auch in der Politik von Wählern eingefordert.
Hier aber ging es um die literarische Darstellung von Gefühlen, über die man nach dem Literaturfestival nur sagen kann, daß sie vielfältig und mehrdimensional sind. „Aus vielen Gesprächen mit den Autoren klang ein großes Vertrauen in die Literatur als demjenigen Medium, das heute als Speicher der Gefühlswelten wichtiger ist denn je. Je mehr die Gefühle im Film und Fernsehen verflachen, desto wichtiger wird die Literatur als Medium, das ihre Ambivalenzen, Nuancen und Differenzen vermittelt.“ Wobei den Zuhörern interessant wurde, wie die einzelnen deutschen und internationalen Autoren sich und ihren Roman im Spektrum der zeitgenössischen Literatur einordneten und welche Haltung sie selber zu literarisierten Gefühlen einnahmen.
Für den Kulturdezernenten der Stadt, der am 2. Mai das Festival im Römer eröffnet hatte – vergleiche unseren ersten Bericht – haben sich angesichts der konzentrierten Gespräche zu dem Thema des Festivals und der so zahlreichen Besucher der Ruf der Stadt Frankfurt sowie der Region als literarisches Zentrum auch außerhalb der Buchmessenzeit bestätigt: „Es erfüllt mich mit Freude und Stolz, zu sehen, daß es in Frankfurt und der Region ein Publikum auch für anspruchsvolle Literaturveranstaltungen gibt. Mehr noch habe ich den Eindruck, daß die Menschen hier nicht unter Niveau unterhalten werden wollen“. Freuen wir uns auf den nächsten Mai.
Nachtrag: Auch die Redaktion war mit verschiedenen Kollegen im Festival involviert. Deshalb ertönte Tage über immer wieder lautstark der Roman von Olga Grjasnowa, als Hörbuch gelesen von Julia Nachtmann und erschienen im HörbuchHamburg. Manche haben ihn so mehrfach gehört, aber es wurde ihnen nicht zu viel, weil man denjenigen, die Teile verpaßten, den Anschluß geben wollte. Hierbei geht es um Mascha, diese höchst eigenwillige junge Frau, die alles auf einmal ist und nichts ausschließlich. Er gefiel der Redaktion von den vorgestellten Büchern am besten. Verblüfft waren wir ob des Schlusses, denn auf einmal ist es aus, das Buch, aber das gehört eben auch zum Leben, daß man sich seinen eigenen Reim macht auf das Leben der anderen, das in Wort und Ton unsere Gedanken und Gefühle beschäftigt, das Hirn und das Herz so ein ganzes Festival durch. Redaktionswunsch ist es, daß Julia Nachtmann für ihre spröde, dunkelsamtige Lesung besonders herausgehoben wird. Hiermit geschehen.
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