Carlo Strenger, Das Leben in der globalisierten Welt sinnvoll gestalten, Psychosozial-Verlag, Teil 2/4

 

Thomas Adamczak

 

Wiesbaden (Weltexpresso) – Für einen solchen Vorsatz, den Michael Jordan vollmundig ausspricht, braucht es Risikobereitschaft. Das sagt der Videotext nicht, das aber muss das neoliberale Selbst schmerzhaft lernen. (siehe dazu: Philip Mirowski, Untote leben länger, Berlin 2015).

Die Devise lautet demnach: »Just do it«.

Auf, los! Nur Mut!

 

Was will Nike? Natürlich zum Kauf verführen. Nike verspricht mit seiner Werbung, das Geheimnis der Selbstoptimierung lüften zu können.

Kaufe dieses Produkt, kaufe jenes usw. und du wirst den Zauber der Selbstverwandlung an dir selbst erfahren!

 

Carlo Strenger versteht sich, wie erwähnt, als Vertreter der EEP (Experimentelle existenzielle Psychologie). Die EEP verkörpert ein Forschungsparadigma, das sich im Rahmen der Sozialpsychologie und der Motivation-und der Persönlichkeitstheorie entwickelt hat und auf Ernest Beckers Ideen gründet.

 

Ernest Becker hat sich intensiv mit der zentralen Bedeutung des Todes und der Überwindung der Todesfurcht beschäftigt. Die zentrale These der Experimentellen existenziellen Psychologie lautet, nur ein Geschöpf, das wisse, dass seine Zeit begrenzt sei, könne die Frage stellen: »Lebe ich ein lebenswertes Leben?«

 

Strenger führt aus, dass es für die existenzielle Psychologie »im Wesentlichen drei Wege gibt, die uns helfen, uns gegen das Entsetzen zu wappnen, dass wir angesichts des Todes empfinden: zum einen die Bindung an Menschen, die für uns bedeutsam sind - Ehepartner, Familie und nahe Freunde; zum anderen die Stärkung unserer Selbstachtung; und schließlich das Festhalten an einer Kultur und einer Weltanschauung, die unserem Leben einen Sinn geben.«

 

Der Autor geht auf Möglichkeiten der Stärkung der Selbstachtung ein. Die jeweilige existenzielle Problematik, die unser Leben bestimme, könne nicht gelöst werden im Sinne der Lösung einer Gleichung, sondern wir können uns lediglich in einem mühsamen und schmerzhaften Prozess um einen konstruktiven Umgang mit dieser existenziellen Problematik bemühen.

 

Bei seinen Überlegungen zur Stärkung der Selbstachtung hat Strenger wohl primär die globalisierte, kreative Schicht im Sinn und weniger die Millionen Flüchtlinge bzw. das weltweite Prekariat. Anhand dieser Personengruppe zu erläutern, was er unter »reflektierendem Individualismus« versteht, für den er plädiert, dürfte aufschlussreich sein.

 

Im III. Teil des Buches thematisiert Strenger die geistigen und emotionalen Fähigkeiten eines potentiellen Weltbürgers, die benötigt würden, um in der globalisierten, vernetzten Welt verantwortlich leben zu können. Strenger geht in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung von Weltanschauungen ein. Weltanschauungen, er unterscheidet zwischen offenen und geschlossenen, haben aus der Perspektive der existenziellen Psychologie die wichtige Funktion, Todesangst abzuwehren, wobei Religionen gegenüber den säkularen Bedeutungssystemen für die Mehrzahl der Menschen einen deutlichen Vorsprung hätten.

 

Erstaunen lässt das Zahlenmaterial, das Strenger ausbreitet.

Neuere Untersuchungen besagen, dass etwa 85 % der Weltbevölkerung religiös sind. Zum Christentum zählen zwei Milliarden, zum Islam 1,5 Milliarden, zum Hinduismus etwa neunhundert Millionen und zum Buddhismus ca. 375 Millionen. Diese vier Religionen machen mehr als 70 % der Weltbevölkerung aus. 12-15% sind Atheisten bzw. Agnostiker. Fortsetzung folgt

 

Info:

 

Carlo Strenger: Die Angst vor der Bedeutungslosigkeit, Das Leben in der globalisierten Welt sinnvoll gestalten; in: Psychosozial-Verlag, Buchreihe: Psyche und Gesellschaft, Gießen 2016

 

Psychosozial-Verlag, Walltorstr. 10, 35390 Gießen, Tel.: 06 41 - 96 99 78 0, Fax: 06 41 - 96 99 78 19; E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

Philip Mirowski, Untote leben länger, Berlin 2015, Matthes & Seitz

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