Serie: Vier Autoren braucht's dazu: Gimber, Martin, Schütz, Walter, Teil 1/2

 

Hans Weißhaar und Helga Faber

 

Mallorca (Weltexpresso) – Gute Idee, auf den Balearen SPANIEN VERSTEHEN zu versuchen, weil gleich das erste der acht Kapitel GRUNDZÜGE SPANISCHER GESCHICHTE heißt und sich die Mallorquiner das endlich einmal durchlesen sollten, die einen unschuldig anschauend sagen, nein, den Bruder von Franco kennen wir nicht, nie gehört, dieser Ramòn Franco aber seit 1937 Kommandant auf Mallorca war und für die Legion Condor im Norden Quartier besorgte.

 

Jutta Schütz unterteilt ihr erstes Kapitel in „Spaniens Größe und Niedergang (1492-1898)“ und „Spanien im 20. Jahrhundert: der schwierige Weg in die Demokratie“ und legt gleich im ersten Satz den Finger in die Wunde, in Spaniens stetem „Ringen zwischen zentralistischen und zentrifugalen Kräften“. Anders als die Deutschen, die es erst 1871 zu einem deutschen Nationalstaat brachten und die bis heute zwar die Zentralgewalt in Form der Bundesregierung, des Bundestages und des Bundespräsidenten in Berlin als Selbstverständlichkeit anerkennen, aber eine gewaltige föderale Kraft in den Ländern bilden, hatten die Spanier mit dem Jahr 1492 die Konstituierung eines Nationalstaates vollzogen, der zum einen erfolgreich die Araber und den Islam und die Juden gleich mit vertrieben hatte und andererseits durch die überseeischen Kolonien den Nationalstaat zu einem Weltstaat machte.

 

Zuvor schon hatten die Katholischen Könige Isabel I. von Kastilien und Fernando II. von Aragón ihre Königtümer zusammengelegt. Die Grundlage des Nationalstaates war aber nicht „das Spanische“, sondern „das Christliche“, weshalb Araber und Juden gehen mußten und weshalb die Neue Welt Ziel der Christianisierung durch Spanien wurde. Aus dieser Ausgangsposition entwickeln sich in Verbindung mit dem Königshaus und der schwierigen Nachbarschaft mit Frankreich die spanischen Geschicke, von Schütz zusammengefaßt und immer wieder auf den Grundkonflikt von Zentrale Madrid und den baskischen und katalanischen Autonomiebestrebungen rückgeführt, die unter Franco mit Gewalt verhindert werden, wobei er derjenige ist, der auch der Katholischen Kirche wieder zu ihrer Staatssymbiose verhilft.Vertieft geht Jutta Schütz dann im Zweiten Kapitel „Verfassung und politische Praxis im heutigen Spanien“ sowohl auf die Institutionen und Parteien wie auch auf die Bedeutung der 'Autonomias' ein.

 

Übersichtlich auch, wie J.M. Rodríguez Martín „Grundzüge der spanischen Wirtschaftsordnung“ im Dritten Kapitel von Seite 80 bis 115 darstellt. Zwei außenpolitische Bereiche werden sodann in eigenen Kapiteln näher untersucht. Das ist – und muß sein – zum einen SPANIEN UND LATEINAMERIKA, wo J. Schütz die Geschichte der Geschichte nacherzählt und analysiert und Arno Gimber SPANIEN UND DEUTSCHLAND im Visier hat. Arno Gimber hat auch das Nachwort verfaßt und unabhängig davon, wie viel ein wacher Deutscher von der Geschichte Spaniens überhaupt weiß, ist doch die Diktatur Francos noch in deren kulturellem Gedächtnis, weshalb es für Deutsche besonders interessant ist, weshalb die Spanier derartige Mühen haben, sich ihrer Geschichte des 20. Jahrhunderts zu nähern, bzw. diese 'aufzuarbeiten'.

 

Dies ist ein sachliches Wort für einen psychologisch höchst komplexen Vorgang, der uns in der Verschiedenartigkeit, wie diese beiden Länder mit ihren geschichtlichen Untaten umgehen, schon immer nicht nur interessierte, sondern geradezu verstörte. Zwar haben auch die Deutschen lange gebraucht, bis sie sich ehrlich und bis heute nicht mehr aufhörend mit dem Nationalsozialismus und dem, was in deutschem Namen geschah, auseinandersetzten, wozu ja erst einmal die Aufklärung über das Geschehen selbst gehört, auf dessen Grundlage individuelle und kollektive Einschätzung und Urteil erst erfolgen können. Davon kann bis heute auch nach dem offiziellen Ende des 'pacto del silencio', dem Schweigegebot über die Vergangenheit nach Francos Tod, ohne den die Nachfolger keinen demokratischen Staat errichten zu können glaubten, keine offensive Rede sein. Zwar erlaubt, ja fordert ja eigentlich das Gesetz über die Memoria Histórica seit 2007 die gesellschaftliche Beteiligung, aber wir kennen dieses kritische Erinnern auch nur aus der spanischen Literatur und den Filmen, als kulturelle Widerspiegelung des Verdrängten. Fortsetzung folgt.

 

P.S. Uns fehlte nur eines durchgehend, nämlich Kurzbiographien der vier Autoren Arno Gimber, Josè Manuel Rodrígues Martín, Jutta Schütz und Klaus Peter Walter

 

Gimber/Rodríguez Martín/Schütz/Walter, Spanien verstehen, Primus Verlag 2012