KrimiZEIT-Bestenliste in ZEIT und NordwestRadio für Oktober 2016, Teil 3
Elisabeth Römer
Hamburg (Weltexpresso) – Höchste Zeit von den neuen Krimis zu schreiben. Auf dieser Liste diesmal vier! Und – das gab es noch nie – wir sind nachgerade stolz, daß wir bei zwei Krimis dies vorher ahnten und beide vorher bestellten und lasen: das sind Arne Dahl mit SIEBEN MINUS EINS und Malla Nunn ZEIT DER FINSTERNIS.
Beide nehmen diesmal die letzten beiden Plätze ein, wahrscheinlich, weil sie noch nicht von allen Jurymitgliedern gelesen wurden. Denn wir sind sicher, daß insbesondere Malla Nunn sehr viel weiter nach oben rutschen wird, weil ihre Südafrikaromane in ihrer politischen Brisanz und ihre lakonischen Darstellung unter die Haut gehen.
Von den vier neuen Krimis, sind drei auf Englisch – Amerika, Australien, Südafrika – und einer auf Schwedisch. Erst einmal zu den beiden anderen neuen, nachdem kurz berichtet ist, daß Eoin McNamee BLAU IST DIE NACHT vom siebten auf den 3. Rang aufstieg, Patrícia Melo und ihr TRÜGERISCHES LICHT den vierten Platz hielten, Iain Levisons GEDANKENJÄGER vom neunten auf den fünften Rang hochrutschte und – wie schon erwähnt – der alte Spitzenreiter DIE HIMMLISCHE TAFEL von Donald Ray Pollock auf den achten Platz fiel.
DES EINEN FREUD von Alan Carter aus der Edition Nautilus rückt auf Rang 6 ein und NACH MIR DIE NACHT von Benjamin Whitmer, Polar Verlag, besetzt aus dem Nichts den siebten Platz. Beides haben wir noch nicht gelesen und geben erst einmal die Worte des Juryvorsitzenden weiter: In seinem zweiten Roman mit Cato Kwong, dem chinesischen Detective Senior Constable, der kein Chinesisch, dafür aber Klavier spielen kann, kehren Autor und Figur an den gemeinsamen Ausgangspunkt zurück. Nicht mehr nach Hopetoun zur Viehpolizei exiliert (siehe Prime Cut 2015), sondern wieder in Amt und erhofften Würden, ermittelt Cato in Fremantle südlich der westaustralischen Metropole Perth. Ein verdeckter Ermittler ist ermordet, ein Psychopath sitzt im Knast auf seinen Geheimnissen, eine Mutter bekommt geheimnisvolle Drohbriefe, und Cato kann niemandem trauen. Bandenkriege und Intrigen: Carters Copnovel veranschaulicht mit bitterem Humor, wie ökonomischer Boom Hand in Hand geht mit Kriminalitätswachstum.
Auch den zweiten neuen Krimi lobt Tobias Gohlis folgendermaßen: Auf der emsigen Trüffelsuche im Noir-Raum hat der kleine Hamburger Polar-Verlag eine spannende Neuentdeckung gemacht. Der amerikanische Autor Benjamin Whitmer, geboren 1972 in Upstate New York, ist ein neues Talent. Sein düsterer Debütroman Pike wurde 2013 in Frankreich für den „Grand Prix de Littérature Policière“ nominiert. Wie dieser spielt auch Nach mir die Nacht im hinterwäldlerischen Background der USA. Katastrophentechniker Patterson Wells hat seinen kleinen Sohn verloren und sucht in Briefen den Toten Frieden. Stattdessen wird er in eine böse Verfolgungsjagd verwickelt, nachdem er die blutig geschlagene und gefesselte Frau seines Kumpels aus der Badewanne befreit hat. Auch in Colorado, wo er sich einer Blockhütte vor der Wald verschließt, gerät er ins Abseits von Drogenschmuggel und Hass zwischen Vätern und Söhnen. Whitmer treibt diesen alten amerikanischen Kampf in restlose Verzweiflung: „Gründe und Rechtfertigungen bedeuten einen Scheißdreck.“
Was Arne Dahl angeht, den schwedischen Erfolgsautor, so hatten wir im September schon über seinen neuen Krimi geschrieben, den er aufwendig mit Lesereisen in Deutschland und Wien verbindet. Diesmal ist sogar Frankfurt am Main dabei! Das liegt aber nur an der Buchmesse, auf der er am Freitag, 21. September wohl sicher auch am Stand von Piper ist. Am Abend wird er im Rahmen von Open Books, Literaturveranstaltungen der Stadt Frankfurt, mit seinem neuen Roman aufwarten. Danach finden von Hamburg über Rostock, Nürnberg, München und Wien – Achtung, die BUCH WIEN! - am 9. November ebenfalls Lesungen statt.
Erst einmal müssen wir zugeben, daß wir bei Arne Dahl nicht objektiv sein können. Wir waren einfach seiner zehnteiligen Serie um die schwedische A-Gruppe hörig, was sich bei der europäischen Polizeieinheit OPCOP noch steigerte, die leider nur in vier Romanen ihren eindrücklichen Niederschlag fand und die übrigens derzeit in Fernsehverfilmungen nächtlich über den Bildschirm huscht, wobei uns völlig unklar ist, um welche Fälle es da geht und ob ein Zusammenhang mit den Büchern besteht.
Es fällt uns also ausgesprochen schwer, uns auf neue Ermittler einzulassen. Das muß man aber, sonst kann man die beiden Bs nicht kennenlernen, weder Blom noch Berger, die im Roman zu einem Ermittlerduo zusammenwachsen. Und, so der Autor, es soll erneut ein Quartett werden, ach nein, so hieß es nur, der Autor präzisierte dann: erst einmal drei Romane. Und dann weitersehen. Aber jetzt zum ersten.
Das Irre ist nämlich, daß Kriminalinspektor Sam Berger seine spätere Kollegin erst einmal verdächtigt. Sie ihn auch? Auf jeden Fall, das ist dann doch eine leise Kritik, geht es wieder ungeheuer blutig zu. Es gibt ja zwei Arten von Grausamkeiten in Kriminalromanen, wo der Leser innehält. Das sind einerseits geschilderte Gewalttaten, wenn ein Mord vor unseren Augen in den Zeilen geschieht und wir alles mitlesen müssen, das ist aber auch, wenn Tatorte geschildert werden und da vor allem das Blut, das hier reichlich verteilt ist. Eigentlich will man das als Leser gar nicht, so viel Blut. Aber man kann das eine nicht ohne das andere haben.
Wieder geht es um tote junge Frauen, die von einem Täter gequält und grauslich ermordet werden. Ein Serientäter – oder was ist hier los? Schauen Sie in der alten Besprechung nach. Fortsetzung folgt.
Die KrimiZEIT-Bestenliste Oktober 2016
INFO:
Die monatlich erscheinende Krimi-Bestenliste existiert seit März 2005, als sie erstmals auf der Leipziger Buchmesse, damals noch als KrimiWelt-Bestenliste vorgestellt wurde. Von März 2011 an wird sie regelmäßig an jedem ersten Donnerstag des Monats in der Wochenzeitung DIE ZEIT als KrimiZEIT-Bestenliste veröffentlicht.
Die KrimiZEIT-Bestenliste September wird am 6. Oktober 2016 in der Wochenzeitung DIE ZEIT, auf ZEITonline unter www.zeit.de/krimizeit-bestenliste und im Nordwestradio veröffentlicht, am Donnerstag, den 6. Oktober 2016 gegen 9.20 live mit Tobias Gohlis und in den Sendungen der „Buchpiloten“, nachzuhören unter
www.radiobremen.de/nordwestradio/serien/krimizeit/bestenliste100.html
Monatlich wählen einundzwanzig auf Kriminalliteratur spezialisierte Literaturkritiker aus Deutschland, Österreich und der Schweiz aus der Masse der Neuerscheinungen die zehn Titel aus, denen sie viele Leser wünschen. Das Beste vom Besten: Immerhin erscheinen übers Jahr verteilt inzwischen über 1800 Kriminalromane auf Deutsch. An jedem ersten Donnerstag im Monat geben Literaturkritiker und Krimispezialisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Kriminalromane bekannt, die ihnen am besten gefallen haben. Sie halten nach dem literarisch interessanten, thematisch ausgefallenen, besonderen Kriminalroman Ausschau. Die besten Zehn werden mit Bibliographie und Kurzbeschreibung hier veröffentlicht.
Die Jury der KrimiZEIT-Bestenliste auf dem aktuellen Stand:
Tobias Gohlis, Kolumnist DIE ZEIT, DeKrPr*, Moderator und Jury- Sprecher der Krimiwelt
Volker Albers, Hamburger Abendblatt, DeKrPr*
Andreas Ammer, „Druckfrisch“, Dlf, BR, DeKrPr*
Gunter Blank, Sonntagszeitung Zürich
Thekla Dannenberg, Perlentaucher
Fritz Göttler, Süddeutsche Zeitung
Michaela Grom, SWR
Hannes Hintermeier, Frankfurter Allgemeine Zeitung
Lore Kleinert, Radio Bremen
Elmar Krekeler, Die Welt
Kolja Mensing, Dradio Kultur
Ulrich Noller, Deutsche Welle, WDR, DeKrPr*
Jan Christian Schmidt, www.Kaliber 38.de, DeKrPr*
Margarete v. Schwarzkopf, Freie Literaturkritikerin
Ingeborg Sperl, Der Standard - Wien
Sylvia Staude, Frankfurter Rundschau, DeKrPr*
Jochen Vogt, NRZ, WAZ
Hendrik Werner, Weser-Kurier
Thomas Wörtche, Plärrer, culturmag, Dradio Kultur, Penser Pulp bei Diaphanes, DeKrPr*
In der Regel kommentieren wir die von der Jury neu plazierten Krimis. Alle weiteren plazierten Krimis der Vormonate entnehmen Sie bitte unseren Krimi-Besprechungen in den vormonatlichen Artikeln, die Sie in der RUBRIK BÜCHER auf dem Titel oder unter dem Autorennamen im Archiv finden.
Das Prozedere der Platzverteilung für die Liste ist ganz einfach. Dreimal darf ein Kritiker aus der Jury einen Roman benennen. Wenn das gut verteilt ist, kann ein Buch einige Monate überwintern, dann hat es nur noch die Chance, in der Jahresbestenliste wieder aufzutauchen, die jeweils Ende Dezember herauskommt und die wir für 2015 hier ebenfalls kommentierten.
http://weltexpresso.tj87.de/index.php?option=com_content&view=article&id=6227:die-jahresbestenliste&catid=78:buecher&Itemid=470