Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 17. November 2016, Teil  2

Claudia Schulmerich   

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Endlich. Endlich wird der einst so populäre und auf jeden Fall immer unter die Haut gehende Autor HANS FALLADA  immer mehr dem Vergessen entrissen. Das ging ja mehreren Personen so, die in der Nachkriegszeit als Name ein Begriff waren und einfach im Wirtschaftswunderland vergessen wurden.


Genau, wir dachten dabei auch an Fritz Bauer, der seit seinem Prozeß, den er als Braunschweiger Generalstaatsanwalt gegen einen Altnazi führte und gewann, in der Bundesrepublik Deutschland von diesen Altnazis gefürchtet und verfolgt wurde.  Und diese waren viel zu viele. Bauer konnte damals erreichen, daß das Dritte Reich im Urteil als Unrechtsstaat bezeichnet wurde und die Witwen des Deutschen Widerstandes endlich Pension erhielten – wie die SS-Witwen übrigens, denn die hatten es übergangslos immer erhalten. Deutschland hat eben eine jüngste Geschichte, über die man noch so viele Bücher schreiben und Filme drehen kann und dennoch gibt es immer noch etwas Neues. Meist Schändliches.

Das war erst recht so unmittelbar nach dem Krieg, als es darum ging, die Schandtaten der Nazis überhaupt erst einmal den überlebenden Deutschen vor Augen zu führen. Fallada, der bürgerlich Rudolf Friedrich Ditzen hieß und aus einer gutbürgerlichen Familie kam, hatte sich nach dem Krieg  Gestapoakten angesehen - ach was, sie sind ihm aus guten Gründen untergeschoben worden -  und in ihnen auch diesen Fall gefunden. Es geht also um ein wirkliches Geschehen. Aus Elise und Otto Hampel der Berliner Wirklichkeit werden im Roman Anna und Otto Quangel, die Furore machten, einfache, mutige Leute, weil sie einfach ohne irgendein Netzwerk aus persönlicher Einschätzung der politischen Situation Deutschlands und Berlins ab 1940 Postkarten in Berlin verteilten, in denen – für die Nazis defätistisch – der Massenmörder Hitler und sein Mördersystem benannt wurden. Gefaßt wurden sie 1942, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Märtyrer also.

Der Roman hat auch deshalb einen besonderen Beigeschmack, weil der Autor den 668 Seiten starken Roman in nur vier Wochen Ende des Jahres 1946 herunterschrieb und schon am 5. Februar 1947 starb. Sein Tod und die Veröffentlichung fallen also in dasselbe Jahr und in nämlicher Reihenfolge. Damals war der Roman ein großer Erfolg und ich erinnere mich noch aus der Kindheit an den Titel, vor allem an den Autor, der mit WER EINMAL AUS DEM BLECHNAPF (1934) ebenfalls einen Roman schrieb, der sich als sehr bildlich gerade einem Kind tief einprägt. Das Besondere an seinem letzten Roman war ja auch, daß man bisher literarisch über die schlimmen Nationalsozialisten immer nur von Emigranten etwas lesen konnte. Kein Wunder. Die Deutschen im Nazireich hatten ja alle irgendwo mitgemacht. Denn hätten sie Widerstand geleistet, wären sie inhaftiert oder besser gleich umgebracht worden. Natürlich muß man dies differenzierter darstellen, aber grundsätzlich ist das eine Erklärung dafür, weshalb Hans Fallada der erste deutsche im Lande gebliebene Schriftsteller war, der über den Widerstand gegen die Nationalsozialisten schrieb.

Das bringt einen sofort zur Frage, wie denn Fallada (1893-1947) das Dritte Reich überstanden hat. Übrigens hat er den Namen Hans Fallada seit seinem ersten veröffentlichten Roman 1920 verwendet, der auch inhaltlich mit dem Namen zu tun hat. Wer Märchen gut kennt, kennt auch DIE GÄNSEMAGD der Gebrüder Grimm, in denen der sprechende Pferdekopf vorkommt und man „O du Falada, da du hangest“ nie wieder vergißt. Hintergrund ist, daß selbst der abgeschlagene Pferdekopf so lange von der Wahrheit spricht, bis endlich die Betrogene zu ihrem Recht kommt. Hier ist es die Prinzessin, aber für Fallada ist es die Ungerechtigkeit der Welt, die er nicht eliminieren kann, aber gegen sie in Beispielen anschreiben schon!

Seit BAUERN, BONZEN und BOMBEN im Jahr 1931 war sein sozialkritischer Ton nicht mehr zu überhören und mit KLEINER MANN – WAS NUN? schrieb er sich geradezu in die Herzen dieser kleinen Männer und Frauen ein. Und WOLF UNTER WÖLFEN soll sogar Goebbels gefallen haben. Dieser Roman spielt 1923, wurde aber erst im Nazireich geschrieben und 1937 veröffentlicht. Über die Person des Autors dagegen ist heute wenig bekannt. Sie ist derart schillernd, ja geradezu tragisch in ihrem Suchtverhalten (Alkohol und Morphium) und ihren echten Verbrechen (Unterschlagung, Diebstahl, Gewalt), das man sich eigentlich fragt, weshalb noch kein Film über Hans Fallada gedreht wurde, das, was man heute Biopic nennt und was Filmbiographie bedeuten soll.

Zurück zum Roman, der in Deutschland vergessen war, aber zur Backlist des Aufbau Verlages gehört. Und da kam, das ist nicht selten, der Ruf von außen. Es gab nämlich ab 2002 eine Übersetzung ins Englische, der Übersetzungen in andere Sprachen folgten, weil  der gekürzte Roman solch geschäftlicher Erfolg wurde. Dabei gab es die Rückkoppelung nach Deutschland, wo dann im Aufbau Verlag eine neue Taschenbuchreihe aufgelegt wurde, in der philologisch höchste bedeutsam, die Falladaschen Originalfassungen verwendet wurden, denn auch im Nachkriegsdeutschland war gekürzt worden. Seitdem wird Fallada wieder eine literarische Größe, der wie gesagt ein genaueres Wissen um das schwierige Leben des Schriftstellers noch fehlt.


Info:
Der Roman: Hans Fallada, Jeder stirbt für sich allein,  Aufbau Taschenbuch Verlag 2011, 9. Auflage 2015

Film: www.x-verleih.de