Bad Vilbel Baume Fallen opt 2017Gipfel der Inkompetenz: alte Bäume niederlegen, weil sie einem Hotelbau weichen sollen

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – In frömmeren Zeiten hätten Sie vielleicht dem Heiland gedient, die leitenden Herren der Bad Vilbeler CDU, mit Klaus Minkel (Stadtrat) und Thomas Stöhr (Bürgermeister), jetzt ist das Bedienen der Investoren angesagt. Das trifft das besorgte Gemeinwesen Bad Vilbels im Nerv. Vielerorts werden Städte und Gemeinden von der neureligiös ökonomisierten Denke angegangen, leider ohne genug Gegenwehr.


Ein Teil des alten Kurparks von Bad Vilbel soll dran glauben, alte Rosskastanien (denen ihr Alter vorgeworfen wird) und Sumpfzypressen, Kiefern, Birken – Bäume, deren Pflanzung aus den Ideen der Erfindung der Landschaft früherer Jahrhunderte inspiriert wurde, sollen fallen. Hierzu ein koinzident aktueller Vortrag: ‚Vom Wandel der Wahrnehmung in der Naturästhetik des 18. Jahrhunderts‘ von Prof. Dr. Gotthard Frühsorge, tele-akademie, 3sat, 21.01.2018, 6.30 Uhr. Alte Bäume im Vilbeler Kurpark sollen einem Hotelbau Platz machen.

Im Vorbeikommen mit dem Fahrrad an besagter Stelle des Parks schoss immer schon mal der Gedanke durch den Kopf: wann schlagen die Polit-Kerls Bad Vilbels in diesem so erhebenden, Augenblicke der Rast bietenden Park wohl zu? Auch etwas abgelegene altehrwürdige Bereiche, die nicht den ganz großen Eindruck schinden, die braucht ein Ort - der unter Investorendruck steht -, damit das Auge auf ihnen ruhen kann.

Ein Schock begab sich schon, als der Spielplatz an der Kasseler Straße/Ecke Parkstraße (etwas ab der Nidda) vor einigen Jahren beseitigt wurde; es war eine Volte gegen die Kinder; anstelle trat ein Parkplatz für die Schwerkarossen und Dreckschleudern (wie man jetzt weiß), die die Städte und Landschaften zerstören. Ins Zentrum von Bad Vilbel mit dem Auto fahren kann sich eigentlich einer sparen. An der oberen Frankfurter Straße wurde vor Jahren ein postmodern verfehlter Architekturmüll hingeklotzt, der eigentlich einer Architektur Platz machen müsste, die das Auge nicht mehr beleidigt. Auch damals waren schon Fehlgriff und Fehlleistung angesagt, mit kultureller Ignoranz gepaart.

Das Bad Vilbeler Parlament lehnt eine Bürgerversammlung zum Projekt ab

Studentinnen und Studenten der Architektur in Darmstadt waren eingeladen, engagierte Entwürfe für das Gelände am Kurhaus zu entwickeln. Diese sollten in einen Wettbewerb eingehen, den die Stiftung ‚Städte für Menschen‘ des ehemaligen Vilbeler Stadtrats Rüdiger Wiecher ausgelobt hatte. Ergebnisse der studentischen Arbeiten waren vor einigen Monaten im Rathaus-Foyer zu sehen.

Wenn auch die studentischen Arbeiten den Architekten zur Kenntnis kamen, so ist am Entscheidungsfindungsvorgang doch nachzuvollziehen, dass die Abschlussarbeiten der TU Darmstadt abgetan wurden, um den investorenfreundlich gestimmten Architekturbüros das „Jahrhundertprojekt“ zuzuschieben. Diese Entwürfe sind nun im Rathaus auch ausgestellt, die Entscheidung zugunsten des Stuttgarter Büros Vielmo ist bereits gefallen.

Das Projekt ist überdimensioniert

Direkt am Kurhaus soll ein neuer Komplex mit Orangerie, Stadthalle und Hotel - dieses am besagten Randbezirk mit den alten Bäumen gegen die Kasseler Straße gerichtet - entstehen. Das alte und lang vernachlässigte Hallenbad wird durch ein Therme-Projekt unter dem Schlagwort Kombi-Bad - auch als Megaprojekt bezeichnet - des Investors Josef Wund an anderer Stelle ersetzt. Da diesem eine Eventfunktion zukommt, braucht es einen weiteren Platz für ein zusätzliches Hotel, das an den besagten Rand des Parks gesetzt werden soll.

Die Partei der Grünen möchte, dass das Haupthotel am Platz des kommenden Bads höher gebaut werde, um die Flächenversiegelung im Park zu vermeiden. Die Grünen waren als Bürgerrechtspartei für die Einberufung einer Bürgerversammlung, die von der schwarz-gelben Koalition aber abgelehnt wurde. Laut Stadtrat Klaus Minkel müssten höchstens 20 Bäume für das Hotel fallen, die Grünen haben jedoch 63 Bäume gezählt, die gefällt würden. Viel Flora und Fauna mit wertvollen Bäumen, geschützten Tierarten wie Fledermaus und Brutvögel, aber auch mikroorganische Lebewesen, die der projekteverliebte Bürger gar nicht mit bloßen Auge erkennen kann und will, würden geopfert.

Angeblich, so sagen die Macher, muss in Anbetracht des Umfangs der Eingriffe der Regionale Flächennutzungsplan gar nicht geändert werden, weil der Anteil der versiegelten Fläche um weniger als 20 Prozent steige. Dieser Ansicht halten die Grünen entgegen, dass der Kurpark West eine öffentliche Grün- und Parkanlage sei, die dem Gemeinwesen in seiner Ganzheit erhalten bleiben solle.

Bad Vilbel hat ein Demokratieproblem

Auch wenn die Partei der Grünen sich nicht mit dem demokratiegemäßen Vorschlag einer Bürgerversammlung durchsetzen konnte: der Magistrat soll nun wenigstens „in regelmäßigen Abständen“, wie es offiziell heißt, zu Informationsveranstaltungen einladen, in denen über neueste Bauentwicklungsstände berichtet werde. Anregungen dürfen dann getätigt werden.

Das alte Kurhaus wird wohl, so ist zu hoffen, ohne modernisierende, d.h. verschandelnde Eingriffe saniert. Es ist ein schlicht gehaltenes Schmuckstück seiner Zeit. Über eine gläserne Orangerie soll es mit der neu zu erstellenden Stadthalle verbunden werden. Altes Kurmittelhaus und altes Hallenbad entfallen in diesem Bezirk.

Ein übler Eingriff in den Kurpark, der wahrlich keine große Fläche einnimmt, wäre das Tagungshotel mit 180 Zimmern, mit denen die geplante Eventzone außerhalb des Parks, wie angesprochen, bedient werden soll. Es fragt sich, ob das dem noch relativ beschaulichen Ort Bad Vilbel angemessen wäre. Wenigstens soll der „City-Parkplatz“ zugunsten einer Tiefgarage entfallen. Das würde ‚natürlicherweise‘ aber auch viel mehr an Autoverkehr anziehen, was am Ort, vor allem mit der Hauptstraße, ohnehin schon das große Problem ist.

Das Tagungshotel käme einem Missbrauch des Parks gleich

Die geplanten Baulichkeiten sprengen die Dimension des Ortes und unterminieren sein kleinstädtisches Gepräge. Das „Mega-Bad“ ist auch mit einem wirtschaftlichen Risiko verbunden, denn es kann sein, dass es nicht so läuft wie gedacht. „Wenn erst mal losgelegt wird, sind Preissteigerungen garantiert. Wo der Investor damit am Ende landet, will man sich gar nicht ausmalen.“ (Gießener Allgemeine, 22.12.2017) Die vormals errichtete Plattform über die Nidda im Zentrum sprengte auch schon die beschauliche Dimension des Ortes. Nun zeigt sich aber: das kleine Fachwerkhaus, das man unbedingt weghaben wollte, ist an seiner Stelle genau richtig. Es ist ein herzergreifendes Schmuckstück, ein willkommener Blickfang für das Auge.

Braucht es denn immer noch mehr Tagungshotels für prestigeartige Events, bei denen eine Menge an Sermon abgesondert wird, um sich nachher bespeisen zu lassen und sich zu vergnügen, auf Kosten einer altehrwürdigen Parkanlage? Gibt es das nicht alles schon fast überall bis zum Überdruss? Man kann an der Sache ablesen, wie das gestresste Arbeitsleben und das recht einfache Vergnügen miteinander in Korrespondenz stehen. Wenn dies nun schon sein muss, sollte wenigstens der Bad Vilbeler Kurpark von diesen überspannten Kompensationsanstrengungen verschont bleiben. Die Verantwortlichen der Stadt Bad Vilbel haben sich auf den Weg in eine Vergnügungsmaschinerie gemacht.

Foto: © Heinz Markert