50 Jahre U-Bahn in Frankfurt: Jubiläums-Fahrt, Festakt und Ausstellung-Eröffnung auf der Hauptwache, Teil 2/2
Cordula Passow
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Am 4. Oktober 1968 fuhr der erste U-Bahnzug pünktlich um 11 Uhr in die damals noch brandneue U-Bahnstation Hauptwache ein. Stadtrat Walter Möller, der fünf Jahre zuvor auch die Dampframme in Bewegung gesetzt hatte, mit deren Arbeit an der Miquelallee der U-Bahnbau begann, saß wie oben geschildert am Befehlsgeber des Wagens 303 und durchbrach die eigens angefertigte Papierwand. Genau dieser Wagen, eine Bahn des legendären Frankfurter Typs „U2“, der lange das Rückgrat des hiesigen Nahverkehrs gebildet hat, wird Bestandteil der Fahrzeugschau am 6. und 7. Oktober im Betriebshof Heddernheim sein.
Die erste U-Bahnstrecke – daher noch heute „A-Strecke“ genannt – führte über neun Kilometer von der Hauptwache bis in die Nordweststadt, heute Nordwestzentrum. Rund vier Kilometer lang war der Tunnel, in dem die unterirdischen Stationen Hauptwache, Eschenheimer Tor, Grüneburgweg, Holzhausenstraße und Miquel-/Adickesallee lagen. Hinter dem Alleenring gelangte die Strecke über eine Rampe an die Oberfläche und wurde von dort in der Mitte der Eschersheimer Landstraße nach Norden geführt. Die weiteren Stationen waren und sind „Dornbusch, Fritz-Tarnow-Straße, Hügelstraße, Lindenbaum, Weißer Stein, Heddernheim, Zeilweg, Heddernheimer Landstraße sowie Nordweststadt, diese wiederum als unterirdische Anlage unter dem neuen Nordwestzentrum gebaut.
Frankfurt war nach Berlin und Hamburg die dritte deutsche Stadt – und die 35. in der Welt –, die eine U-Bahn bekam. Wobei das hiesige System streng genommen keine U-Bahn, sondern eine Stadtbahn ist, die auf innerstädtischen Strecken unterirdisch verläuft, die sich oberirdisch aber Abschnitte mit Fußgängern und dem Autoverkehr teilen muss. Das „U“ für „Unabhängig“ traf in Frankfurt lange Zeit nur auf die Linie U4 zwischen Bockenheimer Warte und Seckbacher Landstraße zu, bis sie im Juni 2008 zunächst bis Schäfflestraße und im Dezember desselben Jahres bis Enkheim verlängert wurde.
Vom Beschluss zum Betrieb
Im Jahr 1961 fiel der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung, Frankfurts immer gravierender werdendes Verkehrsproblem mit einer U-Bahn zu lösen. Schon ein Jahr später wurde das komplizierte und zum Teil mehr als 100 Jahre alte Geflecht aus Kabeln, Röhren und Kanälen, das unter der Oberfläche jeder modernen Großstadt liegt, für den U-Bahnbau vorbereitet, also an die Seiten verlegt.
Am 28. Juni 1963, einem regnerischen Freitagmorgen, setzte Stadtrat Möller um 11 Uhr 47 an der Adickesallee die Ramme in Bewegung – eine Art Spatenstich für den U-Bahnbau –, fünf Jahre später fuhr die erste U-Bahn. Stadtrat Möller hatte zum besonderen Anlass eher lakonische Worte gefunden: „Ab heute wird also in Frankfurt eine U-Bahn gebaut.“ So zitiert ihn jedenfalls die FAZ einen Tag später. Und der Chronist fährt fort: „Jetzt dröhnt die Erde, hämmert die Ramme wie eine mittelkalibrige Schnellfeuerkanone und verbreitet beißenden Schwefeldampf. Die musizierenden Straßenbahner bemühen sich eine Zeitlang mit ihren Instrumenten akustisch mitzuhalten, aber sie sind überfordert... Dann flüchten die geladenen Gäste vor dem Regen zum kalten Büffet in den nahen Saal des Hauses Dornbusch.“
Der Bau der ersten vier Kilometer Tunnelstrecke war für alle eine veritable Belastung, besonders für die Anwohner, aber auch die Geschäftsleute der anrainenden Gebiete. In der Innenstadt wurde beispielsweise die gewaltige Grube der künftigen Station Hauptwache in offener Bauweise erstellt. Auch entlang der Eschersheimer wurde unermüdlich und in Rekordzeit gegraben, gebaut und betoniert. Neben der Hauptwache entstanden die unterirdischen Station Eschenheimer Tor, Grüneburgweg, Holzhausenstraße sowie Miquel-/Adickesallee.
„Wunsch und zwingende Notwendigkeit, den ersten Tunnelabschnitt möglichst schnell in Betrieb zu nehmen, führten zum schnellbahnmäßigen Ausbau der anschließenden oberirdischen Strecke in der nördlichen Eschersheimer Landstraße“, heißt es in einer Publikation des damals zuständigen Stadtbahnbauamts vom August 1988.
Finanzielle Aspekte werden auch eine Rolle gespielt haben. Jedenfalls führt die Trasse hinter dem Alleenring über eine Rampe an die Oberfläche und wird in der Mitte der Eschersheimer Landstraße nach Norden geführt – mit einer seitdem häufig kritisierten stadtteiltrennenden Wirkung. Viel hat die VGF in den vergangenen Jahren getan, um diese Trennung aufzuheben, ebenerdige Überwege – zunächst waren nur die Fußgänger-Unterführungen an den oberirdischen Stationen Dornbusch, Fritz-Tarnow-Straße, Hügelstraße, Lindenbaum und Weißer Stein vorgesehen – wurden geschaffen und auffällig gestaltet, weitere sind in Planung. Der Weiterbau des Tunnels, zumindest bis Weißer Stein, ist mehrfach gefordert worden, doch die finanziellen Belastungen würde die Stadt Frankfurt alleine stemmen müssen, denn mit einer oberirdischen Bestandsstrecke, die in die Berechnung der Wirtschaftlichkeit einfließen muss, wird der Nutzen-Kosten-Faktor nicht gut genug sein, um für so einen Bau Fördermittel zu erhalten.
Von 1968 bis 2018
Nach 1968 plante und baute die Stadt aber zunächst munter weiter. Schon am 22. Januar 1970 begann unter der Battonstraße der Schildvortrieb für den Ausbau, am 15. Juni 1971 begannen Arbeiten an den Tunneln in Bornheim. Am 4. November 1973 wurde der Abschnitt Hauptwache – Theaterplatz (seit 1. Juli 1993 Willy-Brandt-Platz) in Betrieb genommen, am 26. Mai des Folgejahrs der Abschnitt Scheffeleck – Theaterplatz – Konstablerwache. Im Norden ging es zeitgleich weiter mit dem Betrieb der U5 bis Gießener Straße, am 29. September 1974 fuhr die U1 über die Nordweststadt hinaus bis Römerstadt.
Und so ging es weiter: 15. Mai 1976 Baubeginn des Abschnitts Theaterplatz – Südbahnhof, Inbetriebnahme acht Jahre später. Am 1. November 1977 begannen die Arbeiten am Gemeinschaftstunnel der U- und S-Bahnen an der „Konsti“. Am 28. Mai 1978 nahmen die U-Bahnen den Betrieb zwischen Theaterplatz und Hauptwache auf, gleichzeitig fuhren die ersten S-Bahnen zwischen hier und Hauptbahnhof. Am 31. Mai 1980 konnten auch die Bornheimer feiern, denn die Arbeiten an der U-Bahn waren mit der Inbetriebnahme des Abschnitts Konstablerwache – Seckbacher Landstraße (U4) abgeschlossen. Vier Jahre später, am 29. September 1984, eroberte die U-Bahn Sachsenhausen, denn die Mainunterquerung machte den Betrieb zwischen Theaterplatz und Südbahnhof möglich. Am 11. Oktober 1986 nahm die U-Bahn zwischen Zoo und der Rampe Industriehof (heute U6, U7) ihre Fahrten auf, an der Station Alte Oper hatten die dazu notwendigen Bauarbeiten zum Beispiel am 2. Januar 1980 begonnen. Die Station Niddapark, von der noch die Rede sein wird, wurde am 23. April 1989 eröffnet, am 27. Mai desselben Jahres öffnete die Station Nordwestzentrum nach Umbau wieder ihre Tore.
Damit waren die drei Stammstrecken „A“, „B“ und „C“ in Betrieb, die Geburtsstunde der „D-Strecke“ schlug mit dem Spatenstich an der Zeppelinallee am 1. März 1989. Es dauerte bis 10. Februar 2001, bis zwischen Hauptbahnhof und Bockenheimer Warte die ersten Züge über die „DI-Strecke“ rollten. Der Hauptgrund für die lange Bauzeit – gerade im Vergleich zur ersten Strecke Mitte und Ende der 60er Jahre – war verunreinigtes Grundwasser, das zwischen September 1990 und November 1993 zu einem dreijährigen Baustopp führte – ein Horrorszenario für jeden Bauherrn. Auch zwischen Zoo und Ostbahnhof (U6) kam es wegen verunreinigtem Erdreich am Oktober 1990 zu einem vorübergehenden Baustopp, so dass der Abschnitt erst am 30. Mai 1999 dem Verkehr übergeben werden konnte. Zwischenzeitlich nahm am 31. Mai 1992 die U7 ihren Betrieb zwischen Zoo, der Rampe Eissporthalle und Enkheim auf und wurde die U5 am 1. Januar 1998 von der Konstablerwache bis Hauptbahnhof verlängert.
Die Schlagzahl im U-Bahnbau verringerte sich anschließend, nicht zuletzt wegen hoher Kosten und – damit auch verbunden –, weil die großen Vorhaben politisch nicht mehr unumstritten waren. Das „DII“-Projekt, der sinnvolle Lückenschluß zwischen Bockenheimer Warte (U4) und Ginnheim (U1), der eine zweite Nord-Süd-Verbindung geschaffen hätte, wurde 2006 fallen gelassen – vorerst, die VGF prüft zurzeit Varianten für eine auf einer anderen Trasse geführte Lösung. 2008 wurde, wie erwähnt, die U4 bis Enkheim verlängert; der oberirdische „DIV“-Abschnitt über den Riedberg, heute von U8 und U9 befahren, wurde im Dezember 2010 dem Betrieb übergeben.
Und der Ausbau des Netzes ist fest geplant: Im kommenden Frühjahr, 2019, soll mit einer modernen Tunnelvortriebsmaschine, wie sie bis jetzt im Frankfurter U-Bahnbau noch nicht zum Einsatz kam, der Bau der zusammen 1700 Meter langen Röhren zwischen Platz der Republik und Güterbahnhof beginnen, was letztlich die Linie U5 ins Europaviertel verlängern soll. Inbetriebnahme ist zurzeit für 2024 vorgesehen. Ein Jahr früher könnte, wenn das Vorhaben glatt läuft, die U5-Verlängerung in nördlicher Richtung bis Frankfurter Berg Realität sein.
Instandhaltung und Modernisierung
Neubau alleine ist dabei immer nur ein Teil, ein System wie in Frankfurt muss über fünf Jahrzehnte hinweg auch instand gehalten und kontinuierlich verbessert werden. Alle U-Bahn-Stationen haben heute Bahnsteige, die zu den hochflurigen Fahrzeugen passen, und einen stufenfreien Ein-und Ausstieg ermöglichen. Das war zum Beispiel auf der „A-Strecke“ bei deren Eröffnung vor 50 Jahren noch nicht der Fall. Die VGF hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten nach und nach das Sammelsurium unterschiedlicher Bahnsteighöhen vereinheitlich und fast alle Stationen gründlich modernisiert. Dazu waren entweder Gleisabsenkungen, Bahnsteig-Erhöhungen oder auch komplette Neubauten notwendig.
Barrierefreiheit stellt die VGF mit ihrem aufwendigen und teuren Aufzugsnachrüstungs-Programm Station für Station sicher: seit Mai 2008 wurden Fahrstühle nachträglich in die Stationen „Holzhausenstraße“, „Grüneburgweg“, Kirchplatz, Alter Oper, Miquel-/ Adickesallee, Schweizer Platz sowie Eschenheimer Tor eingebaut. Auf dem Programm stehen jetzt noch Westend, Römerstadt, und Niddapark, denn bei allen genannten Stationen spielte – kaum zu glauben – Barrierefreiheit keine Rolle, als sie geplant und gebaut wurden.
Inzwischen umfasst das Frankfurter Netz eine Betriebsstreckenlänge von 64,85 Kilometern, rund 23 davon unter der Erde. Auf neun U-Bahnlinien liegen 86 Stationen, davon 27 unterirdisch. Die VGF hat 224 Wagen des Typs „U5“ und 37 der Baureihe „U4“ im Linieneinsatz. Sie beförderte im Jahr 2017 134,7 Millionen Fahrgäste in ihren U-Bahnen – rund 48 Prozent mehr als 1998. Tendenz: weiter steigend. Nicht zuletzt deswegen wird die VGF von Frühjahr 2020 bis Frühjahr 2021 von Bombardier 22 Mittelteile für ihre „U5“-Flotte beziehen, mit denen die Kapazität merklich erhöht werden kann, ohne zusätzliche Züge fahren zu lassen. Und auch die Beschaffung modernster „U6“-Wagen wirft ihre Schatten voraus.
Am Wochenende: Fahrzeugschau in Heddernheim
Mit kurzgekuppelten Mittelteilen oder „U6“-Wagen hat der „U1“ von 1968 nicht viel zu tun. Die Fahrzeug-Schau der VGF am 6. und 7. Oktober im Heddernheimer Depot wird aber eindrucksvoll zeigen, dass das einzige noch erhaltene Exemplar des ersten Frankfurter U-Bahn-Typs Teil einer Entwicklung ist, die zu dem modernen U-Bahnnetz und dem modernen Fuhrpark geführt hat, ohne die eine Großstadt wie Frankfurt ihre Mobilitäts-Herausforderungen nicht meistern könnte. Eine Situation, die 1961, als in der Stadtverordnetenversammlung der Beschluss zum U-Bahnbau fiel, nicht anders war, als sie es 2018 ist.
VGF und der Verein Historische Straßenbahnen in Frankfurt am Main (HSF) zeigen am Samstag und Sonntag, 6 und 7. Oktober 2018, jeweils 10 bis 17 Uhr, am Betriebshof Heddernheim in einer großen Fahrzeugschau, was in 50 Jahren auf der Frankfurter U-Bahn fuhr, also alle fünf jemals eingesetzten Fahrzeug-Typen. Dazu gehören nicht nur die heute betriebenen „U4“- und „U5“-Fahrzeuge, sondern auch die erst vor wenigen Jahren ausgemusterten Baureihen „U2“ und „U3“. Und besagter „U1“-Wagen, von dem es nur noch ein Exemplar gibt, das sonst im Schwanheimer Verkehrsmuseum der VGF steht und noch nie mit seinen Nachfolgern gezeigt worden ist.
Da aber der Schienenbetrieb in die nördlichen Nachbarstädte Oberursel und Bad Homburg älter ist als die U-Bahn, zeigt die VGF auch Kompositionen, die zuvor auf den Vorortstrecken einsetzet wurden: So den mehr als 100 Jahre alten „V“-Zug und den „H“-Zug aus den 30er bzw. 40er Jahren. Komplettiert wird die Schau mit einem „L“- und einem „M“-Zug, beide fahrfähig. Der „M“-Zug hat eine eigene Verbindung zur U-Bahn, denn mehrere Exemplare dieser Baureihen wurden 1968 für den Mischbetrieb (mit „U2“-Zügen) auf der „A-Strecke“ umgebaut. Dieser endete erst 1978.
Was in Heddernheim zu bestaunen und zu fotografieren ist, das können Sie in einem weiteren Blog-Beitrag der VGF vom 2. Oktober unter https://blog.vgf-ffm.de/fahrzeugschau-oktober-2018/ nachlesen und sich vorab anschauen, denn der Text ist mit Bildern aller Exponate angereichert.
Sonderfahrten, Werkstatt-Führungen, Besuch des Oberbürgermeisters
Gefahren wird am Wochenende 6./7. Oktober auch: Der Wagen 303 ist ja – siehe die Jubiläums-Fahrt am gestrigen Tag um 11 Uhr – nicht der einzige „U2er“, den die VGF fahrbereit gehalten hat. Auch die Wagen 304 und 305 wurden zwischen 2011 und 2015 in ihren weiß-roten Originalzustand zurück versetzt. Sie sind als „Zwilling“ im Halbstundentakt zwischen Heddernheim (Gleis 3) und Ginnheim unterwegs.
Im Mittelpunkt des Wochenendes stehen natürlich die Fahrzeuge, die zum Teil mehr als 100 Jahre auf dem Buckel haben. Aber die VGF sorgt auch für das leibliche Wohl, außerdem werden Führungen durch die Betriebswerkstatt angeboten. Am Samstag, 6. Oktober, 13 Uhr, eröffnet Oberbürgermeister Peter Feldmann zusammen mit Verkehrsdezernent Klaus Oesterling und der Geschäftsführung der VGF bei einem Rundgang offiziell die Schau.
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Info:
Das Depot Heddernheim ist an der Nassauer Straße 27 zu finden. Auf Grund der Parkplatzsituation empfiehlt die VGF die standesgemäße Anfahrt mit der U-Bahn, die Linien U1, U2, U3 und U8 halten an der benachbarten Station „Heddernheim“, ebenso der 60er Bus.