Serie: Am Donnerstag, 15. August zur Bahnhofsviertelnacht nach Frankfurt am Main, Teil 1/5

 

Hubertus von Bramnitz und Siegrid Püschel

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ja, stimmt, das Bahnhofsviertel in Frankfurt hat einen gefährlichen Ruf. Da gibt es zum einen das Rotlichtmilieu genannte horizontale Gewerbe, da gab und gibt es Drogen- und Kleinkriminalität und da schwirrten in den Fernsehkrimis die Schwerkriminellen nur so herum, was angesichts des medialen Geballeres das gehörige Polizeiaufgebot rechtfertigte. Es kommt noch schlimmer. Das Bahnhofsviertel ist so bunt und derart quicklebendig, daß Sie sich nach einem Besuch glatt in es verlieben könnten und beschließen, hier zu wohnen.

 

 

Da allerdings kommen Sie für die Schnäppchen echt zu spät. Und man selber fragt sich beim Rundgang durch die Kaiserstraße – Zentrum und Prachtstraße, auf der einst der Kaiser wandelte – und die anliegenden Straßen, warum man nicht rechtzeitig eines der herrlichen Gründerzeithäuser erworben hat. Ganz einfach. Auch Schnäppchen sind für unsereinen zu teuer und inzwischen muß man sogar aufpassen, daß man die Mieten kulant halten kann, denn der Drang, ins Bahnhofsviertel zu ziehen, weil es angesagt und echt spannend ist, der ist da. Aber gemach, erst einmal geht es ja um den Besuch, den man sich am 15. August zwischen 19 und 23 Uhr deshalb vornehmen sollte, weil viele Leute und Institutionen auf Sie warten.

 

Sie dagegen erwartet Absurdes, wie Anheimelndes, geschichtlich Bombastisches wie internationale Genüsse und interessante Menschen – von den visuellen Reizen ganz abgesehen, zu denen auch der Besuch des von der Commerzbank an die Bahn verhökerten, heute SILBERTURM genannten, ehemaligen Hochhauses der Dresdner Bank gehört. Dort sollten Sie unbedingt hoch in den 31. Stock fahren, dann liegt nach Westen der Hauptbahnhof so adrett und fein gegliedert vor Ihnen und man denkt an eine Spielzeugeisenbahn. Dabei ist der Frankfurter Hauptbahnhof der in ganz Europa frequentierteste. 350 000 Besucher zählt er jährlich, wovon 280 000 auf der Reise sind und 70 000 seinen internationalen Flair und die vielen Einkaufsmöglichkeiten nutzen. Der großstädtische Bahnhof feiert am 18. August seinen 125sten Geburtstag, weil an diesem Tag 1888 der erste Zug fuhr.

 

Aber das ist eine eigene Geschichte. Wir schließen uns jetzt den von oben in den Straßen wuselnden Menschlein an. Und noch eines wundert uns von oben: kaum Grün zu sehen, nur die großbürgerliche Kaiserstraße hat repräsentative Bäume. Daß Grün doch eigentlich fehlt, das fällt einem unten auf den Straßen überhaupt nicht auf, weil die Blicke ständig von Neuem angezogen sind. Vergessen Sie nicht die Hinterhöfe! Wie man auch von oben sieht, ist das Bahnhofsviertel dicht bebaut. Den Häuserzügen an den Straßen, die Quadrate bilden, folgen nach innen Höfe und Hinterhausbebauungen. Die sind oft die eigentlichen Kleinode. Und gleich die gesamte Fläche von der Kaiserstraße 37 bis zur nächsten Straße nach Süden, der Münchner Straße nimmt die Freimaurerloge zur Einigkeit ein.

 

An der Straßenfront steht noch ein ganz normales und das heißt hier hochherrschaftliches Wohnhaus mit einer repräsentativen Hofeinfahrt – schließlich mußten auch einmal Kutschen hineinfahren. Dann steht man vor einem kunstvollen schmiedeeisernen Tor und dahinter verbirgt sich das Logenhaus. Diese Loge zur Einigkeit ist - wie uns der kundige Archivar Hans Koller, der auch die großen Schlüssel für alles hat, erzählt -, 1742 als erste Frankfurter Loge und als elfte deutsche im Frühjahr 1942 'eingesetzt – sagt man dazu. Die Logengründung war die Folge der langandauernden Streitigkeiten bei der Kaiserwahl, die durch den Tod Karl VI. 1740 eintrat. Die gesamte Entourage der Fürsten und Gesandten – allein der aus Frankreich führte über 1000 Leute mit - mußte also länger zur Wahl des neuen Kaisers länger in Frankfurt bleiben, die dann mit der Wahl von Kaiser Karl VII. aus dem Haus der Wittelsbacher und damit seit 1437 dem ersten Nicht-Habsburger,.ein kurzzeitiges Ende nahm. Das insofern, als dieser schon 1745 starb und dann der sogenannte Österreichische Erbfolgekrieg wieder in 'bewährte' Habsburger Hände mündete, indem Franz Stephan von Lothringen, nominell zum Deutschen Kaiser gewählt wurde, was die Welt aber als Regierungszeit der Habsburgerin Maria Theresia wertet, die 1742 aber trotz der damaligen Pragmatischen Sanktion, die eine weibliche Erbfolge festlegt, erst einmal nicht gewählt worden war.

 

Die Loge hatte guten Zulauf und von den rund 120 Mitgliedern waren die Hälfte Kaufleute, die in der Welt herumkamen, ein Drittel Akademiker, der Rest Künstler und andere Berufe. Logenbruder Oskar Sommer, ein Schüler des Architekten Gottfried Semper, der in Frankfurter auch das Städel und die Neue Börse gebaut hatte, entwarf die Dreiergruppe, zwischen den Geschäftshäusern an den beiden Straßenfronten – das an der Münchner Straße wurde zum Gästehaus, im Krieg zerstört - das Logenhaus mit einem Festsaal im Neo-Rokoko-Stil, wobei die Gemälde von Correggio und Keuffel wirklich etwas hermachen. Aber aufgepaßt, es handelt sich nicht um den berühmten Correggio aus Italien, sondern um Joseph, der zusammen mit Mathäus Keuffel ebenfalls Logenbruder in Frankfurt war.

 

Über diese Loge und ihre Logenbrüder in Frankfurt, darunter der Frankfurter Arzt und Verfasser des Struwwelpeter, Heinrich Hoffmann, und auch der Verfasser des Knigge, sagte uns Hans Koller, ja, er hieß offiziell Adolph Freiherr von Knigge, hatte aber als Anhänger der Aufklärung das 'von' abgelegt und war ein umtriebiger Logenbruder geworden. Es gibt über die Frankfurter Loge zur Einigkeit so viel zu erzählen, daß wir daraus ein andermal einen eigenen Artikel machen wollen. Sie können aber auch zur Bahnhofsnacht direkt die Kaiserstraße 37 ansteuern! Fortsetzung folgt.

Foto: © PIA/Stefan Maurer

www.bahnhofsviertelnacht.de