Serie: Am Donnerstag, 15. August zur Bahnhofsviertelnacht nach Frankfurt am Main, Teil 2/5
Hubertus von Bramnitz und Siegrid Püschel
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wir sind übrigens unterwegs mit Nikolaus Münster, dem Chef der Presseabteilung der Stadt Frankfurt und seiner Mitarbeiterin Veronika Katic, die im Bahnhofsgebiet von allen besonders herzlich begrüßt wird, denn sie ist es, die die guten Kontakte zur Stadt mit den so verschiedenartigen Ansprüchen der Bewohner und der Geschäftsinhaber pflegt. Zum sechsten Mal gibt es nun diese Einrichtung der Bahnhofsviertelnacht, die schon im letzten Jahr rund 30 000 Besucher bescherte.
An ausgewählten Orten, die jährlich wechseln, sollen beim Rundgang zuvor die Journalisten Lust bekommen, über das Gesehen oder auch Gegessen- und Getrunkene zu berichten. Das geht voll auf und leider sind die Artikelgrenzen immer schnell erreicht, weil der über dreistündige Besuch viel mehr Stoff bietet, als man in schnöden Artikeln berichten kann.
Die uns gebotene Auswahl hatte es in sich. Denn geht man nach dem kleinen Führer vor, der überall ausliegt und das Programm enthält, das man auch im Internet erforschen kann, dann wäre uns auf der Seite 10 TRANSNORMAL am Baseler Platz 8 gar nicht aufgefallen. Die weiße Schrift auf schwarzem Grund ist so ungefähr das Gegenteil dessen, was uns Inhaberin Manuela Mock so provokant wie stimmig erzählt: „Ich mache alles, was den Mann zur Frau macht.“ Sie, die uns perfekt geschminkt mit steilem Haar und feinem Dekolleté im ausgezogenen Schwarzen begrüßt, hilft Männern, ihre weibliche Seite zu verwirklichen, umgangsprachlich Transvestiten genannt. Deshalb liegen im Geschäft auch die Perücken in den Regalen und die Fummel und das ganze Schminkzeug auch. Aber – und da hat sie absolut recht – hier geht es nicht um Abnormes und auch nicht um Schmuddeliges – mit dem ganzen Sexkram will sie nichts zu tun haben -, sondern um menschliche Probleme, denen sie professionell abhilft.
Sie schildert, wie so manche Ehefrau mit ihrem Mann vorbeikommt, damit Manuela ihn berät, welcher Typ Frau er denn sein möchte und sein kann. Die überwiegende Anzahl ihrer Kunden, die im übrigen „ von überall her, aus Japan, aus der Türkei und aus Offenbach kommen“, wollen „normal“, aber eben ansprechend als Frauen gekleidet sein und nicht schrill oder bunt. Ihre Beratung kostet erst einmal rund 180 Euro, für die sie vor allem beim Schminken ihre Fertigkeiten zeigen kann. Denn allein den Bartwuchs unsichtbar zu machen, ist eine Herausforderung. 'Camouflage' ist hier alles. Dies französiche Wort, das ursprünglich Irreführung, Tarnung, Täuschung bedeutete, wird für die Kosmetika verwandt, die eine höhrere Pigmentdichte aufweisen, also besser abdecken. S
eit 13 Jahren betreibt Manuela Stock hier ihr Geschäft und ist mit ihren Kunden nach dem Einkleiden und Schminken auch gerne im Bahnhofsviertel unterwegs. Denn die äußerlich zu weiblichen Wesen Gewordenen wollen sich gerne in der Öffentlichkeit zeigen, als Frauen am Leben teilnehmen. Die fitte Geschäftsinhaberin kann über die Toleranz und das Miteinander in diesem Stadtteil nur das Beste sagen und ist ja selbst mit ihrer Mischung aus Originalität und anspruchsvollem Know How das beste Beispiel für das Exquisite und Ungewöhnliche, das im Bahnhofsviertel zu Hause ist.
Unser Presserundgang ist eigentlich eine Preview. Was das ist? Auf Neudeutsch, das vorherige Zeigen von etwas, was andere erst danach sehen dürfen. Hier wird es veranstaltet von hr-info, also einem Sender des Hessischen Rundfunks, der seinen Hörern zeigen möchte, wie vielfältig und auch schön ihre Heimat ist, Besichtigungen verschiedener Orte in Hessen, für die man sich bewerben kann. Die Auserwählten sind heute dabei und erleben auch, wie ihr Reporter die O-Töne aufnimmt, wenn er bei den einzelnen Stationen Interviews führt, von denen man am nächsten Tag dann eine Kurzfassung in hr-info um 6.30 Uhr sowie 7.30 und 9.45 hören kann. Die eigentlichen Veranstalter haben zusammen mit Nikolaus Münster die gemischte, aber große Gruppe im Stadtteilbüro in der Moselstraße nett bei Cocktails begrüßt und das Vorhaben erläutert.
Nikolaus Münster erinnerte daran, was heute schwer vorstellbar ist, daß hier noch 1880-90 freies Feld stand, denn erst mit dem Bau des Bahnhofes wurde die freie Fläche zwischen diesem und der Stadt, heute Innenstadt bebaut. Im Stil der Zeit wurde ein Prachtviertel voller Gründerzeitbauten errichtet. Der Unterschied zum älteren Westend ist schon frappant. Dort war noch freistehende Villenbebauung möglich, hier aber wurde großstädtische Blockbebauung vorgenommen, wo wie auf den Boulevards des Monsieur Haussmann in Paris auf der Straßenfront durchgängig Ladenlokale stehen und die bel étage dann im ersten Stock folgt, während die oberen Stockwerke meist nach oben hin immer weniger Stuck um die Fensterrahmungen besitzen und kleinere Zimmer haben, weshalb die Wohnbevölkerung sozial durchmischt ist. Fortsetzung folgt.
Foto: © PIA/Stefan Maurer
www.bahnhofsviertelnacht.de