Bildschirmfoto 2020 06 28 um 08.42.17Der dienstälteste Eintracht-Profi beendet seine Fußballkarriere und wechselt zur kommenden Saison in die Analyse des Lizenzspielerbereiches

Redaktion

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Das war ja nun ein letztes Eintrachtspiel dieser durchwachsenden Saison, das typisch war, geradezu exemplarisch für meschuggen Fußball. Mit dem FC Paderborn hatte man zudem den mit 20 Punkten abgeschlagenen Letzten, den abgestiegenen Aufsteiger zu Gast, dem man nach seinem heroischen Kampf an diesem Nachmittag fast den Sieg gewünscht hätte, wäre es nicht um die Eintracht gegangen.

Die hätte übrigens auch mit einem verlorenen Spiel den neunten Rang gehalten, weil die nachfolgende Hertha Berlin verloren hatte. Daß es zur Pause 2:0 für Eintracht Frankfurt stand, schien so selbstverständlich, wie das unmittelbar folgende 3:0. Doch wer sich kurz ausklinkte und andere Spiele verfolgte, staunte nicht schlecht, als es auf einmal 3:2 stand. Aufgebäumt hatten sich die Paderborner und sie schossen in der 90. Minute sogar den Ausgleich, der aber wegen Abseits nicht anerkannt wurde. Was wäre dies für die Absteiger ein Ausrufezeichen gewesen. Und verdient dazu. Für Eintracht Frankfurt, die noch vor ein paar Wochen selbst abstiegsgefährdet waren, gilt, daß sie mit einem blauen Auge davon gekommen sind. Wenn nicht das verlorene Spiel gegen Mainz und...ja, es stimmt, sie hätten locker bei Europa mitspielen können, die Frankfurter. Tun es aber nicht. Und nun zu Marco Russ, der Schluss macht, aber mit ihm auch Jonathan de Guzmán, der die letzte Viertelstunde im Paderbornspiel noch eingesetzt wurde,  und Gelson Fernandes.

AS WAR EIN GUTER ABSCHLUSS FÜR MICH, AUF DEN ICH MICH IN DEN VERGANGENEN WOCHEN VORBEREITEN KONNTE. ICH BIN GESUND, DAS ZÄHLT, sagte er, der sich durch seine Krebserkrankung durchgekämpft hatte und vorbildlich diese Melange aus Privatheit und Anteilnahme der anderen hinbekommen hatte. Nach dem Spiel sagte er: "Ich bin nicht enttäuscht, dass ich nicht eingewechselt wurde. Ein weinendes Auge ist heute dabei, aber wichtig sind die drei Punkte. Es war schön, den Spieltag nochmal im Mannschaftskreis zu erleben mit Hotel, Busfahrt und allem. Das war ein guter Abschluss für mich, auf den ich mich in den vergangenen Wochen vorbereiten konnte. Ich bin gesund, das zählt. Ab morgen fängt ein neuer Abschnitt an. Ich höre auf, weil ich in den vergangenen Jahren nicht viele Spiele gemacht, dann kam der Achillessehnenriss im vergangenen August. Ich habe gemerkt, dass es mir immer schwerer fällt, mitzuhalten. Es macht körperlich keinen Sinn mehr. Ich bin mit dem Verein groß geworden, habe alles miterlebt, war schon Balljunge hier. Nach meiner Familie ist die Eintracht das Größte!"

Und das teilte der Verein im Vorfeld mit: Marco Russ macht Schluss. Der 34-jährige Innenverteidiger beendet nach 16 Profijahren seine Fußballkarriere bei seinem Ausbildungsklub Eintracht Frankfurt. Der gebürtige Hanauer war 1996 in den Nachwuchsbereich am Riederwald gewechselt und hat am 22. Oktober 2004 auswärts bei der 1:2-Niederlage in sein Debüt für die Lizenzspieler gefeiert. Bis heute stehen 328 Pflichtspiele für die Hessen sowie 25 für den VfL Wolfsburg zu Buche, am 34. Spieltag wird Russ ein letztes Mal im Aufgebot stehen.

Der Innenverteidiger, der auch im defensiven Mittelfeld einsetzbar ist, kam in den vergangenen Jahren vor allem verletzungsbedingt immer seltener zum Einsatz. Sein erster Saisoneinsatz Mitte August im Rückspiel der Europa League-Qualifikation gegen den FC Vaduz war bis heute der letzte, weil sich der in der dritten Runde als Kapitän aufgelaufene Russ nach einer halben Stunde die Achillessehne riss. Verglichen mit einem anderen persönlichen Schicksalsschlag wirkte die daraus folgende mehrmonatige Zwangspause als Kleinigkeit. Es begab sich kurz vor dem Hinspiel in der Relegation 2016 gegen den 1. FC Nürnberg, als Russ eine Krebsdiagnose erhalten hatte. Die Identifikationsfigur stellte sich dennoch als Spielführer in den Dienst der Mannschaft, um dann kurz vor der Pause unglücklich zum 0:1 ins eigene Tor zu treffen.

So schmerzhaft die darauffolgenden Tage und Monate verliefen, so sehr wusste 1,90-Meter-Mann die kommenden Höhenflüge zu würdigen. Nach gelungenem Behandlungsverlauf folgte das umjubelte Comeback vor heimischem Publikum am 28. Februar 2017 285 Tage nach der Diagnose, drei Monate später das DFB-Pokalfinale in Berlin, 2018 der Triumph über die Bayern, als der Abwehrrecke in der Schussviertelstunde mithalf, die Führung zu verteidigen. Der Höhepunkt in insgesamt über 22 Jahren mit dem Adler auf der Brust, einzig unterbrochen von einem anderthalbjährigen Intermezzo in Wolfsburg.

Insofern überrascht es kaum, dass der laut Sportvorstand Fredi Bobic „regionale Anker einer internationalen Mannschaft“ einen Anschlussvertrag im Bereich der Analyse erhält und seinem Herzensklub erhalten bleibt.

„Marco Russ hat in über 22 Jahren für Eintracht Frankfurt viele Geschichten geschrieben und dabei auch schwere Zeiten zu durchstehen gehabt. Ich habe Marco in den vergangenen zwei Jahren als Typen mit klarer Meinung kennengelernt, der innerhalb der Mannschaft eine wichtige Rolle eingenommen und zum DFB-Pokalsieg beigetragen hat. Ich habe Respekt vor seiner Leistung für diesen Verein“, lobt Cheftrainer Adi Hütter.

Marco Russ geht mit einem lachenden Auge: „Ich bin dankbar dafür, eine so lange Zeit bei diesem Verein verbracht haben und vor diesen einmaligen Fans spielen zu dürfen, auch weil ich weiß, dass so viele Jahre eher ungewöhnlich sind. Zugleich freue auf die neue Herausforderung bei meinem Herzensklub.“

Foto:
© eintracht.de

Info:
Quelle für Marco Russ: eintracht.de