Bildschirmfoto 2020 10 15 um 01.06.24Besuch aus der kanadischen Partnerstadt Toronto

Redaktion

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Ein Adler und ein Waschbär zieren die U-Bahn-Station Festhalle/Messe – der Adler steht für die Stadt Frankfurt und der Waschbär für Toronto. Der kanadische Künstler Alexandar Lazich, Künstlername „Bacon“, hat die Wappentiere der beiden Partnerstädte in einem Kunstwerk vereint.

Zum 30-jährigen Jubiläum der Städtefreundschaft hatten Frankfurt und Toronto im Jahr 2019 in Kooperation mit dem Goethe-Institut Toronto einen Künstleraustausch gestartet. Im September 2019 haben die Projektpartner StreetARToronto (StART), Goethe-Institut und die Stadt Frankfurt den Frankfurter Künstler Justus Becker nach Toronto eingeladen, um dort ein öffentliches Wandgemälde zu gestalten. Nun stand der Gegenbesuch aus Toronto an: Alexandar Lazich ist nach Frankfurt gereist und hat die U-Bahn-Station Festhalle/Messe mit einem Graffito bereichert.

Jutta Brendemühl vom Goethe-Institut in Toronto hat den Künstler Alexander „Bacon“ Lazich vor seiner Reise nach Frankfurt interviewt. Das Interview auf Englisch gibt es unter https://www.youtube.com/watch?v=LiTrNpyPXO8&list=PLVKtn_6xD_lGi4ZPfl6OAkuTAhoMh724f&index=2 im Internet. Zum Nachlesen findet sich hier das Transkript in deutscher Sprache.

Wir stehen vor Ihren vielen Wandbildern (Murals) in Toronto. Dieses hier ist gerade in Arbeit. Das Goethe-Institut wird Sie nun nach Frankfurt schicken, um eine Wandfläche in einer der belebtesten U-Bahn-Stationen der Stadt, der Station an der Messe, zu gestalten. Was ist der Unterschied zwischen der Arbeit auf heimischem Boden, in vertrauter Umgebung und der Gestaltung eines öffentlichen Kunstwerks an einem neuen Ort? Wie bereiten Sie sich auf den kreativen Prozess im Ausland vor?

Es lastet ein gewisser Druck auf mir, das ist sicher. Ich versuche immer, einen guten Job zu machen, aber wenn ich im Ausland bin, strenge ich mich wirklich besonders an. Ich hoffe also, dass ich nicht nervös werde und es vermassele, aber ich gebe mein Bestes.


Sie haben mir gerade erzählt, dass Sie sogar schon einmal in Deutschland gearbeitet haben. Es ist also nicht Ihr erstes Mal in Deutschland, aber Ihr erstes Mal in Frankfurt, richtig?

Ja, ich werde zum ersten Mal in Frankfurt sein. Ich war in München und bin dann nach Ingolstadt gereist. Das war aber eher ein Festival als ein Job. Es hat viel Spaß gemacht, es gab keinerlei Druck, und es war einfach eine gute Zeit.


Vergangenes Jahr haben wir uns getroffen, als wir den Frankfurter Straßenkünstler Justus Becker nach Toronto geholt haben. Das war 2019 – im Rahmen des offiziellen Austausches der Partnerstädte Toronto und Frankfurt – zur Gestaltung eines Wandbildes hier in Toronto. Sie waren Justus' lokaler „Wissenspartner“. Wie verlief diese Begegnung mit einem europäischen Kollegen, den Sie vorher nicht kannten? Wie hat diese Begegnung möglicherweise Ihre Praxis beeinflusst? Und was hat Sie überrascht?

Nun, das Gute bei mir und Justus war, dass wir beide aus einem Graffiti-Umfeld kommen – das hatten wir also sofort gemeinsam. Wir sind beide etwa gleich alt, also hatten wir viel gemeinsam, wenn es um die „Szene von damals“ ging. Was die Arbeit an seinem Wandbild betrifft, so habe ich definitiv von einigen seiner Techniken gelernt. Jeder nähert sich einem Wandbild auf eine andere Weise. Es gibt Ähnlichkeiten, aber es gibt kleine Dinge, die man von jedem lernen kann. Justus hat mir auf jeden Fall einige Dinge beigebracht, während ich mit ihm gearbeitet habe. Er ist sehr talentiert. Ihr könnt froh sein, ihn zu haben.


Nun, da ich Ihre beiden Werke zumindest ein wenig kennengelernt habe, scheint der Stil von Justus Becker auf den ersten Blick ganz anders zu sein als Ihrer – Themen, Farben und so weiter. Wo sehen Sie Berührungspunkte und Abweichungen mit Justus, mit dem Sie diesmal in Frankfurt wieder zusammenarbeiten werden?

Wir benutzen ja beide Sprühfarbe. Es gibt also ähnliche Techniken bei der Verwendung der Farbe. Das ist etwas, woran Justus und ich gut zusammenarbeiten können. Ja, in Bezug auf das Design gibt es zwar Unterschiede, aber in Bezug auf die Technik gibt es viele Ähnlichkeiten in unserem Stil. Ich finde es ist wichtig, dass jeder einen ganz eigenen Stil für seine Kunst hat. Justus macht seine Sache, ich mache meine Sache, aber es gibt Gemeinsamkeiten, wenn es um die Technik geht.


Einige der Gemeinsamkeiten sind offenbar Tiere – das ist mir bei Ihrer und seiner Arbeit aufgefallen. Und wir kommen vielleicht gleich noch einmal darauf zu sprechen, wenn wir darüber reden, was Sie sich für Ihr Wandbild in Frankfurt vorstellen, das zur Teilnahme Kanadas als Gastland auf der Frankfurter Buchmesse fertig sein wird. Wie konzipieren Sie dieses Projekt aus der Ferne? Noch einmal: Es ist im Inneren, es ist eine Betonwand. Wie kommen Sie auf bedeutungsvolle Ideen?

Das ist wahrscheinlich der schwierigste Prozess: die Idee für das Wandbild zu entwickeln und es zu planen. Ich trage ein kleines Notizbuch mit mir herum, und jedes Mal, wenn ich eine Idee habe, schreibe ich sie auf. Und wenn ich dann etwas sehe, das mir gefällt, fange ich an, meine eigenen Fotos zu machen und fertige kleine Skizzen und Modelle an. Solange bis es sich richtig anfühlt, wenn ich es anschaue. Und wenn es sich richtig anfühlt, dann entwickle ich die Idee weiter. Ich entwerfe einige Konzepte dieser Idee in verschiedenen Stadien und in verschiedenen Layouts. Was ich aber den meisten Leuten zeigen möchte, wenn ich ein Kunstwerk schaffe ist: Ich mag es, schöne Dinge zu machen, die jeder schätzen kann, bei denen niemand das Gefühl hat „Oh, das ist nichts für mich“. Ich versuche, mir etwas vorzustellen, das jeder anschauen kann und in dem jeder ein bisschen von sich selbst wiederfindet, wenn er es anschaut. Selbst wenn es nur etwas ist, das schön anzusehen ist. Das ist es also, woran ich denke, wenn ich an der U-Bahn-Station arbeiten werde, denn es werden so viele Leute dort sein, die ein- und ausgehen. Ich möchte etwas schaffen, das die Leute anschauen können, während sie dort stehen. Es soll viele Details haben, so dass sie, wenn sie beim nächsten Mal dort sind, etwas! sehen k önnen, das sie vielleicht beim letzten Mal verpasst haben. So stelle ich mir das vor. Momentan habe ich noch keinen vollständigen Entwurf ausgearbeitet, aber ich befinde mich gerade in der Brainstorming-Phase.


Was mich tatsächlich zu meiner nächsten Frage führt. Denn Sie und ich und einige Ihrer Kollegen haben an einigen Gesprächen rund um die Örtlichkeit teilgenommen und darüber, was diese potentiell benötigt oder was Sie dort tun dürfen. Nun, wie Sie mir sagten, kommen Sie aus dem Untergrund der 1990er Jahre. Wenn Sie ehrlich sind, was halten Sie von möglichen Einschränkungen bei Auftragsarbeiten, bei kommerziellen Arbeiten, die Sie ausführen, bei Designzeichnungen, um die man Sie bittet?

Wissen Sie, es gibt Grenzen, auch wenn es scheinbar keine Grenzen gibt. Man kann da rausgehen und malen, was man will; das bedeutet aber nicht, dass es richtig ist oder dass die Botschaft, die man vermitteln will, etwas ist, das die Menschen genießen oder das ihnen gefällt. Wenn es also um die Arbeit an Projekten geht, finde ich es wichtig, dass man den Menschen, mit denen man arbeitet, zuhört und der Gemeinschaft, in der man arbeitet, und versucht den Leuten etwas zu geben. Ich arbeite gerne mit Anweisungen. Ich mag es nicht, mit Ideen für etwas überhäuft zu werden, bei denen zu viele Hände im Spiel sind. Aber wenn mir einige Anweisungen gegeben werden und mir die Leute freie Hand damit lassen, halte ich das für ausgezeichnet und es macht mir überhaupt nichts aus. Und manchmal eröffnet es mir neue Perspektiven für Dinge, die ich selbst nie getan hätte. Und das finde ich auch großartig, denn es gibt mir die Möglichkeit, mich selbst herauszufordern und zu lernen.


Da wir Sie bald nach Frankfurt schicken werden, was ist Ihre größte Hoffnung? Was wäre eine potenzielle Stolperfalle, da wir hier mit unseren Masken stehen?

Ja, ich bin ein bisschen besorgt über die zeitliche Beschränkung, in der ich malen muss. Wenn ich Glück habe sind es Vier- oder Fünf-Stunden-Schichten, wenn ich dort unten bin.


...weil wir uns in einem laufenden U-Bahn-Betrieb befinden.

Das ist definitiv eine Herausforderung. Ich mag Herausforderungen. Jedes Projekt, das ich mache, beinhaltet eine Herausforderung. Dieses hier birgt Herausforderungen. Es wird also eine lehrreiche Erfahrung sein. Ich habe ein wirklich gutes Team mit Justus und ich bin überzeugt davon, dass es perfekt ablaufen wird. Ich mache mir also überhaupt keine Sorgen.


Ich danke Ihnen vielmals. Viel Glück, wir sehen uns in Frankfurt, und wir werden zurückkommen und ein weiteres Gespräch führen.

Perfekt. Ich kann es kaum erwarten. Wenn ihr es nicht sehen könnt, ich habe ein breites Lächeln im Gesicht und kann es kaum erwarten in Frankfurt zu sein. Ich danke euch vielmals.


Danke Ihnen, Alex.

Dankeschön.

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Info:
Von Jutta Brendemühl, Goethe-Institut Toronto/Transkript: Sarah Milde