Manfred Schröder
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Der Zoo, der weiterhin geschlossen ist, was vielleicht für die Tiere, zumindestens die meisten eine Wohltat ist, keine Menschen sehen zu müssen, hat aber ein Innenleben, das derzeit nur durch Geburtsmeldungen von sich reden macht. Denn innerhalb kurzer Zeit gab es gleich dreimal Nachwuchs bei den Primaten im Frankfurter Zoo: Am 15. Januar wurde ein Weißwangen-Schopfgibbon geboren (Foto rechts) und nur wenige Tage später gab es zwei Bonobo-Geburten.
Gibbon-Jungtier: Blondschopf mit Botschafterfunktion
Die kleine Familie im Gibbon-Haus am Großen Weiher hat Zuwachs bekommen: Das Gibbon-Weibchen Elliott und ihr Partner Mohio, der Ende 2019 in den Frankfurter Zoo kam, haben zum zweiten Mal Nachwuchs zusammen. Ihr erstes Jungtier, das im vergangenen Frühjahr zur Welt kam, verstarb nach wenigen Tagen. Aktuell sieht alles gut aus, Elliott kümmert sich sehr gut um das Kleine, das, festgeklammert an ihren Bauch, bereits sehr aufmerksam seine Umgebung wahrnimmt.
„Ich freue mich sehr, dass das Leben der Tiere im Frankfurter Zoo trotz Lockdown ganz normal weitergeht und wir auch aus dem geschlossenen Zoo solche schönen Nachrichten erhalten. Ein besonderer Dank gebührt hier den Mitarbeitenden, die trotz der höheren Arbeitsbelastung und der Einteilung in Teams, eine hervorragende Leistung für den Zoo und seine Tiere erbringen“, sagt Ina Hartwig, Dezernentin für Kultur und Wissenschaft. „Wir hoffen alle sehr, dass sich bald auch wieder Besucherinnen und Besucher am Zoo an all den interessanten Jungtieren erfreuen können.“
Nördliche Weißwangen-Schopfgibbons (Nomascus leucogenys) leben in vereinzelten Regionen im Nordosten Vietnams und dem nördlichen Laos. Nur die männlichen Tiere zeigen den auffälligen namensgebenden weißen Backenbart im ansonsten schwarzen Fell. Weibchen und Jungtiere bis zu einem Jahr dagegen haben ein leuchtend blondes Fell. Eindrucksvoll ist auch ihre Art der Fortbewegung: Mithilfe ihrer extrem langen Arme schwingen sie von Ast zu Ast, wobei sie ausreichend Schwung erreichen können, um Baumlücken von bis zu zwölf Metern Breite zu überwinden.
Weißwangen-Schopfgibbons gehören zu den extrem gefährdeten Affenarten. Sie sind laut Roter Liste der IUCN vom Aussterben bedroht. Vor allem die Jagd, der illegale Handel sowie der dramatische Verlust ihrer Lebensräume durch Abholzung von Regenwäldern setzt die Populationen aller freilebenden Gibbon-Arten massiv unter Druck.
So ist der Frankfurter Blondschopf ein echter Botschafter für den Natur- und Artenschutz, denn auch den Verwandten der in Frankfurt lebenden Gibbon-Art geht es nicht besser. Die Stiftung Artenschutz führt daher seit 2016 ein Schutzprojekt für die vom Aussterben bedrohten Gelbwangen-Schopfgibbons (Nomascus annamensis) in Vietnam durch. Ziel ist es, den Lebensraum der Gibbons in Vietnam großflächig unter Schutz zu stellen, um so das Überleben der Art zu sichern. Auch der Zoo Frankfurt fördert die Stiftung Artenschutz und ihre Projekte. Die Stiftung Artenschutz unterstützt außerdem die Arbeit der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF) vor Ort. Im Mittelpunkt steht der Gibbon-Schutz im Kon-Ka-Kinh-Nationalpark, in dem neben anderen bedrohten Arten auch Gelbwangen-Gibbons leben. „Wir unterstützen den circa 42.000 Hektar großen Nationalpark, indem wir jedes Jahr eine Zählung der Gibbon-Gruppen im Park durchführen, das Training der Ranger fördern und deren Ausrüstung bereitstellen. Die Ranger gehen im Park auf Patrouillen und stoßen immer wieder auf illegale Aktivitäten. Sie beseitigen die Schlingenfallen der Wilderer und deren illegale Lager“, beschreibt Antje Müllner, Leiterin des Referats Südostasien, wie die ZGF vor Ort zum Schutz der Tiere beiträgt.
Nachwuchs bei den Bonobos – nicht nur schön, sondern auch wichtig
Im Borgori-Wald kamen am 30. Januar und am 6. Februar zwei Bonobos zur Welt. Mutter des ersten Kindes ist die 13 Jahre alte Hanna. Sie kam 2018 aus Milwaukee in den USA nach Frankfurt. Das Kleine, dessen Geschlecht noch nicht bekannt ist, ist ihr erstes Jungtier, um das sich Hanna dennoch von Anfang an routiniert kümmert. Wer der Vater ist, ist bei Bonobos nicht immer so einfach festzustellen. Zwar gibt es in der Gruppe, in der Hanna die letzten Monate gelebt hat, nur ein adultes Männchen, jedoch ist es für Bonobos nicht ungewöhnlich, sich auch mit Männchen außerhalb der eigenen Gruppe zu paaren.
Dass Hanna aus den USA nach Frankfurt kam und nun hier für Nachwuchs sorgt, ist ein bedeutender Erfolg. Eigentlich wird das Zuchtprogramm für Bonobos auf europäischer Ebene geführt. Das seit 1985 bestehende EAZA Ex-situ Programm (EEP) wird vom Zoo Antwerpen koordiniert, ebenso das Internationale Zuchtbuch. Allerdings ist die enge Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Species Survival Program (SSP), wie in diesem Fall, aufgrund der verhältnismäßig kleinen Population der Bonobos äußerst wichtig.
„Der Frankfurter Zoo züchtet seit vielen Jahren Bonobos. 1962 gelang hier die Welterstzucht. Seitdem wurden bei uns 42 Bonobos geboren. Darauf sind wir sehr stolz“, sagt Zoodirektor Miguel Casares. „Wir freuen uns sehr, dass die Zusammenarbeit auf internationaler Ebene so gut funktioniert. Dass nun dank Hanna und ihrem Jungtier eine neue genetische Linie in Europa vertreten ist, ist sehr wichtig für den Aufbau und Erhalt einer langfristig stabilen und genetisch vielfältigen Bonobo-Population in Zoos.“
Genau eine Woche nach der ersten Geburt stellte sich erneut Nachwuchs bei den Bonobos ein: Am 6. Februar brachte Mixi ihr drittes Kind zur Welt. Auch hier konnte das Geschlecht bislang nicht festgestellt werden. Mixi ist 19 Jahre alt und eine entspannte und erfahrene Mutter.
Seit 1996 gelten die Bonobos, die nur in einem relativ kleinen Gebiet in der DR Kongo in Zentralafrika vorkommen, laut IUCN als stark gefährdet. Wie die Gibbons gerät auch der Bestand der Bonobos vor allem durch die Zerstörung des Lebensraums und durch anhaltende Wilderei unter Druck.
Fotos:
Weißwangenschopfgibbon mit ihrem Jungtier
Bonobo Mixi mit ihrem Jungtier
© Zoo Frankfurt
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Quelle: Zoo Frankfurt