Serie: 'HEIMAT/FRONT. Frankfurt am Main im Luftkrieg', Teil 3

 

Roman Herzig und pia

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Valentin Strecker bewies Galgenhumor, als er 1944 nach den schweren Märzangriffen auf die Fassade seines kriegsgeschädigten Friseursalons an der Biebergasse das Motto pinselte: „Was auch passiert – es wird weiter rasiert!“ Rechts neben dem Durchhalteappell klebte ein Plakat mit der Parole: „Frontstadt Frankfurt wird gehalten!“, bei uns im Bild. Als Ergänzung zur wichtigen und spannenden Ausstellung über die Stadt im Luftkrieg kommen nun die Plakate, meist Propaganda.

 

Unter den rund 5.570 Fotografien des kriegszerstörten Frankfurt, die im Institut für Stadtgeschichte archiviert sind, besitzt die von Wolff & Tritschler angefertigte Aufnahme des Friseursalons Seltenheitswert: Sie ist eines der wenigen „Zerstörungsfotos“, auf denen ein Propagandaplakat zu entdecken ist. Das Motiv ziert die Einladungskarte zur Eröffnung der Ausstellung „‘Frontstadt Frankfurt‘. Plakate zum Luftschutz und Luftkrieg 1933-1945“, die ab Dienstag, 5. November, bis 23. März 2014 zu sehen ist.

 

In der 2007 vom Institut für Stadtgeschichte erworbenen luftkriegshistorischen Sammlung des Frankfurters Gustav Karl Lerch finden sich unter anderem rund 125 deutsche, englische und amerikanische Plakate zu Luftschutz und Bombenkrieg. Die 30 aussagekräftigsten Motive, darunter zehn alliierte Propagandaplakate, zeigt das Institut für Stadtgeschichte nun im Dormitorium des Karmeliterklosters. Ein Exemplar des „Frontstadt“-Plakats aus der Sammlung Lerch bildet den Höhe- und Schlußpunkt der Bestandsausstellung. Sie ergänzt die ebenfalls noch bis 23. März 2014 gezeigte Schau im Refektorium „HEIMAT/FRONT. Frankfurt am Main im Luftkrieg“.

Beispielhaft untersucht Kurator Thomas Bauer die Arbeitsweise der Plakatkünstler Ludwig Hohlwein und Hans Schweitzer, die das visuelle Erscheinungsbild der NS-Zeit mit prägten. Die Nationalsozialisten nutzten Propaganda konsequent als Waffe im politischen Kampf und machten sich dabei in der Werbewirtschaft erprobte Reklamemethoden zu eigen. Auf einprägsame Parolen und wirkmächtige Bilder setzte der im April 1930 vom Vorsitzenden der NSDAP, Adolf Hitler, zum Reichspropagandaleiter ernannte Joseph Goebbels. Unter der irreführenden Bezeichnung „Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda“ entstand 1933 eine von Goebbels geleitete Behörde zur Informationskontrolle und Meinungssteuerung. „Das Plakat“, so Goebbels, „ist neben Rede, Zeitung und Flugblatt eines der wichtigsten und, richtig angewandt, erfolgreichsten Propagandamittel“. Anhand von Plakaten war die „Volksgemeinschaft“ zu festigen, außerdem sollten auf diesem Weg nationalsozialistische Vorstellungen im öffentlichen Bewusstsein verankert werden.

Der im April 1933 gegründete Reichsluftschutzbund sollte der Bevölkerung den Luftschutzgedanken einimpfen und möglichst jeden Einzelnen zur Mitarbeit im „Selbstschutz“ mobilisieren. Er warb auf Litfaßsäulen um neue Mitglieder und für luftschutzgerechtes Verhalten. Die Bestrebungen im Luftschutz trugen zur Militarisierung der Gesellschaft bei.

Unmittelbar nach dem schweren Großangriff der Royal Air Force auf Frankfurt vom 22./23. März 1944 mit 1.001 Toten erklärte Gauleiter Jakob Sprenger die Main-Metropole zur „Frontstadt“. Hans Schweitzer bekam den Auftrag, zur Stärkung des Durchhaltewillens der leidgeprüften Einwohner ein Plakat zu gestalten. Schweitzers Plakatentwurf für die „Frontstadt Frankfurt“ zeigt eine Luftschutzhelferin, einen Arbeiter mit der Hakenkreuzfahne in der Rechten und einen Hitler-Jungen mit Luftschutzhelm, die entschlossen dreinblickend auf den Trümmern der brennenden Altstadt stehen. Den Frankfurtern begegnete Ende März 1944 das „Frontstadt“-Plakat auf Schritt und Tritt – die erhoffte Wirkung hatte es nicht. In einem Bericht zur „Stimmungs- und Gerüchteerfassung“ meldete am 31. März 1944 der Leiter der NSDAP-Ortsgruppe Eschersheim an den Kreispropagandaleiter: „Das Plakat ‚Frontstadt Frankfurt wird gehalten’ wurde vielfach kritisiert, hier und da auch bespöttelt. Allerdings überwog dabei die Angst, dass der Feind dies zum Anlass nehmen könne weiter anzugreifen.“

Ein Jahr später stießen am 26. März 1945 amerikanische Bodentruppen von Süden her bis in die Innenstadt vor. Nach dreitägigen Gefechten war Frankfurt vom Nationalsozialismus befreit. Sämtliche Durchhalteparolen und -plakate verschwanden über Nacht von den Hauswänden.



INFO:

 

Die Ausstellung ist montags bis freitags von 10 bis 18 Uhr sowie Samstag und Sonntag von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Weitere Informationen gibt es im Internet unter http://www.stadtgeschichte-ffm.de