Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - „Da fehlt doch István Sztani „, fuhr es mir heraus, als uns Kurator Markus Häfner diese Tafel der Ausstellung zeigte, wo Sportler verschiedener Richtungen im Bild abgebildet sind, teils wie bei Steffi Graf mit Devotionalien, hier ihrem Siegerschläger. István Sztani?, schauten mich die umstehenden Kollegen irritiert an. „Na, István Sztani von Eintracht Frankfurt, der nach dem Ungarnaufstand geflohen war und bei der Eintracht landete.“ Kurator Markus Häfner erklärte, es könne halt nicht jeder....,
aber viel schlimmer war ja, daß keiner der Anwesenden überhaupt wußte, wer István Sztani war, was heißt „war“, er lebt ja noch. Aber 1957, als er bei der Eintracht aufschlug und so draufgängerisch und torreich spielte, daß er in aller Munde war, damals war er ein STAR! Wie wüßte ich sonst noch, daß er – der fantastische und sehr attraktiver Spieler – gemeinerweise eine gewisse Brigitte, Hotelierstochter aus Berlin, geheiratet hatte. Aber als Sztani den Geldtöpfen von Standard Lüttich folgte, da konnte er noch so attraktiv sein, für uns Eintrachtanhängerinnen war er unten durch. Wahrscheinlich kennen ihn deshalb die Nachwachsenden nicht mehr, obwohl er doch reumütig zurückgekehrt ist nach Frankfurt.
Wer ist wann und wo ein STAR? Diese Frage muß einen bei dieser Ausstellung einfach beschäftigen. Dabei geht es gar nicht einmal um Definitionen, die im Lexikon stehen, sondern um das Verständnis, das ein potentieller Ausstellungsbesucher entwickelt, wenn er die Überschrift liest: „Stars in Frankfurt“. Sicher wird er sofort denken, daß es um Berühmtheiten geht, die in Frankfurt Station machen. Das wird er schon deshalb denken, weil vor den Stars das Wörtchen ABGELICHTET! Erscheint. Öffentlich fotografiert zu werden, das passiert ja eigentlich nur Berühmtheiten. Aber wann werden aus diesen Berühmtheiten STARS?
Also echt, damit könnte ich mich jetzt stundenlang im Kopf beschäftigen, ab wann wir jemanden als berühmt, ja als STAR betrachten. Das fängt ja damit an, daß man jemanden namentlich kennt, der mit einem selber gar nichts zu tun hat, also nicht aus dem alltäglichen Umfeld kommt. Da geht es nicht nur um Namen und Gesicht, sondern auch, für was dies: Name und Gesicht steht. Das kennen Sie doch auch, daß sie x-Gesichter sehen und nicht behalten, weil Ihnen der Kontext nichts sagt, für Sie uninteressant ist. Und daß sie einen Schriftsteller, eine Opernsängerin, ja, auch einen Sportler, eine Politikerin sowieso aufgrund einer Aufführung, einer Bemerkung oder eines Bildes von einem Moment dann für immer Name und Gesicht behalten und vor allem, was dies für sie bedeutet. Und dann gibt es solche, die immer wieder in der Öffentlichkeit erwähnt, in Bildern gezeigt werden, die sich Ihnen sozusagen aufdrängen, daß man Name und Gesicht einfach behalten muß. Ja, stimmt, das sind dann wirklich meist Politiker, auch Sportler, Künstler, Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen und ständig „abgelichtet“ werden. Das ist ein Kreislauf, wer eine Rolle spielt wird abgelichtet, die Fotos in der Zeitung machen ihn bekannter, er wird noch stärker wahrgenommen, wenn er in der Öffentlichkeit auftritt, kommen immer mehr Blitzlichter, sein Name wird öfter, noch öfter genannt, daraufhin wird er von Fotografen begleitet, nein, Paparazzis kommen erst ins Spiel, wenn der so oft Abgebildete ein STAR geworden ist. Laut dem Wikipediaeintrag - wissenschaftlich nicht ausgewiesen, aber populärwissenschaftlich genutzt – bedeutet ein STAR Ein Star [ˈstaːr] oder auch [ ˈʃtaːr], alternativ [ -ʀ] oder [ -ʁ] (von englisch star, „Stern“) ist eine prominente Persönlichkeit mit überragenden Leistungen auf einem bestimmten Gebiet und einer herausgehobenen medialen Präsenz.
Jetzt wird es ja noch doller: prominent...überragende Leistung –herausgehobene mediale Präsenz. Da sind wir wieder bei ABGELICHTET. Also sind STARS nur die, für die sich die Fotografen so interessieren, daß sie sich sofort auf den Weg machen, um sie abzulichten. Wenn dann solche herrlichen Bilder wie das Titelbild entstehen, weiß man, was los ist.
Jetzt ist unbedingt etwas nachzuholen, was für die Ausstellung und für Frankfurter sowieso das Wichtigste ist. Natürlich geht es nicht nur um internationale Stars, die gerade mal in Frankfurt vorbeischauen, sondern auch um die in Frankfurt beheimateten STARS, die gar nicht so wenig sind. Das wird in den folgenden Artikeln noch eine Rolle spielen und soll nur mal mit den Namen Marika Kilius, Bernhard Grzimek, Hannelore Elsner und Albert Mangelsdorff angedeutet werden, weil die in der Ausstellung noch eine besondere Rolle spielen. Ja, stimmt: Hans-Joachim Kulenkampff, Der blaue Bock uns so viel andere....aber, wie sagte der Kurator treffend: es könne halt nicht jeder...
Beim Rundgang, insbesondere bei der Betrachtung der Frankfurter Stars, geht einem durch den Sinn, daß diese Ausstellung das Bildgedächtnis Frankfurts ist, daß man hier lebendige Zeitgeschichte der jüngsten Vergangenheit erlebt und das auf eine sinnliche ansprechende Art.
Zwei Dinge sind noch anzumerken. Das eine ist die Feststellung, daß sich der Begriff des STARS hier doch sehr an der Populärkultur orientiert. Das soll nicht mal eine Kritik sein, weil sicher das Interesse vieler darauf gerichtet ist. Aber ich vermisse doch Fotos von den Auftritten z.b. von Jessy Norman oder Jonathan Franzen und Salman Rushdie, die ich unter Blitzlichtgewitter auf der Buchmesse traf.
Da allerdings muß überhaupt erst nachgefragt werden, ob denn das Institut für Stadtgeschichte von diesen Auftritten überhaupt Fotos besitzt. Denn die gesamte Ausstellung basiert auf Fotos aus dem Archiv des Instituts, speziell sogar aus den 24 000 Fotos, die das Archiv von der Frankfurter Rundschau übernahm. Allein diese Zahl sagt einem, daß Beschränkung die Voraussetzung für diese Ausstellung war. Wie kommen nun normalerweise die Fotos ins Archiv. Das sind einerseits die Altbestände, viele, viele Nachlässe, Ankäufe von Fotosammlungen. Aber – und das war neu für mich – heute schickt das Institut für Stadtgeschichte zu besonderen Anlässen in Frankfurt eigene Fotografen, damit die Ereignisse im Bild dokumentiert werden und zum kulturellen Gedächtnis der Stadt beitragen.
Bei der Pressekonferenz kam durch David Dilmaghani, dem Leiter des Dezernatsbüros Kultur, noch einmal die Rede darauf, wie 24 000 Fotos der Frankfurter Rundschau im Stadtarchiv landeten. Die traurige Geschichte der FR zu erzählen, die erst ihren wunderbaren Rundbau am Eschenheimer Tor verloren, dann ihr ganzes Archiv (mitsamt der Zeitung), führt hier zu weit. Aber diese 24 000 Fotos sind von den Mitarbeitern des Instituts erst einmal aus Millionen Fotos der FR herausgesucht und dokumentiert worden. Welche Mühe, welche Sorgfalt. Und sicher ist diese Ausstellung erst der Anfang, die man sich in Frankfurt bis zum 28. August 2022 anschauen kann. Zudem gibt es ein Begleitprogramm und einen Katalog, über die wir gesondert in weiteren Artikeln berichten.
P.S. Zwei Fotos, zwei Personen von insgesamt 150 Abgelichteten in der Ausstellung, sind heimlich gefertigt worden. Also eigentlich Paparazofotos. Das eine ist ein Foto von Rosemarie Nitribitt , wie sie mit geschlossenen Augen ihre Füße auf der Fensterbrüstung in der Sonne in ihrer Wohnung liegt, die der FR - diesem erwähnten wunderschönen Rundbau - gegenüberlag. Kurt Weiner hat dies fotografiert, meines Wissens ist es früher nicht gezeigt worden, wurde aber im letzten Jahr anläßlich des Buchfests FRANKFURT LIEST EIN BUCH gezeigt, als DAS MÄDCHEN ROSEMARIE von Erich Kuby gelesen wurde.
Das andere Foto zeigt Mike Jagger mit weißem T-Shirt und Regenschirm in der Schillerstraße, völlig unbehelligt, denn allein und in dieser schlichten Aufmachung erkannte ihn keiner - bis auf den Fotografen.
Foto:
©stadtgeschichte-ffm.de
Info:
„Abgelichtet! Stars in Frankfurt“ im Frankfurter Institut für Stadtgeschichte bis 22.8.22
Gefördert wurde die Ausstellung von der Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main. Der Eintritt in die Ausstellung ist frei. Sie ist regulär montags bis freitags von 10 bis 18 Uhr sowie samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Bis Ostern 2022 ist sie an den Wochenendtagen schon ab 10 Uhr und mittwochs bis 20 Uhr geöffnet. Die Öffnungszeiten an Feiertagen sind unter www.stadtgeschichte-ffm.de zu finden.