Kritik an CDU-Kultusminister Lorz vor dem Schulstart in Hessen
hessenschau
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Anders als Kultusminister Lorz halten seine Kritiker den Lehrermangel an Hessens Schulen für besorgniserregend. Und das ist nicht der einzige Vorwurf kurz vor Beginn des neuen Schuljahres.
Vertreter der Landtagsopposition haben am Freitag scharfe Kritik an Hessens Kultusminister Alexander Lorz (CDU) geübt. Sie warfen ihm vor, die Lage an den Schulen kurz vor Beginn des neuen Schuljahres zu beschönigen. "Der zu erwartende Lehrkräftemangel ist dramatisch“, sagte Christoph Degen, schulpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.
Statt auf gut ausgebildete Lehrkräfte setze die schwarz-grüne Landesregierung auf Laien, die über Ketten-Arbeitsverträge bis zu fünf Jahre Unterricht gäben, ohne weiterqualifiziert zu werden. Dann setze das Land diese Menschen auf die Straße. Auch an den Universitäten habe die Regierung versäumt, dem Mangel an Lehramtsstudenten rechtzeitig zu begegnen.
"Hausgemachte Probleme" warf SPD-Politiker Degen der Regierung unter anderem auch auf Feldern wie der Ganztagsbetreuung ("Das Schönreden muss ein Ende haben") und der Digitalisierung vor. Seine Fraktionskollegin Nina Heidt-Sommer sagte, der Lehrerberuf sei in Hessen "so unattraktiv wie nie zuvor".
Doch nicht dramatisch
Kultusminister Lorz hatte zuvor die Lage der Schulen in Hessen zum Start des Schuljahres 2022/23 aus seiner Sicht dargelegt. Sie hätten einen sprunghaften Anstieg der Schülerzahlen um 25.500 in nur einem Jahr zu bewältigen, vor allem infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und starker Zuwanderung von Geflüchteten um das Jahr 2015.
Zusammen mit den Nachwirkungen der Corona-Krise und dem Mangel an Lehrern auf dem Arbeitsmarkt sei das herausfordernd, "aber nicht dramatisch". Wer das Gegenteil behaupte, verbreite Panikmeldungen. Das Land reagiere mit der Schaffung neuer Angebote und Lehrerstellen.
"Zahlenspielchen" warf die Linkspartei dem Kultusminister vor. Lorz könne aber auch damit nicht vertuschen, wie prekär der Lehrermangel schon jetzt sei, sagte die Fraktionsvorsitzende Elisabeth Kula.
Man wolle sich nicht ausmalen, wie die Lage erst werde, wenn ab 2026 ein Anspruch auf Ganztagsbetreuung bestehe. Kula warf Lorz weitere Versäumnisse vor: Unter anderem seien Schulgebäude marode, der Krankenstand unter den Beschäftigten hoch und Lehrkräfte an Grundschulen zu schlecht bezahlt. Angesichts der Corona-Pandemie sei für den Herbst zu befürchten, "dass die Schulen wieder einmal allein gelassen werden, wenn es brenzlig wird".
FDP beklagt Schwerfälligkeit
Den Vorwurf, er tummele sich auf Nebenschauplätzen, richtete FDP-Bildungsexperte Moritz Promny an den Kultusminister. Lehrermangel und schleppende Digitalisierung seien die Hauptprobleme zum Schuljahresbeginn, sagte der Landtagsabgeordnete. Das beklagen zu müssen sei besonders ärgerlich, "weil beide Probleme nicht plötzlich vom Himmel gefallen sind".
Als Beleg für die von ihm kritisierte Schwerfälligkeit der Landesregierung führte Promny die Einführung eines Video-Konferenzsystems für den Fernunterricht an. Es habe zwei Jahre gedauert, es in das Online-Schulportal des Landes zu integrieren, und nun bestehe noch großer Fortbildungsbedarf in den Schulen.
AfD befürchtet "Lüftungsregime"
Lorz lässt nach Meinung der AfD zu Beginn des Schuljahres wichtige Fragen zur konkreten Ausgestaltung des Unterrichts unbeantwortet, statt die Schulen durch kluge Maßnahmen zu entlasten und Lehrern, Schülern und Eltern Sorgen zu nehmen. Dazu zählt Heiko Scholz, schulpolitischer Sprecher der Fraktion, neben Lehrermangel und Unterricht für ukrainische Kinder auch die Frage des Umgangs mit der Corona-Pandemie.
"Kehrt die Pflicht zum Tragen einer medizinischen Mund-Nase-Bedeckung nebst dem Lüftungsregime an die Schulen zurück?", lautete Scholz'Frage. Der Kultusminister müsse auch klarmachen, wie der Unterricht stattfinden soll, wenn es zum Mangel an Strom und Gas komme, der sich abzeichne.
Grüne sehen Fortschritte und planen weitere
Die mit der CDU regierenden Grünen kündigten unterdessen angesichts der stark gestiegenen Schülerzahlen zusätzliche Anstrengungen an. Man wolle für den kommenden Haushalt weitere zusätzliche Stellen für Lehrkräfte und die Schulsozialarbeit finanzieren, sagte Daniel May, bildungspolitischer Sprecher der Landtagsfraktion.
Über die Krisenbewältigung hinaus verliere man andere Vorhaben nicht aus dem Blick, wie der Start eines Schulversuchs mit Türkisch als Fremdsprache im neuen Schuljahr zeige. Das geplante neue Schulgesetz gibt den Schulträgern laut May zudem neue Möglichkeiten für Ganztagsangebote. Das Land sei auf einem guten Weg, den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung zusammen mit den Kommunen zu erfüllen.
Die CDU selbst sieht Hessen "innovativ" ins neue Schuljahr aufbrechen. Besonders erfreulich sei der "große Ausbau im Punkt Digitalisierung", teilte Horst Falk mit, ihr bildungspolitischer Sprecher. Als Beispiel nannte er das neue Schulfach "Digitale Welt", das an mehreren Schulen gestestet wird.
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