Das Gespenst der Korruption geistert durch Frankfurt am Main
Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Innerhalb weniger Minuten hätte es mehrfach zu schweren Unfällen kommen können.
Martin Dorenkamp war irritiert. Er stand an diesem heißen und sonnigen 22. August an der Kreuzung Ossietzky- / Tucholskystraße in Frankfurt-Sachsenhausen und war entsetzt. Die dort abzweigende Tucholskystraße ist eine Einbahnstraße. Dennoch bogen in kurzer Folge mehrere PKWs, die aus der falschen Richtung kamen, in schneller Fahrt, die Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h missachtend, in die in Richtung Grethenweg und Darmstädter Landstraße führende Ossietzkystraße ein. Und wären um ein Haar mit Fahrzeugen kollidiert, die von der Ossietzkystraße ordnungsgemäß in die Tucholskystraße einbiegen wollten.
Dorenkamp ist ein bewusster Staatsbürger, der sich für das Gemeinwohl verantwortlich fühlt. Er suchte nach Schildern, welche die Einbahnstraßenregelung aufgehoben haben könnten, doch er fand keine. Also schritt er forsch die zum Sachsenhäuser Berg hin ansteigende Straße hoch, um dem Geheimnis des unkontrollierten Verkehrs auf die Spur zu kommen. Und er wurde fündig. Etwa 100 Meter weiter oben blockierten drei Fahrzeuge jegliches Durchkommen. Dem Anschein nach wurde eine Wohnung entrümpelt. Doch es waren keine temporären Absperrungen installiert, weder Halteverbotsschilder noch Absperrbänder. Eine Passantin, die er um nähere Informationen bat, erzählte, dass bereits seit über einer halben Stunde gearbeitet würde. Sie war genervt vom Lärm und vom lauten Hupen der Autos, die durchfahren wollten, es aber nicht konnten und nach Ausweichmöglichkeiten suchten.
Daraufhin sprach er einen der Arbeiter an. Der sprach vom Auftrag, die Wohnungseinrichtung fachgerecht zu entsorgen. Für das Absperren der Straße sei nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Firma „GWR - gemeinnützige Gesellschaft für Wiederverwendung und Recycling mbH“ grundsätzlich der Auftraggeber verantwortlich. Darauf hätten er und seine Kollegen auch vertraut. Allen Beteiligten sei klar, dass eine derartig umfangreiche Entsorgung nicht innerhalb von wenigen Minuten zu erledigen sei. Eine Stunde, eher länger, sei zu veranschlagen.
Der freundliche Mitarbeiter verwies Dorenkamp auf eine Dame, die seitlich des Hauses stand und einige der umherliegenden Gegenstände unter die Lupe nahm. Sie lehnte auf Befragen allerdings jede Auskunft ab. Alles habe seine Ordnung. Eine Bemerkung konnte sich die resolute Frau jedoch nicht verkneifen. Ob der neugierige Herr vielleicht einer linken Partei angehöre? Einer, die am liebsten jede Kleinigkeit bürokratisch regeln würde. Martin Dorenkamp ließ sie darüber im Ungewissen, kündigte aber Anfragen beim Ortsbeirat und bei der Stadtverwaltung an. Das tat er auch, sobald er in seiner Wohnung angekommen war. Auf dem kurzen Weg dorthin wurde er mehrfach von PKWs bedrängt, die sich in Einfahrten zwängten, sogar auf Gehwegen parkten. Mutmaßlich in der Hoffnung, bald wieder voranzukommen.
Er schrieb an das Straßenverkehrsamt ein E-Mail, in der er ausführlich den Sachverhalt schilderte und digitale Fotos beifügte. Ausdrücklich bat er um eine Stellungnahme von den für die Straßensicherheit Verantwortlichen und verwies auch darauf, dass er bereits mehrfach Opfer von Regelverstößen, verübt von rücksichtslosen Autofahrern, Radfahrern und zunehmen E-Roller-Fahrern, geworden sei.
Am folgenden Tag erhielt er eine Eingangsbestätigung, in der er gebeten wurde, den Abschluss der Untersuchung abzuwarten und vorher nichts Weiteres zu unternehmen.
Am 14. September schrieb ihm die Leiterin des Straßenverkehrsamtes, dass für den fraglichen Zeitraum keine verkehrsrechtliche Anordnung erteilt worden sei und sich eine solche auch nicht in Bearbeitung befände. Die Verkehrsregelungs-Sachbearbeitung habe aber am 25. August um 10:15 Uhr (!) eine Kontrolle durchgeführt und keine Verkehrsbehinderungen festgestellt. Sie empfahl, sich bei verkehrsbehindernden oder gefährdenden Zuständen direkt mit dem Verkehrssicherheitstelefon der Städtischen Verkehrspolizei oder außerhalb der Dienstzeiten sich mit dem zuständigen 8. Polizeirevier in Verbindung zu setzen. Den von Martin Dorenkamp geäußerten Verdacht, dass eine Vorteilsgewährung durch Amtspersonen stattgefunden haben könnte, wies sie zurück.
Die Aufklärung eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr mittels einer drei Tage später kontrollierenden Streife vorzunehmen, erscheint Dorenkamp als von Dilettantismus geprägt zu sein. Denn wenn offensichtlich niemand für den 22. August eine temporäre Sperre beantragt hatte, das Entsorgungsunternehmen aber von ihm benannt und mittels Fotos belegt worden war, hätte man dort nach dem Auftraggeber fahnden können. Die „GWR - gemeinnützige Gesellschaft für Wiederverwendung und Recycling mbH“ ist im Übrigen ein städtisches Unternehmen. Aufsichtsratsvorsitzende ist Stadträtin Rosemarie Heilig (Grüne), Dezernentin für Klima, Umwelt und Frauen.
Martin Dorenkamps Zweifel sind weiter gewachsen. Gegen Oberbürgermeister Peter Feldmann wurde ein Amtsenthebungsverfahren wegen des Verdachts auf Vorteilsgewährung in Gang gesetzt. Obwohl es kein rechtsfähiges Urteil gibt. Hingegen wurde gegen die frühere Sozialdezernentin, die ohne genaue Detailprüfung eine deutlich überhöhte Rechnung in Millionenhöhe des alten AWO-Vorstands für die Unterbringung von Flüchtlingen zur Zahlung anwies, gar nicht ermittelt. Eine ähnliche rechtliche Grauzone sind die Belästigungen, Gefährdungen und Körperverletzungen durch E-Roller-Fahrer, die vom zuständigen Dezernenten achselzuckend hingenommen werden. Ja, zumindest der Verdacht von Korruption lastet auf einigen Bereichen des Frankfurter Magistrats.
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Nichtangemeldete Entrümpelung gefährdet die Verkehrssicherheit
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