In Frankfurt am Main sind die größten deutschen Sportverbände zu Hause

 

Claudia Schubert und pia

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Frankfurt ist Deutschlands Sport-Stadt Nummer eins. Auf dem Balkon des Rathauses Römer werden große Titelgewinne gefeiert, an der Otto-Fleck-Schneise reiht sich Verband an Verband. In den dort zusammengeschlossenen Vereinen kicken, rasen, radeln, tanzen, turnen knapp 28 Millionen Menschen. An der Verbandsschneise werden auch Millionen Euro bewegt.

 

Frankfurt ist die Hauptstadt des deutschen Sports. Ich kenne keine andere Stadt mit solch einer hohen Konzentration an Verbänden“, sagt Karin Fehres, Direktorin für Sportentwicklung beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Er gehört zu den ersten Organisationen, die Quartier gemacht haben am Main. Vor 60 Jahren ließ sich der DOSB-Vorgänger Deutscher Sportbund (DSB) vom intensiven Werben Frankfurts und der Aussicht auf bezahlbare Räumlichkeiten zum Umzug aus dem Ruhrgebiet überzeugen.

 

Der Turnerbund war der Erste

 

Hinter der sportlichen Offensive steckten zwei umtriebige Oberbürgermeister. Der legendäre Walter Kolb (SPD) holte Ende der 1940ger Jahre mit dem Deutschen Turnerbund (DTB) den ersten Verband an den Main. Nachfolger Werner Bockelmann (SPD) beförderte die Ansiedlung der Sportzentralen im Stadtwald nahe dem Stadion. Heute konzentrieren sich an der nach Oberforstmeister Otto Fleck (1868-1927) benannten Schneise etwa 30 Institutionen.

 

Die Aktivitäten sind so vielfältig wie die Stadt. Exoten wie der American Football Verband Deutschland und der Deutsche Verband für Garde- und Schautanz haben ebenso ihren Platz gefunden im Wald wie der Deutsche Tischtennisbund, der Bund Deutscher Fußballlehrer, der Bund deutscher Radfahrer und diverse hessische Landesverbände. Der DFB, der DOSB und der DTB sind die Platzhirsche. Weitere renommierte Teammitglieder entlang der Verbandsschneise sind die Deutsche Olympische Akademie, die Stiftung Deutsche Sporthilfe und der Landessportbund Hessen mit zahlreichen hessischen Sportorganisationen. Die finanzkräftige Deutsche Fußball-Liga residiert im Bankenviertel.

Neckermann holte die Sporthilfe

 

Für die Repräsentanten von fast 28 Millionen organisierten Sportlern zählen ähnliche Standortüberlegungen wie für Airlines am Frankfurter Flughafen oder die Bankenwelt: Wo ein paar Große sind, da wollen noch mehr hin. „Die Nähe zu den großen nationalen Verbänden, das ist der Punkt“, sagt Jens Kleine Brörmann von der Sporthilfe. Die in Berlin gegründete Stiftung sitzt seit Mai 1967 am Main – wo sich zuvor schon große Organisationen wie der DSB, die Deutsche Olympische Gesellschaft, der DFB und die Turner niedergelassen hatten.

 

Mit Versandhauskönig Josef Neckermann war ein prominenter Frankfurter maßgeblich daran beteiligt, dass die Sporthilfe nicht an ihrem Gründungsort Berlin blieb. Der erfolgreiche Dressurreiter hielt zwischen 1967 und 1989 als Vorsitzender die Stiftungs-Zügel fest in der Hand. Um Geld zur Förderung von Spitzenathleten und Talenten in die Kasse zu bekommen, lädt die Sporthilfe seit 1970 alljährlich zum „Ball des Sports“. Zum ersten Mal schwangen Politik und Prominenz in der Jahrhunderthalle das Tanzbein, seither wandert das prestigeträchtige Event durchs Rhein-Main-Gebiet und ist heißbegehrt. Nach Ausflügen in Frankfurt wurden die Rhein-Main-Hallen in Wiesbaden der Ort, wo bis in den frühen Morgen getanzt und gespendet wurde. Die allerdings werden nun bald einem Neubau weichen...

 

 

Walter Kolb zog die Verbände an

 

Frankfurt, zentral in der noch jungen Bundesrepublik gelegen und anders als das isolierte Berlin, gut erreichbar – das waren weitere Argumente pro Mainmetropole. „In der Situation nach dem Zweiten Weltkrieg war Frankfurt das Drehkreuz. Und Walter Kolb hat angezogen“, beschreibt der Historiker Thomas Bauer die Anfänge. Der schwimmbegeisterte OB „sah im Sport einen wichtigen Faktor, um ... speziell den Frankfurtern, zwischen den Trümmern ein bißchen Lebensfreude zu vermitteln“, schreibt Bianca Schreiber-Rietig in dem 1998 erschienen und im Institut für Stadtgeschichte aufbewahrten Text „Die Sporthauptstadt Frankfurt und ihre Oberhäupter“ über die Motivation Kolbs. Sport sollte den Menschen helfen, sich nach Krieg und Nachkriegszeit neu zu orientieren. Der Politiker setzte sich zunächst für die Neugründung des Turnerbundes ein; er wurde dessen erster Präsident. Klar, dass der DTB in Frankfurt den Vorturner gab.

 

 

Gute Lage und günstige Preise

 

1950 stand der Oberbürgermeister und Sportfunktionär in Hannover am Start, um den Deutschen Sportbund (DSB) als Dachorganisation der Vereine auf die Strecke zu schicken. Angestrebtes Ziel: Frankfurt am Main. Die Stadt lockte „nicht nur mit der zentralen Verkehrslage, sondern auch mit günstigen Miet- und Grundstückspreisen“, so Schreiber-Rietig. 1954 erhielt der Verband ein städtisches Haus, 1972 zog er an die Otto-Fleck-Schneise. Als DOSB belegt er mittlerweile zwei Häuser. Unter ihrem Dach haben sich kleinere Organisationen – der Tanzsportbund, die Garde- und Schautänzer, der American Football Verband Deutschland, der Deutsche Judo-Bund, die Motorsportler, der Tischtennisbund ¬– eingemietet. Demnächst heißt es für die Funktionäre Umzugskisten packen. Das vom Fluglärm belastete und sanierungsbedürftige Hauptgebäude wird abgerissen und neugebaut. In das Projekt investiert der DOSB mit umfangreicher Unterstützung durch das Land Hessen und die Stadt Frankfurt über 20 Millionen Euro. Im Frühjahr 2016 wollen der DOSB und seine Mieter vom Ausweichquartier Neu-Isenburg wieder zurückkehren an die Otto-Fleck-Schneise.

DFB baut neue Akademie

 

Der DFB, seit 1974 am Platz und seit 1951 am Main zuhause, plant die größte Zukunftsinvestition am Sportstandort Frankfurt am Main. Der Verband baut in Niederrad ein Kompetenzzentrum für die Nationalmannschaften, die Ausbildung der Bundesligatrainer und der Spitzenschiedsrichter. Hinzu kommen Fitness- und Rehazentrum. Die DFB-Akademie soll bis zu 50 Millionen Euro kosten und Ende 2018 fertig sein. Dann rückt die DFB-Zentrale ein Stück näher an die City der Mainmetropole und macht die Präsenz der Sportler in der Stadt sichtbarer. Die Fußballer schätzen insbesondere die Gastgeberqualitäten Frankfurts. „Hotellerie und Gastronomie auf höchstem Niveau und in größtmöglicher Bandbreite. Dies sind die bedeutenden Faktoren für Treffen der Nationalmannschaft“, heißt es beim Verband. Ein dickes Lob für die Fans gibt es obendrauf: Die Mainmetropole habe sich mehrfach als „fußballverrückte Stadt erwiesen“ lobt der DFB. Bei dem Weltmeisterschaften 2006 und 2011 (Frauen) waren die Frankfurter perfekte Gastgeber. Mal sehen, ob es 2014 wieder was zu jubeln gibt auf dem Römer.