Serie: Fritz Bauer: Bücher, Filme, CDs und vor allem die Ausstellung in Frankfurt am Main, Teil 1
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Endlich! Endlich wieder eine Fritz-Bauer-Ausstellung in Frankfurt. Für jemanden wie uns war Fritz Bauer Ende der Fünfziger und Anfang der Sechziger eine Lichtgestalt in Frankfurt, wo mir doch selbst im Lessing – die damals noch demokratisch Lessingschule hieß, sich längst wieder zum Lessing-Gymnasium gemausert hat – im Mathematikunterricht Lehrer Bethge eine Ohrfeige verpaßte, weil ich auf seine Euphorien über Hitler und das Soldatenleben im Stechschritt vor der Klasse von mir gab: „Hitler, den hat doch die deutsche Großindustrie finanziert“, womit ich ja weniger meine konkrete Kenntnis, als die Haltung meiner Familie kundtat.
Als Schüler konnte man das Wirken von Fritz Bauer in der nachfaschistischen Bundesrepublik auch daran erkennen, daß irgendwann im Treppenhaus des Lessing die Büste eines Widerstandskämpfers vom 20. Juli 1944 stand, der hier Schüler gewesen war, Später wurde daraus ein Gedenken von sogar drei Schülern, die für ihren unterschiedlich einzuschätzenden Widerstand Ehrung erfahren sollten: Carl-Heinrich von Stülpnagel, Cäsar von Hofacker,und Friedrich-Karl Klausing. Die Gedenkbüste hatte wohl unmittelbar mit Bauers Tätigkeit in Braunschweig zu tun hatte, nämlich mit dem Remerprozeß, der gleich Gegenstand in der Ausstellung ist. Und wie sich die Zeiten von den Fünfzigern zu den Sechzigern geändert hatten, war spätestens dann klar, als wir klassenweise den Auschwitzprozeß besuchten – und das nicht nur einmal. Die Zeiten hatten sich geändert? Auf jeden Fall nicht von alleine. Fritz Bauer ist einer, der durch sein Tun, durch sein Sein die junge, panisch antikommunistische und noch immer nazibehaftete Bundesrepublik verändert hat.
Wie übel man ihm dabei mitgespielt hat, zeigt die auf eine große Tafel montierte vergrößerte Postkarte „an den Vaterlandsverräter“, die am Eingang zur Ausstellung aufgestellt ist und nur ein Beispiel der ständigen Anwürfe, Verdächtigungen und gegnerischen Hetze sind, die Bauers gesamte Tätigkeit im Nachkriegsdeutschland begleiteten. Mit der Rückkehr aus dem Exil, erst Dänemark, dann Schweden, und dem großen Bild von Kurt Schumacher, Sozialdemokrat und ab 1946 SPD-Vorsitzender und lebenslanges Vorbild für Fritz Bauer, beginnt dann die Ausstellung, die zurecht den Sozialdemokraten Bauer zeigen will, der als wichtigstes Anliegen nach 1945 eine neue demokratische Gesellschaft miterschaffen und mitgestalten wollte, was ihm nur mit Hilfe der Jugend, die man über die NS-Vergangenheit und ihre Mechanismen aufzuklären hatte, möglich schien.
Deshalb war ihm der Remerprozeß so wichtig, denn dieser spätere Generalmajor Otto Ernst Remer, unmittelbar an der Erschießung der Widerständler vom 20. Juli beteiligt, lebte unbehelligt in Braunschweig - wo Fritz Bauer nach der Rückkehr aus dem Exil 1949, erst ab 1949 gab es die Bundesrepublik Deutschland, in Braunschweig erst Landgerichtsdirektor, dann 1950 Generalstaatsanwalt wurde - während die Hitlerattentäter noch als Verbrecher galten und ihre Witwen keine Pension erhielten, wohl aber die der Nazis. Wie politisch der Jurist Bauer dachte, zeigt sich daran, daß er 1952 bei seinem ersten Prozeß gegen einen Nazi von dessen Opfern gerade diese eher konservativen Widerständler nahm, die lange im Gefolge von Hitler reüssiert hatten, meist Adlige dazu, weil diese Art des Widerstand als durch die Geschichte legitimierter Tyrannenmord ihm gesellschaftlich und juristisch eher durchsetzbar erschien als die Nazi-Verbrechen gegen ihm nahestehende Sozialdemokraten und Kommunisten. Als Generalstaatsanwalt von Braunschweig führte Fritz Bauer diesen Prozeß selbst, nachdem sich ein ihm unterstellter Staatsanwalt geweigert hatte, und machte Georg August Zinn (1901-1976), von 1950 bis 1969 Hessischer Ministerpräsident, auf sich aufmerksam, der ihn 1956 als Generalstaatsanwalt nach Hessen mit Sitz in Frankfurt am Main holte.
In der Ausstellung folgt nach dem Remerprozeß, dessen Bedeutung auch darin liegt, daß die Strafkammer feststellte, „daß der nationalsozialistische Staat kein Rechtsstaat, sondern ein Unrechtsstaat war, der nicht dem Wohne des deutschen Volkes diente“, jetzt erst einmal der private Bauer: das Elternhaus von Fritz Bauer, wobei vor allem die Erziehung durch seine Mutter für ihn prägend wurde. Schon hier gefällt, was sich durch die Ausstellung zieht, daß man Originalton Bauer hört, denn viele Rundfunksendungen und noch mehr Fernsehinterviews erläutern durch ihn selbst, was man dann doch sehr papieren an Schriften und Fotos in den Vitrinen sieht. Was Bauer da in einer Sendung des WDR berichtet, bezeugen eine für damalige Zeit - Bauer ist am 16. Juli 1903 in Stuttgart geboren - ungewöhnlich tolerante und liebevolle Erziehung, die in nur einer Forderung der Eltern an ihn gipfelte: „Was du nicht willst, das man dir tu', das füg' auch keinem anderen zu.“ Fortsetzung folgt.
Info:
Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. NS-Verbrechen vor Gericht
Ausstellung im Jüdischen Museum in Frankfurt
bis 7. September 2014
Im Thüringer Landtag, Erfurt vom 9. Dezember 2014 bis 1. Februar 2015
Es gibt ein umfangreiches und qualitativ hochwertiges Rahmenprogramm.
Katalog: Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. NS-Verbrechen vor Gericht, hrsg. von Fritz Backhaus, Monika Boll und Raphael Gross im Auftrag des Fritz Bauer Instituts und des Jüdischen Museums Frankfurt, Campus Verlag 2014
Biographien:
Irmtrud Wojak, „Fritz Bauer 1903-1968. Eine Biographie“, Verlag C.H.Beck, München 2009
Ronen Steinke, „Fritz Bauer: Oder Auschwitz vor Gericht. Biografie mit einem Vorwort von Andreas Voßkuhle, Piper Verlag, München 2013
Film/DVD
Ilona Ziok, Fritz Bauer - Tod auf Raten, Deutschland 2010, 97 Minuten
DVD
Fritz Bauer: Gespräche, Interviews und Reden aus den Fernseharchiven 1961-1968, Hrsg.:Fritz Bauer Institut, Frankfurt, Redaktion: Bettina Schulte Strathaus, 2 DVD,s/w, ca. 300 Minuten, absolut Medien Berlin