Serie: Fritz Bauer: Bücher, Filme, CDs und vor allem die Ausstellung in Frankfurt am Main, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Selbst verantwortlich zu sein und die Spielregeln im eigenen Gewissen zu erforschen, ist für ein Kind schwer, ist aber eine wunderbare Basis für einen Erwachsenen, der dann im Sinne des kategorischen Imperativs nach Grundprinzipien der Moral lebt und handelt.

 

 

Tatsächlich wurde dieser Ausstellungsteil bei den vielen weiteren Besuchen unser liebster, der auch schon deutlich macht, daß Bauer sich nur „im Sinne der Nürnberger Gesetze“ als Jude bezeichnen ließ, denn er war areligiös mit hohem ethischen Anspruch. Für sich war er in erster Linie Mensch, in zweiter Sozialdemokrat.

 

Bei der nächsten Station des Rundgangs fangen die Probleme an. Da geht es erst einmal um Bauers Hineinwachsen in die Weimarer Republik, sein Jurastudium und die ersten massiven Anfeindungen, die zu Ausschlüssen aus Studentenvereinigungen führten - seiner jüdischen Herkunft wegen. Dann aber sind wir nach seinen ersten beruflichen Erfolgen – er war der jüngste Amtsrichter Deutschlands - und seinem neuen politischen Zuhause in der Sozialdemokratie – 17jährig war er in die Stuttgarter SPD eingetreten - im Jahr 1933 bei seiner schnellen Inhaftierung durch die Nazis auf dem Heuberg (Am 23. März 1933 wurde er aus dem Dienstzimmer heraus auf den Heuberg verschleppt.“, sagt der Katalog auf Seite 43).

 

Der Heuberg war das berüchtigte erste württembergische Konzentrationslager, in dem auch Kurt Schumacher inhaftiert war. Von dort wurde Bauer in das Ulmer Garnisonsgefängnis verlegt, aus dem er schon im November 1933 entlassen wurde. Warum? Weil er dem NS-Regime gegenüber eine Unterwerfungserklärung unterzeichnet habe, erläutert die Kuratorin. Kurt Schumacher hingegen blieb unbeugsam und bis 1945 von den Nazis weggesperrt. Und hier liegt auch in der Vitrine ein Zeitungsausschnitt, in dem die Unterzeichner ihr „uneingeschränktes Bekenntnis“ zur neuen Regierung ablegen. Nur – steht dort nicht Bauer!

 

Ein ähnlicher Name steht drunter, aber es gibt von niemandem dieser Unterzeichner „gez....“ eine persönliche Unterschrift in diesem Zeitungsartikel. Da sperrt sich schon einmal alles in einem, daß eine gleichgeschaltete Zeitung im Dritten Reich als einzige Quelle für „Unterwerfungserklärungen“ herhalten muß. Aber, was Fritz Bauer angeht, steht er auf dieser Liste nicht und es ist schon allerhand, dies so hinzustellen. Er hat – erzählen seine Freunde – auch niemals davon gesprochen, eben, weil es so nicht war. So werden so dahingesagten Sätze, Bauer habe sich dafür später geschämt, gerade weil sein Freund und Genosse Kurt Schumacher bis zum Ende des Nazizeit als Sozialdemokrat inhaftiert blieb, zu einem Rufmord – dann nämlich, wenn er tatsächlich weder unterschrieben, noch in der Konsequenz sich dazu überhaupt geäußert hat. Bis jetzt kannte man, daß man innerhalb der Justizkreise keinen Amtsrichter, auch keinen als Juden entlassenen Amtsrichter in Haft sehen wolle, so daß seine Befreiung von dort, aus Kreisen der Justiz, gefordert worden war. Dies muß auf jeden Fall noch während des Ausstellungsverlaufs geklärt werden.

 

Wenn man dann irritiert weitergeht, im Kopf die Überlegung, daß es ja immerhin das Fritz-Bauer-Institut ist, das diese Ausstellung verantwortet und doch in seinem Sinne gestalten wird, erhält man den nächsten Schlag. „Als Politischer Flüchtling anerkannt, als Homosexueller observiert – das dänische Exil“ tituliert es auch der Katalog, wo Kuratorin Monika Boll auf 24 Seiten ausbreitet, was hier in wenigen Schriftstücken der dänischen Polizei ausliegt. Bis März 1936 war Fritz Bauer in Deutschland geblieben, floh dann nach Dänemark, wo seine Schwester mit Mann und Kindern in Kopenhagen lebte. Problem war, daß seine juristische Ausbildung hier nichts wert war, was seine Akte bei der dänischen Ausländerbehörde bis 1948 dokumentiert, wobei Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis immer nur temporär erteilt wurden.Wie stark das Nazi-Deutschland an Bauer interessiert war, zeigt sich beim Auslaufen seines deutschen Passes am 23. April 1937, wo die deutschen Behörden im sozialdemokratischen Dänemark anfragten, ob Bauer jetzt ausgewiesen werden könne. Das nicht, er bekam ein „dänisches Reisezertifikat“, was die Geheime Staatspolizei in Berlin 1938 mit dem Antrag auf Ausbürgerung 'des jüdischen Emigranten' beantwortete. Fortsetzung folgt.

 

 

Info:

 

Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. NS-Verbrechen vor Gericht

Ausstellung im Jüdischen Museum in Frankfurt

bis 7. September 2014

Im Thüringer Landtag, Erfurt vom 9. Dezember 2014 bis 1. Februar 2015

 

Es gibt ein umfangreiches und qualitativ hochwertiges Rahmenprogramm.

 

Katalog: Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. NS-Verbrechen vor Gericht, hrsg. von Fritz Backhaus, Monika Boll und Raphael Gross im Auftrag des Fritz Bauer Instituts und des Jüdischen Museums Frankfurt, Campus Verlag 2014

 

Biographien:

Irmtrud Wojak, „Fritz Bauer 1903-1968. Eine Biographie“, Verlag C.H.Beck, München 2009

 

Ronen Steinke, „Fritz Bauer: Oder Auschwitz vor Gericht. Biografie mit einem Vorwort von Andreas Voßkuhle, Piper Verlag, München 2013

 

Film/DVD

Ilona Ziok, Fritz Bauer - Tod auf Raten, Deutschland 2012,97 Minuten

 

DVD

Fritz Bauer: Gespräche, Interviews und Reden aus den Fernseharchiven 1961-1968, Hrsg.:Fritz Bauer Institut, Frankfurt, Redaktion: Bettina Schulte Strathaus, 2 DVD,s/w, ca. 300 Minuten, absolut Medien Berlin