Serie: Fritz Bauer: Bücher, Filme, CDs und vor allem die Ausstellung in Frankfurt am Main, Teil 3

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Der Skandal in der Ausstellung aber steckt in der Vitrine, in der dänische Polizeiakten vom April 1936 – da war Bauer gerade einen Monat in Kopenhagen und die Behördenverständigung zwischen Deutschland und Dänemark noch intakt – von einer Observierung Bauers wegen Homosexualität, verschärft wegen männlicher Prostitution berichten. Wie das?

 

 

Wir haben einfach keine Lust, die Details der Polizeiprotokolle auszubreiten, die auch deshalb so ungewöhnlich sind, weil Homosexualität in Dänemark seit 1933 erlaubt war, im Gegensatz zu Deutschland, wo die Nazis 1935 eine Verschärfung erließen. Uns kommt dies hanebüchen vor, daß nach einem Monat Exil bei in Dänemark erlaubter Homosexualität eine solche Observierung stattfindet und vermuten andere Gründe. Der Katalog – immer noch die Kuratorin Boll – führt auf Seite 58 folgende Begründung an: „Für ein besseres Verständnis, warum dennoch, wie im Fall Bauer, eine solch schikanöse Observierung mit einem gemessen an der Größe der Behörde grotesken Zeit- und Personalaufwand betrieben wurde, hilft ein kurzer Rückblick auf die Geschichte der Homosexuellenpolitik in Dänemark.“

 

Wie das, Frau Kuratorin? Läge hier nach einem Monat Exil und einer 'schikanösen Observierung' nicht eher der Verdacht nahe, daß die Nazis – jeder wußte, wie der dänische König einerseits die Exiljuden schütze, andererseits aber dänische Behörde immer wieder auf den Druck des mächtigen Nazi-Deutschlands willfährig reagierten – einen Tatbestand der Ausweisung nach Deutschland herzustellen versuchten.Über diese Sachlage hätten wir an dieser Stelle in der Ausstellung, auf jeden Fall im Katalog, gerne einen kurzen oder langen Rückblick gesehen, nämlich wie Nazi-Deutschland Exiljuden auch im Asyl drangsalierte.

 

Eigentlich wäre uns die sexuelle Orientierung von Fritz Bauer völlig egal. Wir haben ihn von damals nur anders in Erinnerung und dies bestätigen alle noch lebenden Männer und Frauen, die ihn hier in Frankfurt von 1956 bis zu seinem Tod 1968 gekannt haben. Niemals hatten die Nazis bis zu seinem Exil 1936 gegenüber Bauer oder Dritten auch nur den Verdacht der Homosexualität geäußert, der sozusagen vom politischen Renommee her damals tödlich gewesen wäre. Kurzum: wäre da irgendetwas gewesen, es wäre bekannt. Das gilt genauso und erst recht – weil wir zeitlich hier mitreden können – über die junge Bundesrepublik. Das Allerschlimmste war es damals, Kommunist zu sein. Und genau diese Bezeichnung haben seine politischen Gegner, die Ewiggestrigen genauso wie die Biedermänner, vor allem in der CDU, dem überzeugten Sozialdemokraten immer wieder übergezogen. Da lachen ja die Hühner, war Bauers Reaktion mit Schulterzucken.

 

Das Zweitschlimmste in einer öffentlichen Stellung war der Vorwurf, damals war so etwas ein Vorwurf, schwul zu sein. Kein einziges Wort wurde allerdings hier in Bezug auf Bauer in den Jahren 1949 bis 1968 auch nur angedeutet. Selbst von seinem schärfsten Gegnern nicht. Ja, wie naiv stellt sich eigentlich hier die Ausstellung an? Als ob Bauer bei der massiven politischen Gegnerschaft, in die er ob seines Bestrebens, die Täter im nationalsozialistischen Deutschland aufzuspüren und ihnen den Prozeß zu machen, in diesem konservativ bigotten Deutschland der Fünfziger und Sechziger geraten mußte, nicht sofort als Homosexueller bloßgestellt und damit ins politische Abseits gestellt worden wäre. Dies gilt erst recht bei seinem Versuch, mit Hilfe der Menschenrechte einen neuen Ton und ein neues Bewußtsein bei der Jugend Deutschlands in Gang zu setzen, ein kritisches Staatsverständnis zu fördern, daß der Staat für den Bürger da ist und nicht dieser zum Objekt des Staates wird; das wäre ihm doch sofort als Anbiederung an junge Männer ausgelegt worden. Ach so, er hatte seine gleichgeschlechtliche Ader vor seinen Freunden und der Öffentlichkeit verheimlicht? Wie naiv auch hier. Als ob Fritz Bauer nicht ein bevorzugtes Objekt des westdeutschen Geheimdienstes gewesen wäre. Wäre hier auch nur der Verdacht auf Homosexualität gewesen, er wäre politisch geliefert gewesen.

 

Bei dieser Sachlage, die angesichts dieser Quelle ja nicht nur fragwürdig wäre, sondern schlicht falsch ist, muß man sich fragen, aus welchen Gründen die Ausstellung dies überhaupt zum Thema macht und sich ausgerechnet auf eine Polizeiakte stützt. Das einzige, was uns einfällt, ist, daß Ronen Steinke in seiner Biographie“Fritz Bauer. Oder Auschwitz vor Gericht, München 2013“ als erster von einer Homosexualität Bauers spricht. Denn die Polizeiakte war ja schon lange bekannt (Biographie Irmtrud Wojak), aber mit Recht gemieden. Museumsleiter Gross und die Kuratorin hatten wiederholt öffentlich Ronen Steinke ihren Dank für seine Vorlagen ausgesprochen und ihn zum spiritus rector der Ausstellung erhoben. Aber selbst dieser kommt in seinem Buch zum Schluß, daß die dänische Polizeiakte als einzige Quelle dünn ist, weil es darüberhinaus einfach nichts gibt. Wie peinlich das alles, daß ausgerechnet das Fritz-Bauer-Institut so verfährt. Fortsetzung folgt.

 

 

Info:

 

Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. NS-Verbrechen vor Gericht

Ausstellung im Jüdischen Museum in Frankfurt

bis 7. September 2014

Im Thüringer Landtag, Erfurt vom 9. Dezember 2014 bis 1. Februar 2015

 

Es gibt ein umfangreiches und qualitativ hochwertiges Rahmenprogramm.

 

Katalog: Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. NS-Verbrechen vor Gericht, hrsg. von Fritz Backhaus, Monika Boll und Raphael Gross im Auftrag des Fritz Bauer Instituts und des Jüdischen Museums Frankfurt, Campus Verlag 2014

 

Biographien:

Irmtrud Wojak, „Fritz Bauer 1903-1968. Eine Biographie“, Verlag C.H.Beck, München 2009

 

Ronen Steinke, „Fritz Bauer: Oder Auschwitz vor Gericht. Biografie mit einem Vorwort von Andreas Voßkuhle, Piper Verlag, München 2013

 

Film/DVD

Ilona Ziok, Fritz Bauer - Tod auf Raten, Deutschland 2012,97 Minuten

 

DVD

Fritz Bauer: Gespräche, Interviews und Reden aus den Fernseharchiven 1961-1968, Hrsg.:Fritz Bauer Institut, Frankfurt, Redaktion: Bettina Schulte Strathaus, 2 DVD,s/w, ca. 300 Minuten, absolut Medien Berlin